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Bremer Familienunternehmen Röhlig Logistics Mit Corona-Tests zum besten Firmenergebnis

Mit einer Antonov transportierte das Bremer Familienunternehmen Röhlig Logistics Millionen Corona-Tests. Finanzvorstand Robert Gutsche erzählt von der Tragik dahinter, aber auch, wie gut es sonst gerade läuft.
31.03.2022, 17:39 Uhr
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Mit Corona-Tests zum besten Firmenergebnis
Von Florian Schwiegershausen

Herr Gutsche, Sie sind der Mann der Zahlen bei Röhlig Logistics - die Kosten für einen Containertransport haben sich verdreifacht, die Kosten bei der Luftfracht haben auch angezogen – gleichzeitig haben Sie das beste Geschäftsjahr der Geschichte von Röhlig. War ihren Kunden die Geschwindigkeit wichtiger als der Preis, oder wie ist das zu erklären?

Robert Gutsche: Es ist weniger die Frage, ob unseren Kunden die Geschwindigkeit wichtiger ist als der Preis. Entscheidend ist, dass unsere Kunden ihre Lieferketten aufrechterhalten müssen. Und das in einer durch die weltweite Pandemie angespannten Situation, in der auch noch der Konsum angezogen hat. So sind die Menschen zum Beispiel nicht in Konzerte und seltener in Restaurants gegangen und haben ihr verfügbares Einkommen anderweitig eingesetzt. Unseren Kunden kommt es darauf an, produzieren zu können und mit ihren Produkten im Ladenregal vertreten zu sein. Die erhöhten Kosten werden zwar ungern in Kauf genommen, sind aber unausweichlich, um die Lieferkette aufrecht zu erhalten. Das ist der Treiber bei dem Ganzen.

Mussten sie sich selber kneifen, angesichts dieser Geschäftszahlen?

Wir kneifen uns, sind aber auch stolz darauf, dass wir unser Kostenmanagement schon vor meiner Zeit aufgebaut und auch in der Pandemie konsequent weiterentwickelt und beibehalten haben – ich habe bei Röhlig ja erst am 1. März 2020 meine Arbeit aufgenommen. Das war zeitgleich mit dem ersten Lockdown und wir machten uns große Sorgen, wohin sich das Geschäft entwickeln wird. Im ersten Jahr haben wir gekämpft, aber ab November 2020 mussten wir uns wohl mehrmals kneifen angesichts der Dynamik, mit der das Geschäft anzog. In einigen Fahrtgebieten hatten sich in dieser Zeit die Frachtkosten versiebenfacht. Sie dürfen dabei auch nicht den Vorfall mit der Ever Given auf dem Suez-Kanal vergessen. Und letztlich haben wir uns alle verschätzt, wie lange wir diese Pandemie-Situation haben werden.

Das stimmt.

Jetzt haben wir im ersten Quartal 2022 immer noch dieselbe Situation. Und nun kommt auch noch der russische, kriegerische Angriff auf die Ukraine mit all seinen Folgen hinzu.

Die reinen Zahlen sind das andere, aber wie oft gab es im vergangenen Jahr an einigen Stellen Sorgenfalten, wie man das durch diese außergewöhnliche Situation hinbekommt?

Die Sorgenfalten sind erheblich. Die Konsequenzen sehen wir vor allem bei der Belastung unserer Mitarbeiter, die im Homeoffice arbeiten und jeden Auftrag statt ein- bis zweimal nun vier bis fünf Mal anfassen müssen. Dies ist vor allem getrieben durch die pandemiebedingt geringe Zuverlässigkeit bei den Schiffs- und Flugverbindungen. Daraus folgen fortlaufend Anpassungen mit den entsprechenden Informationsbedürfnissen der Kunden. Der Einsatz unserer Mitarbeiter in diesen Zeiten ist enorm und ihre Zufriedenheit und Treue von großer Bedeutung für uns. An diesem Thema arbeiten wir fortlaufend mit hoher Priorität. Und wir sind uns sicher, dass uns dieses Thema auch weiter begleiten wird.

Was gibt es da noch?

Daneben sind wir permanent damit beschäftigt, wie wir die Kundenversorgung sicherstellen können. Das ist unsere andere große Sorgenfalte. Frachtraum ist so knapp, Container bleiben stehen und Fahrer sind ebenfalls knapp, und dann müssen wir unseren Kunden immer wieder erklären, warum es länger dauert.

Und wie schauen Sie nun zum Ende des ersten Quartals im Rückblick darauf?

Es ist leider kein Rückblick. Wir stecken immer noch mittendrin. Gleichzeitig hat Röhlig dafür gesorgt, dass alle Mitarbeiter noch im Jahr 2021 Sonderboni erhalten haben. Voraussichtlich werden wir das auch im laufenden Jahr wohl wieder tun. Und bitte vergessen Sie nicht, dass die Ukraine-Situation jetzt nochmals weiteren Stress in die globale Versorgung und damit in die Logistikketten hineinbringt.

