Beim Bremer Handwerk kann es im Durchschnitt bis zu 28 Wochen dauern, bis ein Betrieb einen Auftrag beim Kunden beginnt und abschließt. Das liege an den vollen Auftragsbüchern, wie am Freitagmorgen die Bremer Handwerkskammer bei der Präsentation ihrer Frühjahrsumfrage mitteilte. Trotz steigender Energie- und Baustoffpreise und der Lieferengpässe bezeichnen die befragten Betriebe die Situation als positiv.
Allerdings haben sich die Effekte durch den Ukraine-Krieg bei der Befragung noch nicht durchgeschlagen, denn die lief in den ersten Tagen, als der russische Angriff gerade begonnen hatte. Dennoch sagte Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke: "Die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine belastet viele Betriebe mit kurzfristig sehr stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen." Material sei knapp, Lieferengpässe bestehen bei wesentlichen Bauteilen. Kurzke gab ein Beispiel: "Bei der Herbstumfrage im vergangenen Jahr hatte ich von einem Neubau erzählt, bei dem die Türzargen fehlen. Der Bau ist inzwischen fertig, aber die Türzargen fehlen immer noch." Das seien aber besondere Türzargen, und gerade bei besonderen Teilen könne sich die Lieferzeit erhöhen.
Dies führt zu mehr Wartezeit bis die Handwerker kommen. Denn die Betriebe können die Aufträge deshalb nur noch verzögert abarbeiten. Das führt zu einem nächsten Problem bei den Unternehmen: Wenn die Handwerker den Auftrag erst in einem halben Jahr beginnen können, haben sie womöglich Monate vorher dem Kunden schon das Angebot abgegeben – mit einer Kalkulation, die aufgrund der weiter gestiegenen Preise kaum zu halten ist. "Im schlimmsten Falle kann das einige Betriebe in die Insolvenz führen", mutmaßte Oliver Kriebel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bremer Handwerkskammer.
Aufträge mit flexibleren Preisklauseln
Kurzke sagte, dass Verträge am besten mit tagesaktuellen Preisen zu schließen seien oder eine Preisspanne zulassen sollten. Wie hoch diese Preisspannen sind, ist laut Kriebel von Gewerk zu Gewerk unterschiedlich: "In diesen Zeiten ist erst recht das kaufmännische Talent der Handwerker gefragt." Es gelte, ungefähr zu schätzen, wie sich die Preise für einen Auftrag entwickeln, der vielleicht erst in zwei Monaten dran ist. Handwerkskammer-Präses Kurzke stellte fest: „Eine solche Preisentwicklung habe ich so noch nicht erlebt.“ Die Rohstoffe hätten sich zum Teil um die Hälfte verteuert, zum Teil auch um das Doppelte.
Die geschilderten Probleme erlebt auch Ralf Majowski, der zur Präsentation der Frühjahrsumfrage in seinen Metallbaubetrieb in Utbremen eingeladen hatte. Er baut bei den Kunden vor Ort vor allem Balkongeländer, Türen, Fenster und Haustürvordächer ein und auf. Angesichts der aktuellen Inflationsrate von mehr als sieben Prozent hätte noch keiner seinen Auftrag storniert, was ihn freut. „Schon mein Vater sagte, dass das, was wir machen, reiner Luxus ist“, beschreibt Majowski die Situation und meint: „Oft ist es bei den Kunden so, dass sie das Geld für das Haustürvordach bereits auf dem Konto haben.“ Auch habe bisher keiner verlangt, das neue Balkongeländer um ein Jahr zu verschieben, weil bei den Anschaffungen plötzlich andere Dinge wichtiger seien. Zumindest ginge das bei so einem Geländer eher, als wenn plötzlich die Heizung kaputt sei.
Auf allen größeren Baustellen fehlt Material
Was die Materialien angeht, sehe es bei Majowski, der auch stellvertretender Obermeister in der Bremer Metallbauerinnung ist, noch gut aus. „Ich weiß aber von Kollegen aus größeren Betrieben, die mehr Mengen benötigen als ich, dass die mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben." Präses Kurzke ergänzt: „Wenn Sie über die größeren Baustellen Bremens fahren, fehlt es an jeder davon an Materialien.“
Dennoch ist das, was die Betriebe an die Handwerkskammer zurückmeldeten, mehrheitlich positiv. Zum Zeitpunkt der Umfrage gaben sich mehr als 85 Prozent der Betriebe mit der Geschäftslage grundsätzlich zufrieden. Knapp 32 Prozent rechnen für das kommende Halbjahr mit einer Verbesserung der Geschäftslage. Dagegen erwarten 60 Prozent der befragten Betriebe aus den Nahrungsmittelgewerken einen Rückgang. Hier schlagen sich womöglich unter anderem die gestiegenen Energiepreise nieder. "Für meine Tüte Brötchen zahle ich nun nicht mehr 2,30 Euro, sondern 2,85 Euro", nannte Kriebel das Beispiel.
Mehr Fachkräfte nötig
Allerdings macht der Fachkräftemangel den Unternehmen weiter zu schaffen. "Von vielen Betrieben ist zu hören, dass sie noch mindestens zehn bis zwölf Prozent mehr Mitarbeiter einstellen könnten, wenn es die gäbe", sagte Kammer-Präses Kurzke dazu. Hier sei es wichtig, den jungen Menschen stärker darzulegen, welche Chancen ihnen ein Beruf im Handwerk heutzutage eröffne. Metallbauer Majowski sagt abschließend: „Bei uns im Handwerk sind es zum größten Teil inhabergeführte Familienbetriebe. Da gibt es eben einen persönlicheren Umgang mit den Mitarbeitern. Bei Mercedes verdient man zwar mehr, da sind aber viele Beschäftigte auch unzufriedener.“