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Bremer Osterwiese Schausteller werben um Nachwuchs

Bremen. Am 30. März beginnt die Osterwiese. Dutzende Losbudenverkäufer und Fahrgeschäftsbetreiber werden die Gäste auf der Bürgerweide empfangen. Seit Jahren üben sie einen Beruf aus, in dem sie mit immer weniger Nachwuchs zurechtkommen müssen.
27.03.2012, 23:56 Uhr
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Schausteller werben um Nachwuchs
Von Timo Sczuplinski

Bremen. Am 30. März beginnt die Bremer Osterwiese. Dutzende Losbudenverkäufer und Fahrgeschäftsbetreiber werden die Gäste dann auf der Bürgerweide empfangen. Seit Jahren üben diese Menschen einen Beruf aus, in dem sie mit immer weniger Nachwuchs zurechtkommen müssen. Um dem entgegenzuwirken, soll es für den Beruf des Schaustellers künftig eine Art Berufsausbildung geben.

Die Teddybären haben Platz genommen. Die bunten Plastikröschen stecken auf ihren Positionen. Die Bremer Osterwiese kann für Danny Müller beginnen. Der 22-jährige Bremer arbeitet im Schausteller-Betrieb seiner Eltern. Mit Schießbude und Karussell sind er und seine Familie auch in diesem Jahr auf dem Volksfest auf der Bürgerweide vertreten. Als „ Schausteller“ bezeichnet sich Danny Müller selbst. „Da wurde ich hineingeboren“, sagt er. Diesen Beruf lebt er. Offiziell erlernen konnte er ihn bisher nicht. Das aber soll sich ändern. Wenn auch anders als ursprünglich geplant.

Die Zahl junger Menschen ist knapp geworden im Schaustellergewerbe. Das hat auch Rudi Robrahn festgestellt. Nachwuchs in den Schaustellerfamilien gebe es zwar genug. „Das ist nicht das Problem“, sagt der Vorsitzende des Bremer Schaustellerverbandes. Allerdings scheinen die „rosigen Zeiten für Schausteller“, wie Robrahn sie nennt, längst vorbei zu sein. Von der einstigen Romantik des Berufs ist bis heute jedenfalls wenig geblieben. Besonders lange Arbeitstage sind gerade in der nun beginnenden Hochsaison keine Seltenheit. Und die Besucher, die zwar weiter in Scharen auf die Märkte strömen, geben dort mittlerweile immer weniger Geld aus. Der Beruf ist zu einem nicht immer ertragreichen Vollzeit-Job geworden.

Das haben auch viele Schaustellerkinder realisiert. Immer weniger von ihnen könnten sich vorstellen, die meist über Generationen geführten Betriebe der Eltern einmal selbst zu übernehmen. Sie suchen sich mittlerweile oft andere Berufe, sagt Robrahn. Auch weil dort die Perspektive besser sei und eine staatlich anerkannte Ausbildung im Schaustellergewerbe ohnehin nicht existiert.

Um das zu ändern, hatte sich der Deutsche Schaustellerbund (DSB) bereits seit Jahren dafür eingesetzt, den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf „ Schausteller“ ins Leben zu rufen. DSB und das Bundesministerium für Wirtschaft waren sich längst darüber einig, „dass es eine vollqualifizierende Berufsausbildung für Kinder von Schaustellern geben muss“, erzählt Robrahn, „Das angestrebte Berufsbild ‚ Schausteller‘ wird es nach gegenwärtigem Stand der Dinge jedoch nicht geben“, sagt er. Das Bundeswirtschaftsministerium hätte nach eingehender Prüfung für sich festgestellt, dass die Schaustellertätigkeiten einfach zu vielfältig seien, um sie in einem Berufsbild unter einen Hut zu bekommen.

