Startklar für die erste bemannte Nasa-Artemis-Mission zur Mondumlaufbahn – das gilt zumindest für den Teil, den die Europäische Weltraumorganisation Esa für dieses Programm liefert: In Bremen hat Airbus Defence and Space als Hauptauftragnehmer eines Industriekonsortiums aus zehn europäischen Ländern das zweite europäische Servicemodul (ESM) fertiggestellt. In der nächsten Woche soll das ESM, das unter anderem für den Antrieb, die Energieversorgung und die Wärmeregulierung des Nasa-Raumschiffs Orion sorgt, mit einer Antonow-Frachtmaschine in die USA zum Kennedy Space Center in Florida transportiert werden.
Bis die bemannte Mission mit vier Astronauten startet, wird es aber noch dauern: Nach seiner transatlantischen Reise wird das ESM-2 zunächst mit dem Orion-Besatzungsmodul gekoppelt und vor der Integration in die Trägerrakete weiteren umfangreichen Tests unterzogen – ein Prozess, der etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen wird.
Schon vorher wird es aber in Richtung Mond und weiter gehen: Für das Frühjahr ist nun der Start des ersten Orion-Raumschiffs mit dem ESM-1 vorgesehen – allerdings unbemannt. Der Start war bereits für dieses Jahr geplant. Mit der neuen „Space-Launch-System“-Rakete der Nasa soll das Raumschiff mehr als 64.000 Kilometer über den Mond hinaus fliegen, um seine Fähigkeiten zu demonstrieren.
Das Design des Orion-Raumschiffs soll später die Astronauten weiter ins All befördern als je zuvor. „Die Auslieferung des zweiten europäischen Servicemoduls für das Orion-Raumschiff der NASA ist ein weiterer großer Schritt auf dem Weg zur Rückkehr von Astronauten auf den Mond", sagte Andreas Hammer, Leiter von Space-Exploration bei Airbus. "In enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden Esa und Nasa sowie unserem Industriepartner Lockheed Martin Space schreitet das Programm zügig voran, und wir sind bereit, die Herausforderungen einer Rückkehr auf die Mondoberfläche im Jahr 2024 zu meistern.“ Lob für die termingerechte Fertigstellung gab es direkt vom US-amerikanischen Industriepartner Lockheed: Die Teams hätten einen unglaublichen Job gemacht – gerade auch während der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, sagte Mike Hawes, Orion-Programm-Manager von Lockheed Martin, bei seinem Besuch in Bremen.
Die Fertigung des ESM, an der europaweit 3000 Personen mit beschäftigt sind, geht weiter: Am Modul Nummer III wird bereits in den Reinräumen von Airbus Defence and Space (DS) gearbeitet, es soll im Dezember 2022 ausgeliefert werden. Und für die Module IV bis VI gab es Anfang dieses Jahres den Zuschlag mit einem Volumen von mehr als 650 Millionen Euro. Ziel sei es, jedes Jahr ein Servicemodul an die Nasa zu liefern, sagte Didier Radola, Leiter des Orion-ESM-Programms bei Airbus DS.
Dieser Rhythmus, der in der Raumfahrtbranche schon als industrielle Fertigung gilt, könnte sich fortsetzen. Denn die Esa sei zurzeit dabei, die Ausschreibung für die ESM-Module VII bis IX vorzubereiten, sagte Philippe Deloo, Orion-Projekt-Manager der Esa.
Längerfristig ist geplant, Orion-Raumschiffe an das internationale Lunar Gateway anzudocken – eine Plattform in der Mondumlaufbahn, die eine nachhaltige Erforschung des Weltraums ermöglichen und die Präsenz der Menschheit im All ausweiten soll.
Dass die Nasa über die Esa letztlich den Bremer Airbus-DS-Standort als Hauptauftragnehmer gewählt hat, wo die Fäden für den Bau des ESM zusammen laufen, kommt nicht von ungefähr: Denn die Grundlagen für ein solches Antriebsmodul hat es schon gegeben. Airbus DS hatte das European Automated Transfer Vehicle (ATV) entwickelt, das von 2008 bis 2015 insgesamt fünf Mal in Bremen gebaut wurde und regelmäßig zur Nachschubversorgung der Internationalen Raumstation ISS eingesetzt wurde. Dadurch erklärt sich, dass das ESM wie schon der ATV-Raumtransporter über einen markanten, vierflügeligen Solargenerator mit 19 Metern Spannweite nach Entfaltung verfügt, der genug Energie liefert, um zwei Haushalte mit Strom zu versorgen.
Beim Start wiegt das ESM nach Angaben von Airbus DS insgesamt etwas mehr als 13 Tonnen. Neben seiner Funktion als Hauptantriebssystem für das Orion-Raumschiff wird das ESM auch für das Manövrieren im Orbit und die Positionskontrolle zuständig sein. Außerdem versorgt es die Besatzung mit den zentralen Elementen der Lebenserhaltung wie Wasser und Sauerstoff und regelt die Thermalkontrolle, während es an das Besatzungsmodul angedockt ist. Darüber hinaus kann das Servicemodul für die Aufnahme zusätzlicher Nutzlast eingesetzt werden.