Der Bremer Kaufmann macht ja einfach und redet nicht groß darüber – aber gibt es da irgendein Projekt oder ein Ereignis im vergangenen Jahr, auf das Sie schon etwas stolz sind?

Mit unseren Charterverkehren haben wir erheblich zur Versorgung mit Artikeln zum Pandemieschutz beigetragen. Wir haben zusammen mit den verschiedenen Partnern große Flugzeuge, unter anderem Antonovs, mit Corona-Schnelltests geflogen, um damit unser Land zu versorgen. Damit konnten wir zu den notwendig gewordenen Testkapazitäten beitragen.

Wie viele von diesen kleinen Testkits passen in so eine Antonov, die ja der größte Frachtflieger der Welt ist?

In so eine Antonov passen rund fünf Millionen Testkits. Leider ist diese Antonov, mit der wir die Testkits geflogen haben, zerstört. Sie steht auf dem Flughafen in Kiew und wurde von den Russen zerschossen und in Brand gesetzt. Die Reparaturkosten wären gigantisch. Und so viele von diesen Maschinen gibt es leider nicht.

Das ist wirklich deprimierend. Da fällt es nicht so leicht, nüchtern zurück auf die Geschäftszahlen zu schauen. Aber mit diesen guten Ergebnissen kann sich das ja nicht endlos fortsetzen, oder?

Das ist richtig. Aber das erste Quartal 2022 haben wir glatt so fortgeschrieben wie im vergangenen Jahr 2021 das vierte Quartal. Wir gehen davon aus, dass es im zweiten Quartal so weitergehen wird. Eine Veränderung sehen wir also noch nicht. Leider haben wir diese berühmte Glaskugel, in die man schauen kann, auch nicht. Wenn Sie nun die Covid-Situation in China betrachten, werden wieder Häfen geschlossen, es gibt Shutdowns in den Städten wie jetzt gerade zum Beispiel in Schanghai. Dagegen kommt es derzeit im Tourismus zu einer gewissen Entspannung. Die Menschen geben also wieder Geld für Urlaub statt für andere Dinge wie Konsumgüter aus.

Das bedeutet?

Dadurch kann es durch die zusätzlichen Frachtkapazitäten in den Passierflugzeugen zu einer gewissen Entspannung kommen. Wie schnell und tiefgreifend das sein wird, ist schwer vorhersehbar. Durch die Ukraine-Situation werden sich die Lieferketten auch verändern. Und Veränderungen bedeuten immer Engpässe in irgendeiner Form. Das können sie gerade am Beispiel der Automotive-Industrie beobachten. Aufgrund der Verhaltensweise der russischen Regierung und der erlassenen Sanktionen haben die meisten Spediteure momentan die Nutzung der neuen Seidenstraße mit der Eisenbahn von China nach Europa eingestellt. Wir arbeiten zurzeit an neuen Routen, um die Versorgung sicherzustellen.

Wenn es gut läuft, soll man sich nicht ausruhen. Wie und wo sind weitere Standorte geplant?

Im vergangenen Jahr haben wir einiges bewegt. So haben wir neben neuen Stationen in Berlin und Hyderabad auch einen neuen Standort in Dubai eröffnet. Gleichzeitig sind wir dabei, uns in weiteren Regionen zu verstärken. Es ist momentan lediglich noch zu früh, dazu etwas sagen zu können. Es gibt auf der Landkarte einige Punkte, an denen wir momentan mit einem unserer Agenten vertreten sind und in Zukunft mit einer eigenen Niederlassung vor Ort sein wollen. Daran arbeiten wir. Generell sind wir über den Erdball gut verteilt und wir sehen es als Stärke, dass wir nicht so ein Schwergewicht in einer bestimmten Region oder in einer bestimmten Industrie haben.

Warum ist Dubai so interessant für die Logistik?

Gerade jetzt ist Dubai so wichtig, weil die Zugverbindung auf der neuen Seidenstraße unterbrochen ist. Eine Verbindung, die in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung bekommen hat. Dubai ist da ein guter Hub für eine Verbindung aus See- und Luftfracht. Güter aus China werden per Seefracht nach Dubai gebracht in einen erstaunlich großen Hafen. Ich war gerade erst vor zwei Wochen vor Ort, weil ich stark in die Gründung unserer Tochtergesellschaft involviert war. Von dort können sie sehr effizient in die Luftfracht umladen, um die Waren zum Beispiel nach Europa oder Südafrika zu bringen. In den ersten Monaten sind wir in Dubai mit dreifachen Frachtmengen unterwegs im Vergleich zu dem, was wir uns anfangs vorgenommen hatten. Es ist beeindruckend, was da passiert, und wir sehen erhebliches Potenzial.

Gibt es da doch einige Branchen, in denen sie gut unterwegs sind?

