Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Umwelt-Kreuzfahrtranking Auf Klima-Kurs - aber mit wenig Tempo

Der Umweltverband Nabu hat die Kreuzfahrtreedereien zu mehr Tempo beim Klimaschutz aufgefordert. Allerdings sieht der Nabu in seinem Umwelt-Kreuzfahrtranking auch positive Entwicklungen.
23.08.2022, 12:56 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Auf Klima-Kurs - aber mit wenig Tempo
Von Peter Hanuschke

Dass die meisten Kreuzfahrtreedereien weiterhin Schweröl einsetzen, ist aus Sicht des Umweltverbandes Nabu mit das größte Hindernis auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit. Allerdings sieht der Nabu in seinem an diesem Dienstag vorgestellten Umwelt-Kreuzfahrtranking auch positive Entwicklungen. Insbesondere die deutschen Reedereien könnten als Innovationstreiber auf die gesamte Branche wirken.

Trotzdem fordert der Umweltverband die Kreuzfahrtreedereien zu mehr Tempo beim Klimaschutz auf. „Die bisher zaghaften Projekte hin zu mehr Klimafreundlichkeit müssen zeitnah im größeren Maßstab umgesetzt werden“, kritisierte der Verband. Eine Umfrage in der Branche zeige, „dass von den vielen Unternehmen vor allem schöne Worte und Ankündigungen kommen und bislang nur wenig konkret umgesetzt wird, um die Situation zu verbessern.“

Drei deutsche Unternehmen in den Top fünf

Auf Platz eins des Rankings, das zum zehnten Mal vorgestellt wurde, kommt die norwegische Postschifflinie Hurtigruten Norway. Doch auch sie erreicht gerade nur die Hälfte der möglichen Punkte, die der Nabu im Sinne einer überzeugenden klimafreundlichen Umsetzung und Strategie vergeben könnte. Unter den ersten fünf finden sich die drei deutschen Unternehmen Aida Cruises, Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und Tui Cruises. Der Nabu bewertet dabei besonders positiv, dass diese drei Reedereien insbesondere für Maßnahmen auf großen und sehr großen Schiffen als Vorreiter gelten können. So nutze beispielsweise Aida moderne Technologien wie Batterien und Brennstoffzellen, die künftig einen klimaneutralen Betrieb gewährleisten können – bisher aber nur als kleine Ergänzungen zum Verbrennungsmotor. Tui Cruises hat ein Schiff in Auftrag gegeben, das mit klimaneutral erzeugtem Methanol betrieben werden soll.

Insgesamt zeigten die Ergebnisse aber erneut, dass Umwelt- und Klimaschutz noch immer nicht den nötigen Stellenwert genießen würde, heißt es vonseiten des Nabu. Das giftige, aber billige Schweröl sei weiterhin der Treibstoff der Wahl für das Gros der Flotte. „Nur wer heute aus dem Schweröl aussteigt und für alle neuen Schiffe Null-Emissionen als Standard vorsieht, kann glaubhaft machen, dass die Ankündigungen für eine klimaneutrale Zukunft ernst gemeint sind“, so Leif Miller, Nabu-Bundesgeschäftsführer. Von den befragten 19 Reedereien verzichten fünf auf den Einsatz von Schweröl.

„Dass Hurtigruten als Gewinner dasteht zeigt, dass Kreuzfahrten auf festen Routen entlang der Küsten die notwendigen Klima- und Umweltmaßnahmen berechenbarer und damit leichter umsetzbar machen“, so Sönke Diesener, Nabu-Kreuzfahrtexperte. Es zeige aber auch, dass strenge Regulierung helfe. Norwegen habe seit 2007 strikte Stickoxidvorgaben. Zudem dürften bestimmte Fjorde ab 2027 nur noch mit Null-Emissions-Schiffen befahren werden. „Für uns heißt das, wir brauchen flächendeckend strengere Gesetze, um in der gesamten Branche eine vergleichbare Entwicklung zu forcieren.“ Dazu zähle ein generelles Schwerölverbot, eine Landstrompflicht und eine E-Fuels-Quote genauso wie strengere Effizienzvorgaben und die großflächige Ausweisung von Null- und Niedrig-Emissionsgebieten auf See.

