Windkraft war Jahrtausende lang die einzige Antriebsart in der Schifffahrt. Im kommerziellen Schiffsverkehr wurde der Antrieb mit Segeln in den vergangenen 150 Jahren von Dieselmaschinen abgelöst. Doch die Idee, zusätzlich Windkraft zu nutzen, kommt immer mal wieder auf und wird teilweise sogar realisiert. So setzt beispielsweise die Ariane Group auf Windkraft – nicht um ihre Trägerrakete Ariane anzutreiben, die Geschwindigkeiten von 35.000 Stundenkilometer und mehr erreicht, aber für den Schiffstransport der Komponenten von Europa über den Atlantik zum Startplatz, der im Übersee-Département Französisch-Guayana an der Nordostküste Südamerikas liegt.
Bis zum Segelsetzen dauert es aber noch ein paar Monate. Die klappbaren Segel für den neuen Frachter "Canopée" werden nach Angaben der Ariane Group erst in diesem Sommer auf dem Schiff montiert. Die "Canopée" hat aber trotzdem ihre erste Atlantiküberquerung hingelegt: An diesem Wochenende legte der Frachter im Hafen Pariacabo in Französisch-Guayana an. Der Segelfrachter war am 27. Dezember in Rotterdam aufgebrochen, die Fahrt bildete den Abschluss der See-Erprobungskampagne. Die erste Überfahrt ist Teil einer Serie von Testfahrten zur Qualifizierung der Hafeninfrastruktur und der künftigen Routen des Schiffes.
"Langfristig lassen sich durch die Verschiffung mit der Canopée die Transportkosten für Ariane-Komponenten halbieren und die Umweltauswirkungen verringern", so der Raketenbauer, der in Bremen unter anderem die Oberstufen der Trägerraketen bauen lässt.
„Mit der Qualifikation der ,Canopée' auf See schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte der Ariane 6 auf", so Karl-Heinz Servos, Leiter Produktion der Ariane Group. "Ganz im Sinne unserer Programmziele trägt das Schiff dazu bei, Kosten zu senken, Produktionszyklen zu verkürzen und Umweltauswirkungen zu reduzieren.“ Die erfolgreiche See-Erprobung sei Voraussetzung für den Beginn der Qualifikationstests in den verschiedenen Häfen, die die "Canopée" bei ihren Pendelfahrten anlaufen werde. Ab Sommer werde das Schiff die erste Ariane 6 und später auch die nächsten Trägerraketen befördern, deren Integration in den Ariane-Group-Werken in Frankreich und Deutschland bereits laufe.
Die Canopée sei eine „Maßanfertigung“ zum Transport der Ariane 6. Das 121 Meter lange und 23 Meter breite RoRo-Schiff mit einem offenen Ladedeck und hohen Seitenwänden sei darauf ausgelegt, mit einer einzigen Fahrt alle Stufen und Unterbaugruppen der Trägerrakete zu befördern. Die Canopée könne zudem aufgrund ihres geringen Tiefgangs den Kourou-Fluss bis zum Hafen Pariacabo in Französisch-Guayana befahren.
Vor vier Jahren hatte die europäische Ariane Group das auf den Seetransport spezialisierte französische Unternehmen Alizés für dieses Projekt ausgewählt. Derzeit erfolgt der Seetransport der Raketenteile mit den beiden 116 Meter langen RoRo-Schiffen „MN Toucan“ und „MN Colibri“ der französischen Reederei Compagnie Maritime Nantaise. Ladehafen in Deutschland ist dabei auch regelmäßig der Neustädter Hafen.
Bei Alizés handelt es sich um ein Joint Venture der Unternehmen Jifmar Offshore Services und der Reederei Zéphyr & Borée, einem noch jungen Schifffahrtsunternehmen, das sich auf klimafreundlichen Seetransport spezialisiert hat. Das Schiff mit dem kombinierten Hybrid- und Segelantrieb wurde von dem französischen Konstruktionsbüro VPLP entworfen und wird mit eigens entwickelten Flügelsegeln ausgerüstet: Vier 30 Meter hohe sogenannte Oceanwings mit einer Gesamtfläche von 1.452 Quadratmetern sollen das Hauptantriebssystem des Schiffes dabei unterstützen. Außerdem sollen unter anderem Solarmodule zur Deckung des Energiebedarfs an Bord zum Einsatz kommen. Die „Canopée“ hat nach Angaben der Entwickler eine Reisegeschwindigkeit von 16 Knoten. Der Schiffskasko wurde auf einer polnischen Werft in Stettin gebaut. Die Fertigstellung des neuen Raketen-Transporters erfolgte beim niederländischen Unternehmen Neptune Marine aus Hardinxveld-Giessendam in der Nähe der Hafenstadt Rotterdam.