Bremen. Der Insolvenzantrag für die zwei Kernsparten der Beluga-Reederei hat die Machtverhältnisse in der Unternehmenszentrale auf dem Bremer Teerhof erneut verschoben. Über das operative Geschäft von "Shipping" und "Chartering", oder was davon noch übrig ist, wacht jetzt der vorläufige Insolvenzverwalter Edgar Grönda. Oaktree kontrolliert alle übrigen Unternehmensteile. Außerdem haben auch die Gesellschafter Niels Stolberg und die Schwawei-Holding ein Wort mitzureden. Und die vielen Gläubiger. Wir stellen die wichtigsten Akteure vor.
Der Insolvenzverwalter
Der Bremer Rechtsanwalt Edgar Grönda kennt sich mit Krisensituationen aus, auch im maritimen Bereich. Zuletzt hatte er die Verfahren für die "Traumschiff"-Reederei Deilmann (Holstein), den Bremer Kreuzfahrtveranstalter Transocean Tours und den Yachthändler Drettmann übernommen - und erfolgreich abgeschlossen. Alle drei Unternehmen konnten weitermachen. Der Fall Beluga ist größer und vermutlich weitaus komplexer, seit am Donnerstag auch die Insolvenz der Beluga Shipping dazugekommen ist. Aber Grönda bezeichnet sich selbst nicht nur als einen "Berufsoptimisten", sondern sieht nach eigenen Angaben auch jetzt noch Chancen.
Sein vorrangiges Ziel ist es, möglichst viele Schiffe zurückzuholen, deren Charterverträge wegen ausbleibender Zahlungen und der rüde geführten Verhandlungen von Oaktree in den vergangenen Tagen gekündigt wurden. Nach Recherchen dieser Zeitung sind für die Beluga-Flotte, bis vor Kurzem noch Weltmarktführer in der Schwergutschifffahrt, nur noch zwölf von einst 72 Frachtern geblieben. Grönda will Irritationen ausräumen und um neues Vertrauen werben. "In der kommenden Woche wissen wir, wie weit wir da kommen." Gleichzeitig werden derzeit alle Vermögenswerte, Konten, Kassen und Finanzströme zwischen den Einzelgesellschaften geprüft. Erstes Ergebnis: "Ein bisschen Geld ist noch da", so Grönda. Gespräche laufen auch mit den kreditgebenden Banken. Für die 328 Mitarbeiter der beiden zahlungsunfähigen Firmen wird Grönda Insolvenzausfallgeld beantragen - drei Monate lang zahlt dann die Agentur für Arbeit. Auf einer ersten Betriebsversammlung hat Grönda bei vielen Beschäftigten großes Interesse festgestellt, das Unternehmen mit "Arbeit und Fantasie" fortzuführen. "Das ist nicht die schlechteste Ausgangsbasis."
Der Investor
Der US-Kapitalfonds Oaktree, mit 49,5 Prozent an Beluga beteiligt, hatte sich sein Engagement bei Beluga ursprünglich sicher anders vorgestellt. Der Einstieg erfolgte im Oktober vergangenen Jahres, als Beluga Geld brauchte, vor allem für die Finanzierung von neuen Schiffen. Für eine vergleichsweise geringe Beteiligung in Höhe von 9,5 Millionen Euro bekam Oaktree ein Drittel der Anteile. Doch offenbar erfüllten sich die Erwartungen nicht, zudem soll es Streit um die künftige Ausrichtung des Unternehmens zwischen den Gesellschaftern gegeben haben. Firmengründer Niels Stolberg wurde Anfang des Monats entmachtet, Oaktree erhöhte die Beteiligung auf 49,5 Prozent und übernahm das Management. Das damals verkündete Ziel: Die Reederei solle finanziell stabilisiert und restrukturiert werden. Denn Kapitalfonds erwarten eine satte Rendite, sonst sind Anleger enttäuscht. Doch gerade das Kerngeschäft ist zum Erliegen gekommen, zuletzt offenbar auch durch Managementfehler und
Fehleinschätzungen bei Oaktree. Man hatte mit harten Forderungen und kompromissloser Haltung die Schiffsfonds verschreckt, die daraufhin ihre Verträge mit Beluga kündigten. Derzeit bleiben Oaktree nur noch Unternehmensteile, die zum Teil ohne Zuschüsse nicht überlebensfähig sind. Die Ausbildungssparte zum Beispiel mit dem Beluga College oder der Sea Academy. Auch in der Offshore-Abteilung gibt es zunächst nur Investitionskosten und noch keine Einnahmen. Weitere Insolvenzen könnten daher folgen. Unklar ist, was mit den neuen Schiffen geschieht, deren Bau Oaktree finanziert hat. Angeblich sind auch diese bereits an andere Reedereien abgegeben worden. Oaktree äußert sich derzeit nicht konkret zu möglichen Plänen.