Statt des Ausbildungsberufs „ Schausteller“ zeichnet sich indes eine andere Lösung ab. „Kaufmann/ Kauffrau für Büromanagement“ soll sie heißen – zugeschnitten auf die Arbeit im Schaustellergewerbe. Dieses Berufsbild beinhaltet nach gegenwärtigem Planungsstand des Bundesministeriums für Wirtschaft eine Vielzahl von Anforderungen, die Schaustellerohnehin Tag für Tag erfüllen müssen. Dinge, mit denen der Außenstehende den Schaustellerberuf auf Anhieb nicht in Verbindung bringt: Textverarbeitung, Termin- und Reiseplanung, Personalwirtschaft, Kundenservice oder Liefervorgänge.

Eine Schnittmenge von Schausteller-Aufgaben, die Danny Müller selbst seit Jahren bereits im elterlichen Betrieb miterledigt. Nach dem Prinzip „Learning by Doing“. Der Realschulabsolvent packt mit an im Familienbetrieb. „Unser Beruf wird unterschätzt“, sagt Müller. Das Anforderungsprofil eines Schaustellershabe sich im Laufe der letzten Jahre enorm verändert. „Mein Opa konnte früher etwa noch sagen: Ich bin jetzt Schaustellerund gut ist.“ Das ginge heute nicht mehr. Ein Schaustellermüsse sich eben nicht nur im technischen Bereich in seinem Geschäft auskennen. Vor allem betriebswirtschaftliche und organisatorische Aspekte spielten eine immer größere Rolle.

Rudi Robrahn könnte mit der Lösung einer spezifischen kaufmännischen Ausbildung im Schaustellerbereich leben. Schaustellerkinder würden so in den für sie besonders wichtigen Bereichen für den Beruf ihrer Eltern richtig ausgebildet. Zudem würden die zeitlichen Einschränkungen dieser Gesellschaftsgruppe berücksichtigt. Schließlich sind die Schaustellermeist von März bis Dezember auf den Märkten und Festen dieser Welt mit ihren Fahrgeschäften, Partyzelten, Losbuden und Imbissen unterwegs.

Bisher hatte der Nachwuchs nur die Möglichkeit, sich in Blockeinheiten über das Berufsschulprogramm „Berufliche Kompetenzen für Schausteller“ (BeKoSch) eben solche berufsspezifischen Fähigkeiten anzueignen. Nun könnte diese Möglichkeit zur kaufmännischen Ausbildung die jungen Leute nicht nur nach ihren Bedürfnissen für den Schaustellerberuf fit machen, sondern später auch etliche andere Berufsoptionen im kaufmännischen Bereich bieten.

Der geplante Ausbildungsberuf, der besonders auf die Bedürfnisse der Schaustellerkinder zugeschnitten sein soll, käme zukünftig für rund 100 000 Personen in Deutschland in Betracht, sagt Robrahn. Im August 2014 könnte er Wirklichkeit werden. Die große Anzahl ermögliche dem Ministerium schon jetzt die Zusage für den für Schaustellerfamilien so wichtigen Blockunterricht. Der Deutsche Schaustellerverband sei vom Ministerium informiert worden, dass der sogenannte Bund-Länder-Koordinierungsausschuss der Neuordnung der Berufsbildung zu diesem Berufsbild zugestimmt habe.

Nun seien alle Akteure aufgerufen, sich an der Erarbeitung der Ausbildungsordnung zu beteiligen. Das Ministerium hätte zudem bereits gegenüber dem Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesinstitut für Berufsbildung erklärt, sich dafür einzusetzen, dass ein Vertreter des DSB an diesem Verfahren beteiligt wird. Zudem soll dieser dann Zugang zu den entscheidenen Sitzungen bekommen, damit die Branche sich aus erster Hand unterrichten und einbringen kann.

Danny Müller ist sich sicher: Wenn der Ausbildungsberuf zustande kommt, ist er 2014 der Erste, der sich um einen Platz bewirbt. „Ich will in diesem Beruf bleiben“. Hier sieht er seine Zukunft und auch eine des Schaustellergewerbes insgesamt.

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