Bremen. Neuartige Lackierungen, die der strömungsgünstigen Haut von Haien nachempfunden sind, sollen bei Flugzeugen künftiger Generationen den Treibstoffverbrauch senken. Sensoren im Rumpf könnten die Wartungskosten und Standzeiten verringern, eine Mischung aus Wein- und Schwefelsäure mehr Schutz vor Rost bieten. Themen für ein neues Forschungszentrum in Bremen, für das am Freitag der Startschuss gefallen ist.
Der Flugzeughersteller Airbus und das Raumfahrtunternehmen Astrium haben sich zusammengetan, dazu stoßen weitere acht Partner aus der Industrie und der Bremer Wissenschaft. Sie wollen ab 2013 verstärkt neue Materialien erforschen. 400 Mitarbeiter sollen am Forschungszentrum "EcoMaT" arbeiten.
Die Unternehmen investieren, unterstützt vom Bremer Senat, deutlich mehr als zehn Millionen Euro in ein neues Labor- und Bürogebäude an der Airbusallee. Effizienteres und umweltfreundlicheres Fliegen sei eines der Hauptziele von Airbus, sagte gestern Deutschlandchef Gerald Weber. Eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs werde künftig zum entscheidenden Wettbewerbskriterium. Und da hat sich der europäische Luftfahrtkonzern ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2020 will Airbus den Kohlendioxid-Ausstoß und den Lärmpegel seiner Flugzeuge um die Hälfte reduzieren. So verspricht man sich gute Verkaufschancen auf einem wachsenden Markt auch gegenüber einer zunehmenden Konkurrenz: Nach Webers Angaben gibt es in den kommenden 20 Jahren weltweit einen Bedarf an 26000 neuen Maschinen. Möglichst viele davon will Airbus an die Airlines in aller Welt liefern.
"Dafür brauchen wir viele Innovationen und gute Ideen", so der Airbus-Chef. Denn wer mit Neuerungen am schnellsten am Markt sei, habe auch die besten Chancen. Deshalb habe der Konzern nach zwei anderen Forschungszentren in Stade (kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe) und Hamburg (Kabinendesign) sich für ein drittes Kompetenzzentrum in Bremen stark gemacht.
Jahrzehnt der neuen Materialien
Denn an der Weser sitzen bereits viele Experten. Im Bremer Airbus-Werk mit seinen rund 5000 Beschäftigten ist bereits die Materialforschung des Konzerns angesiedelt. Sie wird Ende kommenden Jahres in das neue Gebäude umziehen und dort unter anderem auf Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts IFAM und der Hochschule Bremen treffen.
Den Bremer Bionik-Experten ist es gelungen, eine Haihaut mit ihrer mikroskopisch kleinen Rillenstruktur künstlich nachzubilden. Erste erfolgreiche Anwendungsversuche mit neuen Anstrichen gibt es bereits in der Schifffahrt. Nun könnte die Luftfahrt folgen. Denn auch in der Aerodynamik geht es darum, Strömungswiderstände und Verwirbelungen zu minimieren und damit Treibstoff zu sparen. Gleichzeitig werden Schmutzpartikel besser abgestoßen - das Flugzeug muss seltener gewaschen werden. Auch das schont die Ressource Wasser und die Umwelt.
Künftig sollen Ingenieure von Airbus und Forscher von IFAM das Projekt weiterentwickeln. Und viele andere auch. Etwa Lacke, die nur bei einem Brand aufschäumen und die Flammen ersticken. Oder empfindliche Sensoren, die kleinste Schäden an der Flugzeugstruktur melden und den Technikern die Entscheidung erleichtern, ob eine sofortige Reparatur nötig ist. "Dieses Jahrzehnt wird das Jahrzehnt der neuen Materialien", betonte Weber, Produktionsvorstand bei Airbus.
Platz haben die 400 Mitarbeiter dann auf rund 11000 Quadratmetern. Die meisten werden aus den bestehenden Abteilungen und Instituten kommen. So soll auch eine Forschungsgruppe der Konzerntochter EADS aus Ottobrunn nach Bremen wechseln. Airbus-Standortleiter Kai Brüggemann rechnet mit bis zu 150 neu zu schaffenden Jobs. "Und wenn es gut läuft, könnten es insgesamt auch 500 Arbeitsplätze werden", sagte er gestern. Das Grundstück sei jedenfalls groß genug, um das geplante Gebäude zu erweitern.
Bremen steuert nach Angaben von Wirtschaftsstaatsrat Heiner Heseler drei Millionen Euro zu den Investitionskosten bei, den Rest der Summe schultern die Unternehmen. Heseler sieht in dem Forschungszentrum eine weitere Aufwertung des ohnehin starken Standortes Bremen. "Luft- und Raumfahrt so dicht beieinander gibt es sonst nirgendwo", sagte der Staatsrat. Die in Bremen versammelte Kompetenz und eine der Zukunftsbranchen werde deutlich gestärkt. Deshalb sei der Senat trotz aller Sparbemühungen und Haushaltsbeschränkungen bereit zu investieren. Heseler kann sich auch Interesse bei anderen Branchen vorstellen. Die Luftfahrt habe sich bislang viele Produktionsverbesserungen bei der Autoindustrie abgeschaut - vielleicht sei das bei der Materialerforschung auch mal anders herum.