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Pfandflaschen fehlen Zu viel Leergut wird gehortet

Den Aufruf kennen die Verbraucher bereits aus dem Sommer 2022: Leere Pfandflaschen bitte fix in die Märkte zurückbringen. Doch in diesem Jahr kommen neue Probleme für die Getränkehersteller hinzu.
21.07.2023, 05:00 Uhr
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Zu viel Leergut wird gehortet
Von Florian Schwiegershausen

Weil leere Flaschen nur zögerlich den Weg in den Glaskreislauf zurückfinden, befürchten die deutschen Brauereien erneut einen Mangel an Bierflaschen. „In diesem Jahr droht der Leergut-Logistik ein besonderer Härtetest“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, dem WESER-KURIER. „Es war in diesem Jahr schon so, dass einzelne Brauereien nicht alle Bestellungen erfüllen konnten, weil ihnen an bestimmten Tagen das Leergut ausgegangen ist.“

Während die europäischen Glashütten ihre Kapazitäten wegen der hohen Preise zurückgefahren hätten, fielen zahlreiche Glashütten in der Ukraine und Russland seit Beginn des Angriffskriegs im Februar 2022 als Lieferanten aus. Dadurch hätten sich Preis und Nachfrage nach Mehrwegglasflaschen deutlich erhöht. „Bei Glasflaschen sehen wir eine Steigerung von bis zu 140 Prozent im Anschaffungspreis, wenn wir den Mai 2023 mit dem Januar 2022 vergleichen“, sagte Eichele.

Leute gehen seltener einkaufen

Auch ein verändertes Einkaufsverhalten in Folge der Corona-Pandemie belaste die Branche. „Die Rückgabe von Leergut läuft schleppender, wenn viele Kunden seltener in Supermärkte und Getränkemärkte gehen als früher“, sagte Eichele. Dazu kommt noch eine typische Begebenheit, weil Sommerferien sind: Kurz vor dem Urlaub hat das Kofferpacken und das Organisieren der Reise höhere Priorität als noch die leeren Pfandkisten aus dem Keller zu schleppen und wieder in den Supermarkt zu bringen. Diese Kisten fehlen dann noch über Wochen im Kreislauf. Zumindest bei der Beck's-Brauerei ist das in diesem Jahr kein großes Thema. Der deutsche AB-Inbev-Sprecher Patrick Buse appelliert dennoch: "Bitte die Flaschen schnell in die Märkte zurückbringen. Denn es handelt sich eben um ein Mehrwegsystem, und das lebt vom Kreislauf."

Engpässe befürchten so manche Brauereien durch politische Entscheidungen. „Umweltministerin Steffi Lemke hat gerade ein Verpackungsgesetz vorgelegt, um Mehrweg zu stärken und auszubauen. Die Nachfrage nach Glas wird nochmals gewaltig steigen und es wird richtig eng“, sagte Eichele. Die Pläne der Grünen-Politikerin sehen unter anderem vor, dass Supermärkte zukünftig für bestimmte Getränke jeweils mindestens eine Mehrwegalternative anbieten müssen. Von diesem Ansatz sind Discounter wie Aldi und Lidl, die bei Getränken bisher nur auf Einweg setzen, alles andere als begeistert.

Bei Vilsa momentan alles stabil

Wie die Brauer wirbt auch die Mineralbrunnenbranche für die schnelle Rückgabe der Mehrwegflaschen. „Genauso wie in den heißen Sommern der vergangenen Jahre bitten wir Verbraucherinnen und Verbraucher darum, das Leergut möglichst schnell zurückzubringen, damit die Mehrwegsysteme reibungslos funktionieren können“, sagte der Vorstand der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB), Markus Wolff. Diesem Aufruf schließt sich der Getränkehersteller Vilsa aus Bruchhausen-Vilsen an. "Im Moment läuft aber alles stabil", sagte eine Unternehmenssprecherin von Vilsa.

Anders als der Brauer-Bund erwartet die GDB aber keine Engpässe bei der Versorgung. Grund dafür sei der breite Verpackungsmix von Mineralwasser in Glas- und PET-Mehrwegflaschen. „Daher können wir flexibel agieren und stellen auch bei Absatzspitzen wie im Augenblick die Versorgung mit Mineralwasser sicher“, sagte Wolff. Angaben machte der GDB jedoch nicht darüber, inwiefern die gestiegenen Preise die Verbraucher erst recht zum Hamstern animiert hat: Wo also früher vielleicht drei volle Kisten im Keller standen, sind es jetzt nach einer guten Preisaktion im Supermarkt womöglich sieben Kisten oder noch mehr.

Aufrufe der Brauereien im Internet

Von einer langfristigen Knappheit an Glasflaschen geht der Bundesverband Glasindustrie indes nicht aus. „Eine saisonale Flaschenknappheit tritt jedes Jahr im Sommer vor allem bei Mehrwegflaschen auf“, teilte der Verband auf Anfrage mit. Dies hänge vor allem mit einem höheren Getränkeverbrauch und längeren Rückgabezyklen zusammen.

Die Moritz-Fiege-Brauerei in Bochum hatte vor fünf Jahren zum ersten Mal im Internet ihren Facebook-Kanal dafür genutzt, um Verbraucher um leere Pfandflaschen zu bitten. Dieser Aufruf sorgte damals bundesweit für eine ganze Welle von Reaktionen. Bei Fiege war das Problem besonders brisant, weil die Brauerei ihr Bier in eine Halb-Liter-Bügelflasche abfüllt. Das macht im Ruhrgebiet kaum eine Brauerei, weshalb von diesem Flaschentyp  insgesamt weniger im Kreislauf unterwegs ist.

Die Bremer Union-Brauerei meldet bereits in den vergangenen Jahren während der Sommermonate keine Probleme. Geschäftsführer Lüder Kastens begründete das damit, dass man wie so viele andere Brauereien die braune Longneck-Flasche nutze: "Davon sind genug unterwegs." Die Verbraucher müssen also keine Sorge haben, dass wegen fehlender Flaschen das Bier im Supermarkt oder Kiosk ausgeht.

Zur Sache

Bis zu 50 Male wiederbefüllbar

Das Umweltbundesamt spricht sich weiterhin für die Mehrwegpfandflasche aus Glas aus. Die ist laut Angaben der Behörde bis zu 50 Mal wiederbefüllbar. Bei einer Mehrwegflasche aus PET sei das bis zu 20 Mal möglich. Im März haben sich mehrere Brauereien dafür ausgesprochen, das Pfand zu erhöhen. Denn angesichts der gestiegenen Glaspreise würde der Wert einer neuen Glas-Bierflasche den eigentlichen Pfandwert in Höhe von acht Cent übersteigen, beziehungsweise die 15 Cent bei einer Bügelflasche.

Doch jetzt im Juli sieht es nicht danach aus, als könnten sich alle Getränkehersteller  mit der Bundesregierung auf neue Pfandhöhen einigen. Im April wiederum startete der Discounter Lidl seine Kampagne zur Kreislaufpfandflasche. Dabei geht es um eine Einwegflasche mit 25 Cent Pfand, die zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik hergestellt wird. Befürworter und Kritiker diskutierten, ob diese Flasche wirklich besser sei als Glas-Mehrweg, weil der Rücktransport und das Wasser und die Energie für die Reinigung wegfalle.

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