Die Exporte in die USA brummen, Häfen wie Bremerhaven kommen aktuell an ihre Kapazitätsgrenzen. Wegen der Unsicherheit kaufen offenbar gerade jetzt viele Unternehmen und US-Bürger Waren aus Europa. Das könnte sich – je nachdem, was sich US-Präsident Donald Trump überlegt – morgen aber schon wieder ins Gegenteil umkehren. Ist die deutsche Wirtschaft für solch ein Auf und Ab gewappnet?
Eric Schweitzer: Derzeit belebt sich das internationale Geschäft. Nicht nur mit den USA, sondern weltweit verzeichnen wir deutliche Zuwächse. Trotz dieser guten Konjunktur sollten wir allerdings die wirtschaftspolitischen Alarmsignale nicht übersehen. In den USA gilt America First leider als neues Leitbild. Es steht zu befürchten, dass die protektionistische Rhetorik zumindest an der ein oder anderen Stelle Folgen haben wird – zum Nachteil für deutsche und US-Unternehmen.
Sie sprechen am Donnerstag in Bremen über die Herausforderungen der deutschen Wirtschaft im In- und Ausland. Mal vom Unsicherheitsfaktor USA abgesehen: Mit welchen Problemen hat die deutsche Wirtschaft aktuell zu kämpfen? Und wo sehen Sie derzeit die größten Chancen?
Unsere Wirtschaft läuft gut. Das ist hart erarbeitet und keineswegs ein Selbstläufer. Unsere Unternehmen sind durch ihre Produkte, Ideen und Services erfolgreich. Aber: Unsere Wirtschaft profitiert nach wie vor auch vom Doping niedriger Zinsen, eines geringen Euro-Außenwerts und moderaten Rohstoffpreisen.
Wir dürfen deshalb nicht vergessen, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Der Fachkräftemangel drückt an allen Ecken und Enden. Bei der Digitalisierung muss es schneller gehen. Bei der Infrastruktur bewegt sich ja zum Glück etwas, wir müssen jetzt aber dran bleiben. Das ist für einen so bedeutenden Industrie- und Handelsstandort wie Bremen besonders wichtig. Ansonsten laufen wir Gefahr, Wachstumspotenziale zu verspielen.
Handelshürden sind aus Ihrer Sicht ein großes Hemmnis. Allerdings: Der Export boomt trotz dieser Hürden. Warum sind Sie dann überhaupt so besorgt?
Boom ist vielleicht zu positiv. Die jetzt wieder besseren Zahlen sollten nicht verdecken, dass derzeit weltweit Handelshemmnisse auf dem Vormarsch sind. Im täglichen Geschäft sind diese für Unternehmen deutlich spürbar: In Ägypten gibt es neue Registrierungspflichten für Importe, in der Türkei keine Anerkennung des CE-Kennzeichens…
Diese Liste ließe sich leider fast endlos fortsetzen. Unsere Unternehmen tun alles, um damit zurechtzukommen. Aber das schlägt irgendwann durch. Deutschland hat in diesem Jahr die G20-Präsidentschaft. Wir hoffen, dass dabei freier Handel eines der Top-Themen ist. Zudem sollten wir die Chancen, die bilaterale Freihandelsabkommen etwa mit Kanada, Japan oder den Mercosur-Staaten bieten, beherzt nutzen.
Was muss die neue Bundesregierung dringend tun, um die deutsche Wirtschaft weiter zu stärken?
Wir brauchen mehr Investitionen in kluge Köpfe. Denn Fachkräftemangel ist derzeit das Thema Nummer eins. Besonders am Herzen liegt mir die Modernisierung der Berufsschulen. Für die Themen der Zukunft reichen Schulen auf dem Stand der 1980er-Jahre nicht aus. Klar ist für die Wirtschaft auch das Thema Steuern wichtig.
Die Investitionen der Unternehmen sollten durch gezielte Entlastungen stimuliert werden, etwa durch faire Abschreibungsbedingungen. Die privaten Investitionen machen 90 Prozent der gesamten Investitionen aus. Wegen der guten Lage bei den öffentlichen Haushalten gibt es dafür auch die notwendigen Spielräume. Unternehmer und Bürger wissen im Zweifel am besten, wie und wo sie ihre Gewinne und Einkommen einsetzen.