Die Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen dem VW-Konzern und der damaligen Militärdiktatur in Brasilien verdichten sich. Die brasilianische VW-Tochter Volkswagen do Brasil habe eigene Mitarbeiter und deren politische Gesinnung ausspioniert, ergaben Recherchen von NDR, SWR und „Süddeutscher Zeitung“, wie der NDR am Montag mitteilte.
Die Informationen seien an die Machthaber weitergegeben und mindestens sechs VW-Mitarbeiter allein im Sommer 1972 verhaftet worden, aktiv ermöglicht vom VW-Werkschutz. Einige sollen gefoltert worden sein. Bereits im Herbst 2015 war von Opfern in Brasilien wegen einer möglichen Kollaboration gegen VW Anzeige erstattet worden.
Schwarze Listen und Infos über Mitarbeiter
Der Konzern hatte daraufhin angekündigt, die Vorwürfe umfassend aufklären zu wollen. Auch eine von der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff eingesetzte Wahrheitskommission sieht klare Indizien für eine Kollaboration der VW-Tochter Volkswagen do Brasil mit dem Regime. Opfer werfen den Wolfsburgern vor, dass man sich so ein „ruhiges“ Marktumfeld sichern wollte. In der 2015 eingereichten Klage heißt es, das Unternehmen habe schwarze Listen erstellt und Infos über angeblich subversive Aktivitäten von Mitarbeitern übermittelt. Zudem geht es um das mögliche Decken von Repressionen gegen Angestellte und Vorwürfe wie Festnahmen am Arbeitsplatz.
Einer der damals Verhafteten ist den Angaben zufolge der ehemalige VW-Werkzeugmacher Lúcio Bellentani. Die ersten Schläge und Tritte hätten ihm die Polizisten demnach noch in den Räumen der Personalabteilung von VW versetzt. „Und die Leute vom VW-Werkschutz schauten zu“, berichtete der heute 72-Jährige den Reportern. Der Vorwurf: Er habe Flugblätter für die Kommunistische Partei am Arbeitsplatz verteilt.
Monatelange Folterhaft
Auf die Verhaftung folgte für ihn, wie auch für andere seiner damaligen Kollegen, monatelange Folterhaft. Bellentani fordert jetzt von VW, zur Vergangenheit zu stehen: „Indirekt war VW verantwortlich für zahlreiche Fälle von Folter und Verfolgung. Man darf solche Dinge nicht unter den Teppich kehren. Volkswagen sollte die Würde haben, seine Verantwortung für diese Taten anzuerkennen.“
Der Volkswagenkonzern teilte zu den neuen Recherchen mit, die Aufarbeitung werde mit Konsequenz und Sorgfalt vorangetrieben. „Wir bitten deshalb um Verständnis, dass wir zuerst den Abschlussbericht und die Ergebnisse darin abwarten möchten, bevor wir diese im Detail kommentieren und uns über adäquate Maßnahmen verständigen“, hieß es in einem Volkswagen-Statement am Montag.
Volkswagen do Brasil ist seit 1953 im fünftgrößten Land der Welt aktiv und beschäftigt dort rund 20.000 Menschen. Von 1964 bis 1985 regierte in Brasilien eine Militärdiktatur, es gab Hunderte Tote und Tausende Folteropfer.
Mehrfach reisten in der Vergangenheit VW-Beauftragte nach Brasilien, um mit den Behörden zu sprechen. Dabei geht es um Fragen einer kollektiven Entschädigung oder auch eine offizielle Entschuldigung. Der Konzern beauftragte zudem im vergangenen Jahr den unabhängigen Historiker Christopher Kopper von der Universität Bielefeld. Die Untersuchungen sollen noch im laufenden Jahr abgeschlossen werden.