Ein Weltraumbahnhof in der Nordsee - mit der Idee ist die German Offshore Spaceport Alliance (Gosa) vor zwei Jahren an den Start gegangen. Die Idee des Betreiberkonsortiums gibt es immer noch und auch das ambitionierte Ziel, das dahinter steht: 2023 soll der erste Start erfolgen. An der Gosa sind unter anderem die Bremer Reederei Harren & Partner und das Bremer Raumfahrt- und Technologieunternehmen OHB beteiligt.
Die Abschussrampe soll auf einem dafür umgebauten Schiff stehen. Sie soll in der Nordsee Starts sogenannter Microlauncher etwa 460 Kilometer entfernt von der Küste ermöglichen. Dabei handelt es sich um kleinere Raketen, die Kleinsatelliten auf Erdumlaufbahnen befördern können. Bremerhaven soll der Standort für den Spaceport werden.
Bedenken gegen Raketen in der Nordsee
Offenbar hat sich die Gosa nicht von den Bedenken der Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung, Anna Christmann (Grüne), zum geplanten Weltraumbahnhof in der Nordsee abbringen lassen. Im März hatte die damals neue Koordinatorin die Pläne für einen deutschen Weltraumbahnhof für Mini-Raketen infrage gestellt – ein Abweichen vom Kurs der Vorgängerregierung. Aus ihrer Sicht sei nicht entscheidend, dass die Startplätze in Deutschland seien, es könnte auch ein anderes europäisches Land sein, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“. Es gebe Standorte wie Schweden und Norwegen. Außerdem führte die Luft- und Raumfahrtkoordinatorin Umweltbedenken für das Projekt in der Nordsee an.
„Wir sind mit unseren Arbeiten gut im Zeitplan, wir hatten durch die Bundestagswahl und die nachfolgende Regierungsbildung etwas Verzögerung, die wir aber weitestgehend eingeplant hatten, und sind jetzt mit unseren Untersuchungen schon wieder im Plan“, sagte Gosa-Geschäftsführer Arne Gausepohl dem WESER-KURIER. „Wir haben weiterhin das Ziel, im Jahr 2023 zum ersten Mal zu starten.“ Mit großer Wahrscheinlichkeit werde das aber noch kein Orbitalflug sein, also ein Flug bis in eine Umlaufbahn. „Vielleicht fangen wir auch mit einer Forschungsrakete an, aber wir sind zuversichtlich, dass wir diesen ambitionierten Plan auch umsetzen können.“
Zu wenig Startplätze in Europa
Die Gosa hatte auf die Bedenken der Raumfahrtkoordinatorin bereits im März gelassen reagiert: Man sei sich einig darin, die Infrastruktur von Startplätzen europäisch zu denken. Klar sei aber, dass es zu wenig Startplätze in Europa gebe.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – das Forschungszentrum des Bundes – steht den Startplatz-Ambitionen des Bremer Betreiberkonsortiums positiv gegenüber: „Überlegungen der Industrie in diese Richtung werden begrüßt und begleitet“, heißt es. Der Wettbewerb unter den Startplätzen werde deutlich zunehmen. Deshalb müsse jeder kommerzielle Startplatz-Betreiber darauf achten, ein marktfähiges Angebot zu entwickeln. „Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR unterstützt deshalb im Auftrag der Bundesregierung alle zukünftigen deutschen Startplatzanbieter, indem sie die Nachfrage stärkt – durch mehr Kleinsatelliten, die mit Mikrolaunchern gestartet werden“, sagte ein DLR-Sprecher auf Nachfrage.
Arne Gausepohl sagte, dass das Projekt bisher durch die Partner der German Offshore Spaceport Alliance finanziert sei. Neben OHB und der Reedereigruppe Harren & Partner, die bereits Erfahrungen im Transport von Trägerraketen gesammelt hat, gehört Media Mobil Communication zum Konsortium, ein Bremer Unternehmen, das seit mehr als 25 Jahren Kommunikationssysteme für Offshore-Anwendungen sowie für Schiffe und Standorte an Land entwickelt und betreibt. Ebenso ist die Tractebel DOC Offshore GmbH mit dabei, die unter anderem Expertisen für die Umsetzung für Offshore-Windparks erstellt. „Zur weiteren Finanzierung sind wir aber in Gesprächen und denken, dass ein erster Start in 2023 bei der Investorensuche sehr positiv wirken wird“, so Gausepohl.
9000 Kleinsatelliten bis 2028 ins All
Das Engagement von Gosa kommt nicht von ungefähr. Dem Markt für Kleinsatelliten werden enorme Wachstumspotenziale vorausgesagt. Laut der Unternehmensberatung Euroconsult werden allein bis 2028 weltweit etwa 10.000 Satelliten ins All befördert – 90 Prozent davon sind Kleinsatelliten. Das seien viermal mehr Satelliten als sie im vergangenen Jahrzehnt in den Orbit geschossen wurden.
Unterstützung für den Offshore-Weltraumbahnhof und die landbasierte Infrastruktur in Bremerhaven gab es auch kürzlich auf der Konferenz des Regionalforums Unterweser, dem 14 Landkreise, Städte und Gemeinden angehören. „Wegen der Binnenlage können in Deutschland auf dem Festland keine Raketenstartplätze gebaut werden“, heißt es in dem Positionspapier. Die Gefahr bei Fehlstarts oder durch planmäßig herabfallende Raketenteile wäre zu groß. Durch einen Nordsee-Weltraumbahnhof würde diese Gefahr vermieden. Der Vorteil für deutsche Raketenhersteller wäre, dass sie ihre Transportdienstleistungen günstiger anbieten könnten, weil der logistische Aufwand geringer wäre im Vergleich zu Starts von Südamerika oder Nordeuropa aus.
Geklärt werden müsse nun vor allem die gesetzliche Grundlage für solche Raketenstarts, da bisher kein deutsches Weltraumgesetz existiere. Nur ein solches Gesetz könne unter anderem festlegen, bis zu welcher Höhe die verantwortlichen Unternehmen bei Schäden durch Unfälle, Fehlstarts oder unkontrollierte Abstürze haften und damit ausreichende Planungs- und Investitionssicherheit für die Betreiber schaffen. Das Regionalforum appelliert deshalb an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, die rechtlichen Voraussetzungen für Starts ab 2023 zu schaffen.