Der Reeder
Niels Stolberg musste sein Unternehmen auf Druck des Gesellschafters Oaktree verlassen, ist von diesem wegen Betruges und Täuschung angezeigt worden, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Und außerdem droht ihm wegen eines millionenschweren Vermögens-Sicherungsantrags, den Oaktree bei Gericht erwirkt hat, immer noch die Pfändung seines Privatvermögens. Nach Tagen des Schweigens ist Stolberg wieder zurück. An seiner Seite der renommierte Wirtschaftsstrafrechtler Hanns Feigen als anwaltlicher Beistand. Zunächst erklärte Stolberg, er werde sich den Vorwürfen stellen. Und nun geht er sogar in die Offensive: Er wolle für sein Unternehmen und die Mitarbeiter kämpfen, so hat er es in dieser Zeitung angekündigt. Dabei erhebt er nun seinerseits Vorwürfe gegen Oaktree. "Es sieht für mich so aus, als ob Oaktree Beluga bewusst in die Insolvenz gedrückt hat", sagte er. Trotz des gegen ihn laufenden Verfahrens ist sein Wissen auch beim Insolvenzverwalter gefragt. Grönda hatte
angekündigt, mit allen Beteiligten dieses Wirtschaftskrimis sprechen zu wollen, um den bestmöglichen Weg aus der Krise zu finden. Dazu gehört auch Stolberg, Gesellschafter bei Beluga und nominell auch noch Geschäftsführer.
Der Staatsanwalt
Die Bremer Staatsanwaltschaft prüft derzeit die Beschuldigungen, die der US-Investor und Beluga-Gesellschafter Oaktree gegen den ehemaligen Unternehmenschef Niels Stolberg erhoben hat. Der Anfangsverdacht wiegt schwer. Stolberg soll zusammen mit weiteren führenden Beluga-Managern seit 2009 Umsätze und Liquiditätszahlen in dreistelliger Millionenhöhe falsch ausgewiesen und den Investor damit getäuscht haben. Nach einer Vorprüfung hatte die Staatsanwaltschaft vor elf Tagen ein offizielles Ermittlungsverfahren eröffnet und Stolberg am vergangenen Dienstag erstmals vernommen. Der Reeder soll sich dabei "kooperativ" verhalten haben. Ähnlich wie der Insolvenzverwalter müssen sich die Staatsanwälte durch dicke Bilanzen, Geschäftsberichte und Liquiditätsrechnungen wühlen, bevor sie entscheiden, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Auf Bilanzfälschung stehen Geld- oder sogar Freiheitsstrafen.
Die Gläubiger
Davon gibt es eine Menge. Da sind zunächst die Banken, die mit ihren Krediten die Schiffe der Beluga-Flotte finanziert haben und die Rückzahlung samt Zins erwarten. Oaktree hat erklärt, weiter in Gesprächen mit ihnen zu sein, und natürlich verhandelt auch der Insolvenzverwalter mit ihnen. Die Bremer Landesbank (BLB) war in den vergangenen Jahren einer der Hauptfinanziers für Beluga. Ihr drohen jetzt - wie auch HSH, Commerzbank, Nord/LB - deutliche Einbußen. Näheres ist bislang nicht zu erfahren. "Zu Einzelheiten können wir uns mit Blick auf das Bankgeheimnis und die laufenden Gespräche nicht äußern", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Die Risikopositionen seien aber überschaubar und würden auch im ungünstigsten Fall die Ertragslage nicht substanziell gefährden. Karoline Linnert, Bremens Finanzsenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende der BLB, lässt sich seit dem Beginn der Beluga-Krise regelmäßig vom Bankvorstand informieren. "Mit Verlusten ist zu rechnen", sagt sie. Die Höhe hänge aber noch von vielen Faktoren ab.
Auch die Emissionshäuser, die über Fondsgesellschaften Kapital von Anlegern eingesammelt, Schiffe finanziert und danach an Beluga verchartert haben, machen Forderungen in Millionenhöhe geltend. Seit gut vier Wochen ist Beluga die vereinbarten Zahlungen schuldig geblieben. Für einen einzelnen Frachter summierten sich die Forderungen innerhalb eines Monats auf eine Viertelmillion Euro, für die gesamte Beluga-Flotte entstanden Verbindlichkeiten von etwa einer Million Euro pro Tag. Als die Zahlungen ausblieben und Oaktree weiteren Verzicht forderte, wurden die Verträge aufgekündigt, weil aus Sicht der Emissionshäuser auch die Interessen vieler Tausend Kleinanleger auf dem Spiel stehen. Auch auf sie will Grönda jetzt zugehen.