Herr Dornia, welches Thema gilt es für Sie als neuer Vorsitzender vom Verein Bremer Spediteure, als vordringlich anzupacken?
Thorsten Dornia: Egal ob kleines oder großes Unternehmen – alle in der Branche müssen sich um Nachwuchskräfte kümmern. Dabei sollte es nicht wieder zu einer Situation kommen, wie wir sie in den letzten zwei Jahren hatten und in der sich die Unternehmen gegenseitig die Leute abspenstig gemacht haben. Die Speditionsbranche muss bei viel mehr Menschen, als es jetzt der Fall ist, das Interesse für die Logistik wecken. Der Verein Bremer Spediteure ist in engem Austausch mit der Berufsschule, um stärker herauszuarbeiten, wie die Branche mehr Menschen interessieren, integrieren, aus- und fortbilden kann. Vielleicht kommt die Branche mit ihrem internationalen Profil den Menschen entgegen, die neu nach Deutschland gekommen sind. Die kennen die Welt.
Geht es nicht auch darum, jungen Menschen zu zeigen, was in Ihrer Branche berufstechnisch alles möglich ist?
Das ist so. Die Unternehmen und die gesamte Speditionsbranche müssen jungen Leuten zeigen, wie vielfältig diese Branche ist. Oftmals ist es immer noch so, dass Spedition gleichgesetzt wird mit „Da sitzt einer auf dem Lkw“ oder „Da ist jemand im Lager“. Wenn ich auf Jobmessen unterwegs bin, erlebe ich das zumindest so. Das ist ein wichtiger Teil der Branche, der für alle sichtbar ist. Was darüber hinaus in den Büros geleistet wird, sehen die Menschen ja gar nicht. Die Logistik muss die ganzen Facetten ihres Leistungsspektrums stärker nach außen tragen. Und sie muss die Karrieremöglichkeiten und Durchlässigkeit aufzeigen: Wer als Lagerfachkraft oder als Lkw-Fahrer anfängt und sich gut anstellt und sich weiterbildet, wird im Unternehmen, auch im Büro, alle Chancen haben, seinen Aufstieg zu organisieren.
Wie sollte sich der Verein künftig aufstellen?
Es ist wichtiger als je zuvor, dass die Logistik eine Stimme hat. Denn die Branche wird leider auch mal in einem negativen Licht dargestellt, wenn es zum Beispiel um die CO2-Emmission geht. Um die positiven Dinge unserer Branche aufzuzeigen, braucht es eine Stimme. Die größeren Unternehmen der Branche dürfen da ruhig etwas lauter sein, für die kleineren ist es wichtig, dass der Verein Bremer Spediteure der Öffentlichkeit, den Parteivertretern und den Regierenden immer wieder darlegt, was die Bedürfnisse der Logistik sind.
Und die wären?
Die Entwicklung der bremischen Häfen und die Organisation der Zu- und Ablaufverkehre sind ein kontinuierlicher Prozess. Die Digitalisierung spielt dabei eine immer stärkere Rolle. Dieser Prozess erfordert die Mitwirkung aller am Seeverkehr Beteiligten. Denn allein kann es keiner stemmen.
Was würden Sie der neuen Häfensenatorin gern in ihr Aufgabenbuch hineinschreiben?
Sie sollte sich besonders um die logistische Anbindung der Häfen ins Hinterland kümmern. Denn die Erreichbarkeit der Häfen ist von allergrößter Bedeutung. Gibt es dort spürbare Einschränkungen oder werden Sondergenehmigungen für Groß- und Schwerlasttransporte wie gegenwärtig nur nach wochenlangen Wartezeiten erteilt, kommt es zu erheblichen Mehrkosten, zu mehr CO2-Emission und im schlimmsten Fall zur Verlagerung von Ladung. Dies ist gegenwärtig bei den Groß- und Schwerlasttransporten der Fall.
Inwiefern?
Immer mehr Ladung geht über Antwerpen und Rotterdam. Bremen muss alles tun, um einer Erosion der Wettbewerbsfähigkeit seiner Häfen entgegenzuwirken. Die gesamte Bremer Seehafenverkehrswirtschaft muss deshalb ihre Häfen aus der Vogelperspektive betrachten und in die Mitte setzen. Und dann muss sie schauen: Was muss alles um die Häfen drapiert werden, um sie schlagkräftig zu machen.
