Sie sind das Herzstück der Energiewende – die Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee. Doch die Wende kann nur gelingen, wenn in den kommenden Jahren ein massiver Ausbau von Offshore-Windenergie erfolgt. Die Ausbauziele hat die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr deutlich angehoben.
Auf welchen Flächen die neuen Windparks entstehen sollen und wie sie zeitlich ans Festland angeschlossen werden sollen, hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in einem Vorentwurf Anfang September vorgestellt. An diesem Donnerstag hatte das BSH alle Akteure – dazu gehören Verbände, Unternehmen und Behörden – zu einem Gedankenaustausch per Videokonferenz eingeladen. Eines ist klar: Der Ausbau kann nur zügig vorangetrieben werden, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und genügend Ressourcen zur Verfügung stehen.
Wie ehrgeizig die Ziele sind, wird an den Zahlen deutlich: Bis 2045 sollen mindestens 70 Gigawatt (GW) installierter Leistung erreicht sein. Derzeit gibt es etwa 1500 Windräder verteilt auf gut zwei Dutzend Windparks – mit einer Gesamtleistung von 8,1 GW. Im optimalen Fall wird damit momentan so viel Strom erzeugt wie durch etwa sechs Kernkraftwerke. Als Zwischenziel ist vorgesehen, das von der Bundesregierung geplante Ausbauziel von mindestens 40 GW bis zum Jahr 2035 um zehn GW zu übertreffen. Bis 2030 sollen 30 GW installiert sein.
„Das Ausbauziel für Offshore-Windenergie bis 2030 wird nicht zu erreichen sein", sagte Dirk Briese, Chef des Bremer Marktforschungsinstituts Windresearch, dem WESER-KURIER. „Wir haben derzeit wieder einen stark überhitzten Markt." Die Ausbauziele seien auch international in so kurzer Zeit so extrem gestiegen, "dass die vorhandenen Ressourcen das nicht leisten können.“ Der Nachfrageboom führe beispielsweise zu einem Mangel an Spezialschiffen, die Turbinen aufs Meer bringen. "Es mangelt aber auch an Werften, um diese Schiffe zu bauen." Der Aufbau der Ressourcen und Kapazitäten wie Produktionsstätten und Personal sei aufwendig und langwierig. Das werde einige Jahre dauern.
Extreme Kostensteigerungen
Was das Ausbauziel bis 2045 angehe, könne zu diesem Zeitpunkt niemand seriös sagen, ob das zu erreichen sei oder nicht, so Briese. "Auf jeden Fall ist es schon ein sehr ehrgeiziges Ziel, für das ab sofort alles getan werden muss, wenn die Chance bestehen sollte, es zu erreichen." Allein die drohende Knappheit an Metallen wie Gallium, Seltene Erden oder Germanium könnte das Erreichen des Ziels verhindern. Hinzu komme, dass der eine oder andere Akteur Angst vor einem Politikwechsel in Deutschland habe, was auch das Einkassieren der Ausbauziele bedeuten könnte – das bremse die Investitionsbereitschaft. Erschwerend komme hinzu, "dass die Turbinenhersteller ihre Preise angezogen haben. Und das hat neben steigenden Finanzierungskosten, Lieferkettenproblemen und mangelnden Kapazitäten zu extremen Kostensteigerungen für die Projekte geführt.“
Das BSH schlägt mit dem Vorentwurf zunächst zusätzliche Flächen für den Ausbau der Windenergie auf See in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee vor. Hier sollen in den 2030er-Jahren Windparks errichtet werden. Die neubeplanten Bereiche liegen mit einer Entfernung von bis zu 190 Kilometer zum Festland relativ küstenfern. Der Flächenentwicklungsplan beinhaltet zudem konkrete Vorgaben für den Bau und den Betrieb von Windparks und deren Netzanbindungen in Form von Technik- und Planungsgrundsätzen.
Das BSH wird im weiteren Verfahren einen Entwurf für die Fortschreibung des Flächenentwicklungsplans und einen Umweltbericht ausarbeiten. Hieran werden Behörden und Öffentlichkeit erneut beteiligt. Die neuen Flächen werden voraussichtlich im Jahr 2024 festgelegt.