Portugal gilt unter den EU-Krisenstaaten gar als Musterschüler bei der Sanierung der maroden Staatsfinanzen. Im vergangenen Jahr konnte Lissabon das Haushaltsdefizit von 9,8 (2010) auf 4,2 Prozent drücken. Damit wurde das Sparziel deutlich übertroffen.
Lissabon. Euro-Schuldenkrise und kein Ende. Kaum haben die Finanzminister Spanien eine milliardenschwere Geldspritze in Aussicht gestellt, drohen neue Turbulenzen im gemeinsamen Währungsraum. Es gibt aber auch halbwegs positive Nachrichten von der Euro-Krisenfront. Portugal, vor einem Jahr unter den Rettungsschirm geschlüpft, auf dem Weg der Besserung. Das Land gilt als Beispiel dafür, dass eine Finanzspritze von 78 Milliarden Euro durchaus helfen kann und dass der Erfolg einer solchen Rettungsaktion auch davon abhängt, ob der Patient mitspielt oder bockt.
"Wir sind in der Spur und erreichen alle wichtigen Ziele", sagt selbstbewusst der konservative Regierungschef Pedro Passos Coelho, der nicht müde wird zu betonen: "Portugal ist nicht Griechenland."
Zwar verlangt seine Rosskur den Bürgern harte Opfer ab, doch eher selten ziehen Demonstranten durch die Städte und rufen: "Es reicht." Das Volk hält weitgehend still. Es herrsche eher eine "geräuschlose Verzweiflung" schrieb die Wochenzeitung "Expresso".
Beste Noten für den Sparkommissar
Portugiesische Wirtschaftswissenschaftler sprechen von einem gesellschaftlichen Konsens, "dass die europäische Rettungsaktion notwendig ist". Und dass die Reformauflagen geschluckt werden müssen. Dieses Einvernehmen spiegelt sich auch darin wieder, dass ausgerechnet der portugiesische "Sparkommissar" und parteilose Finanzminister Vitor Gaspar vom Volk die besten Noten aller Politiker bekommt.
Dabei hat Gaspar einen harten Sparkurs durchgesetzt: Kürzungen bei Beamten und Rentnern, im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem. Die Mehrwertsteuer stieg auf 23 Prozent. Ein Liter Super kostet wegen der Benzinsteuer 1,78 Euro – noch mehr als in Deutschland. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden gekürzt, vier Feiertage fielen weg. Auf allen Autobahnen wird jetzt Maut kassiert, beim Arzt- besuch werden Zuzahlungen fällig.
Ministerpräsident Passos Coelho, der sich auf eine absolute Mehrheit stützt, arbeitet eng mit der Rettungs-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zusammen. Die zwischenzeitlichen Diagnosen fallen positiv aus: "Portugal ist auf gutem Weg." Das Land gilt als Reform-Musterschüler, auch wenn die sozialistische Opposition pflichtgemäß murrt.
Das wichtigste Ergebnis: Das Haushaltsdefizit konnte von 9,8 Prozent in 2010 auf erstaunliche 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in 2011 gesenkt werden. Der Tourismus boomt, auch wenn die Wirtschaft in 2012 um rund drei Prozent schrumpfen wird. Die wachsende Arbeitslosenrate macht mit mehr als 15 Prozent Sorgen. Genauso wie die Gesamtverschuldung des Staates noch steigt und nach Schätzung der EU in diesem Jahr wohl 114 Prozent des BIP erreichen wird. Es bleiben also Hausaufgaben, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass Portugal bereits Ende 2013 – wie ursprünglich geplant – wieder Kredite am Geldmarkt erhalten könnte. Langfristige Staatsanleihen werden immer noch mit mehr als zehn Prozent Zinsen gehandelt. Wenn der Zinsdruck nicht nachlässt, muss die Troika also ein zweites Rettungspaket schnüren, damit Portugal zahlungsfähig bleibt.
Krisenmanager Passos Coelho verfolgt derweil Forderungen des benachbarten Rettungspatienten Spanien sehr aufmerksam. Für die Hilfen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro muss im Gegenzug lediglich der Bankensektor saniert werden. Sollte Madrid mit seiner Extratour durchkommen, dürfte auch Portugal umgehend günstigere Kreditbedingungen für das eigene Milliardenpaket verlangen.