Jetzt haben wir Sommerferien – eine beliebte Zeit für Baustellen. Inwiefern bedeutet diese Zeit für die Logistik erst recht eine Stresssituation?
Einerseits ist es notwendig und gut, wenn die Straßen saniert werden. Das fordert die Branche ja auch immer. Andererseits ist es schlecht, wenn die Baumaßnahmen nicht gut genug abgesprochen und koordiniert werden und damit ganz Bremen zum Erliegen bringen. Ein Beispiel: Der Flyover von Walle zur A27 ist für sechs Wochen stillgelegt. Parallel sind immer noch temporäre Baustellen auf der B75. Wer also von Delmenhorst nach Bremerhaven will, kann da fast schon einen Tagestrip daraus machen. Dazu kommt die Komplexität der Autobahnen, auf denen es häufig zu Staus kommt.
Wie erklären Sie es, dass Bremens Logistik von vielen Familienunternehmen geprägt ist?
Das ist etwas, was die maritimen Standorte in Deutschland, aber auch in den Niederlanden und Belgien auszeichnet. Bremen und Hamburg leben von mittelständischen Unternehmen. Große Auftraggeber suchen vielleicht eher ein großes Logistikunternehmen. Aber mittelständische Verlader und Importeure, seien es Händler oder Hersteller, suchen da lieber einen mittelständischen Spediteur. Die Kunden suchen sich in der Regel einen, mit dem sie auf Augenhöhe sind.
Ihr Unternehmen Brelog mit 30 bis 40 Beschäftigten – wie kann das gegen die Großen bestehen?
Klein- und mittelständische Spediteure suchen sich ihre Nischen und sind dort vielleicht auch etwas schneller und wendiger – vielleicht auch in den Entscheidungen. So organisiert die Brelog GmbH zum Beispiel Transporte von Fischöl in sogenannten Flexitanks. Diese biegsamen, aber sehr stabilen Tanks werden in 20-Fuß-Container eingebaut und mit Fischöl gefüllt. Die Brelog GmbH hat gerade drei Beschäftigte von einem anderen Unternehmen übernommen, das dieses Feld aufgegeben hat. Bei der Digitalisierung müssen sich die klein- und mittelständischen Unternehmen mit den Großen am Markt messen. Im Service müssen sie sich darüber absetzen, dass alles aus einer Hand kommt und sie durchgängige Prozesse vorhalten.
Ihre Branche muss sich pragmatisch immer auf veränderte Situationen einstellen.
Das ist so. Denn zwar können die Unternehmen auf viele digitale Tools zugreifen, aber am Ende des Tages sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Kunden in einer Notsituation helfen.
Nicht zuletzt ist da auch noch das internationale Flair Ihrer Branche.
In der Logistik treibt es einen durch die Welt. Ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns hätten dieses Jahr zum Beispiel für eine Agentenkonferenz in Dubai, Ho-Chi-Minh-City, Istanbul oder Rotterdam sein können. Alle zu besuchen hätten sie aber nicht schaffen können, weil die alle gleichzeitig stattfanden. Oder es steht ein Besuch in den USA an. Da kann man auch mal ein Selfie in New York machen, weil man da gerade unterwegs ist.
Es ist das, was die Bremer auch schon vor 100 Jahren gemacht haben – nur mit anderen Mitteln.
Und das bleibt so. Wenn ein Spediteur in Hongkong oder Shanghai an der Bar steht und trifft dort andere Leute und sie stellen fest, dass sie aus Bremen sind und in der Spedition gelernt haben, geht es sofort darum, wo sie gelernt haben und wann sie auf der Berufsschule gewesen sind. Die Ausbildung steht für Qualität.
Also die alte Berufsschule mit den kaputten Fenstern, wo es im Winter gezogen hat wie Hechtsuppe?
Ja, auch diese Erinnerungen verbinden einander. Aber egal, wo es auf der Welt ist: Wenn man da einen Seehafenspediteur trifft, egal ob der aus Bremen oder Hamburg ist – da ist ein extremer Zusammenhalt. Da gilt „gelernt und gearbeitet in Bremen oder Hamburg“ als Qualitätsmerkmal.