Selbstverpflichtung vom Weltverband

Der deutsche Ableger des Weltverbands der Kreuzfahrtreedereien, kurz Clia genannt, machte im Zusammenhang mit dem Nabu-Kreuzfahrtranking darauf aufmerksam, dass die Mitglieder des Verbands sich dazu verpflichtet hätten, im Rahmen der weltweiten Bemühungen um die Dekarbonisierung des Schifffahrtssektors bis 2050 eine kohlenstofffreie Kreuzfahrt anzustreben. Dieses branchenweite Ziel übertreffe die Verpflichtung der Branche, die von den Regierungen auf nationaler und internationaler Ebene festgelegten Ziele zu erreichen. Darüber ­hinaus werden die Ziele der Branche durch spezifische Verbesserungen und Ziele der einzelnen Kreuzfahrtunternehmen ergänzt. „Die Vorteile sind bereits real, da die Kreuzfahrtbranche eine führende Rolle bei der Entwicklung nachhaltiger Schiffskraftstoffe einnimmt. Zu den alternativen Kraftstoffen, die derzeit erforscht werden, gehören eine Reihe von Optionen wie Biokraftstoffe, synthetische Kraftstoffe, Ammoniak und Methanol.“

Trotz der Vorreiterrolle, die die Kreuzfahrt bei manchen Technologien als Treiber einnimmt, zeigt sich, dass die Branche Möglichkeiten zur Abgasreduzierung größtenteils ignoriert - nicht nur beim Einsatz des schadstoffärmeren, aber teureren Marinediesels statt Schweröl: Auch die Nutzung von Landstrom gilt zu den Ausnahmen - das liegt nicht am Angebot.

In Hamburg gibt es beispielsweise seit 2016 in Altona die erste Anlage, die zweite befindet sich in Steinwerder im Bau und die dritte soll in der Hafencity entstehen. Kiel, Rostock sei ebenfalls mit solchen Anlagen ausgestattet, auch andere europäische Häfen zögen nach, so Malte Siegert, Vorsitzender vom Nabu-Landesverband Hamburg. „Unsere Erwartung ist natürlich, dass alle neu georderten Schiffe landstromfertig sind und ältere Schiffe nachgerüstet werden.“ Der Zertifizierungsprozess sei sehr aufwendig. Einige Reedereien wie Tui Cruises, Hapag-Lloyd oder Aida Cruises machten das auch, aber das reiche bei weitem nicht aus. „Wir haben etwa 40 Schiffe, die Hamburg anlaufen, nur fünf davon könnten Landstrom potenziell abnehmen, tun es aber meistens nicht.“

Natürlich sei das eine finanzielle Frage, „wenn man an Bord Strom günstiger produzieren kann, als ihn aus dem Netz zu nehmen“, so Siegert. Dafür müsse eine Lösung gefunden werden. Hamburg müsse eine klare Strategie entwickeln, wann sie welche Vorgaben mache, um den Schiffen vorzuschreiben, dass ohne die Nutzung von Landstrom ein Anlaufen des Hafens nicht mehr möglich sei – spätestens, wenn alle Anlagen fertig seien. „Ich finde, das muss der Anspruch sein – gerade im Hinblick auf die Anwohner, die den schädlichen Belastungen, die ein Schiff allein schon ausstößt, belastet sind.“

Auch in Bremerhaven soll es Landstromanlagen geben, die aber nicht nur für die Kreuzfahrtschifffahrt gedacht sind. So sollen in einer ersten Ausbaustufe bis 2023 insgesamt acht Landstromanlagen für die Seeschifffahrt entstehen – in Bremerhaven im stadtbremischen Überseehafengebiet zwei im Bereich des Containerumschlags, eine im Bereich des Ro-Ro-Umschlags und eine im Bereich des Kreuzfahrt-­Terminals sowie im Fischereihafen drei für Behördenschiffe und eine für die Forschungsschifffahrt.