Wie schon kurz angesprochen, haben wir es in der Corona-Zeit geschafft, in erheblichem Umfang PPE, also Personal-Protection-Equipment, zu transportieren wie zum Beispiel Desinfektionsmittel. Auch im gesamten Automotive-Bereich sind wir gut unterwegs, ohne zu automotive-lastig zu sein. Eine zu einseitige Industrieabhängigkeit sehen wir als Gefahr und versuchen dies zu vermeiden. Auf der Achse zwischen Deutschland und Mexiko tut sich einiges genauso wie in China. Darin sehen wir große Chancen angesichts des weiter bestehenden Chipmangels und der geringen Verfügbarkeit von Autos generell auf der Welt. Sobald die Produktion wieder ansteigt, werden auch die Lieferketten wieder anziehen. Das ist jetzt schon spürbar. Es entsteht dann ein erheblicher Nachholbedarf. Aber wir transportieren auch Keimlinge oder sind in Südafrika mit einer eigenen Pharmafirma vertreten.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus der Pandemie für Ihr Geschäft mit?

Auf Krisen kann man sich nur begrenzt vorbereiten. Wir nehmen mit, dass unsere Kunden in Zukunft noch mehr dafür sorgen werden, ihre Lieferketten besser abzusichern. Das kann zum einen mit einer erhöhten Vorratshaltung einhergehen. Das kostet allerdings Geld. Es wird sich zeigen, wie lang die Kunden das angesichts des Wettbewerbs aufrechterhalten. Ob die Kunden diese Lagerhaltung selbst oder durch Dritte betreiben, wird sich ebenfalls zeigen. Auch ist davon auszugehen, dass Kunden in Zukunft ihre Lieferketten mit Lieferanten aus unterschiedlichen Regionen mehrfach absichern. Dennoch wird der Faktor „Arbeitskosten“ unabhängig von Krisen eine Rolle spielen. Die Produkte werden also weiterhin irgendwo mit Blick auf diesen Aspekt produziert. So lange es das gibt, wird es auch Kurz-, Mittel- und Fernlogistik geben.

Das bleibt also?

Angesichts der höheren Logistikkosten holen wir vielleicht Aluleitern zukünftig nicht mehr aus China, sondern es lohnt sich, solche Dinge auch woanders zu produzieren. Denn die Logistikkosten sind nun ein größerer Faktor, als es die Kunden in der Vergangenheit gewohnt waren.

Im Automotive-Bereich wird klassisch just-intime produziert. Die Teile werden also ohne große Lagerhaltung genau dann angeliefert, wenn Sie benötigt werden. Inwiefern beobachten Sie da ein Umdenken?

Ein Stück weit ist das zu beobachten. Aber die Kapitalbindung, die dadurch entsteht, ist dauerhaft nicht gewollt. Letztlich geht es dabei nur um die Erhöhung der Vorläufe. An der intensiven Vernetzung der Industrie wird sich dadurch voraussichtlich nichts ändern. Möglicherweise beschaffen Erstausrüster dann aber bestimmte Teile nicht mehr nur in Indien, sondern auch in den USA oder in China und nehmen dafür höhere Kosten in Kauf, weil nun drei Wege organisiert werden müssen. Die Risiken werden abgesenkt. Das Chipproblem ist ein Stück weit hausgemacht, weil die großen Hersteller von einem auf den anderen Tag ihren Bedarf abgemeldet hatten, und nun müssen sie sich mit ihrem Bedarf hinter den anderen Kunden einreihen.

In der Bremer Logistik herrscht Vollbeschäftigung. Wie wirkt sich das bei Röhlig hier am Standort und auch deutschlandweit aus?

Es ist ein verdammt schwerer Arbeitsmarkt. Wir sind immer noch attraktiv und finden auch die Mitarbeiter. Es ist aber schwerer als noch vor einem oder vor zwei Jahren, besonders in der IT, aber auch Operator und Vertriebler zu finden, ist nicht einfach. Wir nutzen alle Kanäle, auch Social Media. Dabei stellen wir die Bremischen Standortvorteile heraus und zeigen auf, dass wir seit 170 Jahren mit einer nachhaltigen Ausrichtung im Geschäft sind. Das hilft.

Wie sieht es bei der Besetzung der Ausbildungsplätze für dieses Jahr aus?

Wir können nach wie vor unsere Ausbildungsplätze besetzen. Momentan übernehmen wir leider nur zu wenige unserer Azubis. Das liegt zum einen daran, dass sie nach der Ausbildung etwas anderes vorhaben, aber auch das Niveau der Leistungs- und Lernbereitschaft hat nachgelassen. Wenn es nach uns geht, würden wir gern von unten an unsere eigenen Leute aufbauen. Wir übernehmen daher auch gern Werksstudenten und versuchen, sie an das Unternehmen zu binden. Daran arbeiten wir auf allen Einstiegsebenen bei der Mitarbeitergewinnung.

Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.

Zur Person

Robert Gutsche (56)

ist Jurist und Wirtschaftsprüfer und seit März 2020 als CFO der Finanzchef beim Bremer Familienunternehmen Röhlig Logistics mit weltweit mehr als 2300 Beschäftigten. Mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern in Höhe von 61 Millionen Euro hat Röhlig das beste Ergebnis seiner knapp 170-jährigen Firmengeschichte eingefahren.

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