Zum Vorwurf, dass der Nabu mit seinem Ranking immer nur die Kreuzfahrt in den Fokus nimmt, die nur knapp ein Prozent der zivilen Schifffahrt ausmacht, sagte der Umweltverband: „Etwa 90 Prozent meiner Arbeitszeit verwende ich mit dem Thema saubere Schifffahrt insgesamt - insbesondere in der Handelsschifffahrt“, sagte , Nabu-Schifffahrtsexperte Diesener. „Der Grund, weshalb wir die Kreuzfahrt gerade auch durch dieses Ranking öffentlich mehr in die Pflicht nehmen, hat mehrere Ursachen.“ Zum einen sei etwas anderes, wenn eine Branche nur zum Spaß stattfinde, als Güter um die Welt zu transportieren, was in dem Umfang sicherlich auch zu kritisieren sei. Zum anderen gebe es kaum Schiffe, die so stark motorisiert seien wie Kreuzfahrtschiffe. „Der größte Tanker hat bei weitem nicht die Leistung der ,Queen Mary 2‘. Außerdem fahren sie viel näher an die Wohngebiete.“ Hinzu komme der große Energiebedarf, wenn das Kreuzfahrtschiff nicht fahre. Und in den meisten Fällen werde dieser Strom leider immer noch über die Maschine erzeugt. „Deshalb ist es einfach nur redlich, die Kreuzfahrtschiffbranche stärker in den Fokus und in die Pflicht zu nehmen.“

Zur Sache

Verschiedene Kategorien

17 Punkte sind maximal beim Nabu-Umweltkreuzfahrtranking erreichbar. "Es geht bei der Bewertung darum, was oben aus dem Schornstein kommt, also Treibhausgase und Luftschadstoffe ", so Nabu-Kreuzfahrtexperte Sönke Diesener. Dass Kreuzfahrtschiffe von der Maximalzahl noch ein gutes Stück weit entfernt seien, zeige die Tatsache, dass die erstplatzierte Reederei nur die Hälfte der Punkte erreiche. "Wir schauen nicht auf Dinge wie Abfall oder Abwässer - Sachen, die in der Kreuzfahrt auch ein Problem sind."

Mit in die Bewertung fließt aber nicht nur die Gegenwart mit ein, sondern auch das, was die Reedereien konkret als Maßnahmen für eine künftige Dekarbonisierung vorantreiben. Insofern erklärt sich auch, weshalb eine Reederei wie Phönix Reisen zwar im Vergleich zu Aida Cruises und Tui Cruises zwar kein Schweröl einsetzt - das wird positiv bewertet -, aber dennoch einen der hinteren Plätze einnimmt. "Da gibt es bei Aida und Tui ganz vielversprechende Ansätze", so Diesener und dafür gebe es auch Punkte.

"Hurtigruten Expeditions, Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und Ponant punkten zwar mit Schwerölausstieg und Landstrom", so Diesener. "Pro Person haben die Expeditionsschiffe aber keine gute Umweltbilanz." Das liege daran, dass hier häufig viel weniger Passagiere an Bord seien. Hinzu komme, dass eine Expeditionskreuzfahrt oft mit einem Flug ans andere Ende der Welt einhergehe und zudem in ökologisch besonders sensiblen Gebieten stattfinde.

Bewertet wurde unter anderen auch noch, ob sich die Reedereien zum Internationalen Pariser Klimaschutzabkommen bekennen, ob sie eine Klimastrategie für die nächsten Jahre haben, was meistens auch daran zu erkennen ist, ob geplant ist, klimaneutrale Schiffe in der Zukunft zu ordern. 

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)