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Bestandsaufnahme notwendig Deutschland ist satt geworden und gibt sich mit Mittelmaß zufrieden

Die Pandemie und der Ukraine-Krieg sind die perfekte Ausrede für alles, was nicht läuft. Trotzdem sollte man überlegen, was in Deutschland wieder besser funktionieren muss, meint Florian Schwiegershausen.
05.01.2023, 22:14 Uhr
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Deutschland ist satt geworden und gibt sich mit Mittelmaß zufrieden
Von Florian Schwiegershausen

Anfang Dezember ist „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres gekürt worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Begriff im Februar 2022 im Zusammenhang mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine erstmals verwendet. Deutschland befindet sich jedoch nicht erst seit dem russischen Angriff im Krisenmodus. Die schwierige Situation, aber – zumindest in Bezug auf Corona – auch die Aussicht auf ein mögliches Ende dieser Situation wären ein perfekter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme in Deutschland.

Was funktioniert in diesem Land nicht – und warum? Wie kommt man dahin, dass die sprichwörtlichen deutschen Tugenden Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, für die diese Nation in der Vergangenheit im Ausland immer geschätzt wurde, wieder mit Leben gefüllt werden? Schafft man das mit eigenen Ressourcen? Oder ist man auf Zusammenarbeit mit anderen Ländern und die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen? Wo steht sich Deutschland selbst im Weg? Bei welchen Themen weisen sich Bund und Länder gegenseitig die Schuld zu, statt konstruktiv etwas auf die Beine zu stellen?

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Über diese Fragen sollte nachgedacht werden. Stattdessen scheint es, als sei Deutschland satt geworden und als reiche es aus, sich mit Mittelmaß zufriedenzugeben. Bei der Digitalisierung zum Beispiel findet sich Deutschland auf Platz 13 von 27 EU-Staaten wieder. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Infrastrukturminister Volker Wissing (FDP) gaben beim Digitalgipfel Mitte Dezember als Ziel aus, unter die Top Ten zu kommen. In dem Land, in dem einst der Computer erfunden, Ende der 1980er-Jahre der ISDN-Standard entwickelt und Anfang der 1990er-Jahre das Musikformat MP3 ins Leben gerufen wurde, gibt man sich mit einem von zehn Plätzen zufrieden? Wenn das der Trainer des FC Bayern als Saisonziel ausgeben würde, könnte er direkt seinen Hut nehmen.

Warum reicht bereits ein Platz in der Top Ten?

Offenbar will man sich gar nicht mehr in Richtung Spitze entwickeln. Stattdessen verordnet sich der Staat Mittelmaß. Wie ambitionslos man hierzulande geworden ist, zeigt auch ein Beispiel aus dem Bremer Mikrokosmos: Wer einen neuen Pass beantragen oder sich als Neubürger anmelden möchte, muss im Schnitt drei Monate auf einen Termin warten. In der Hauptstadt Berlin dauert das sogar noch länger.

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Dies als Mittelmaß zu bezeichnen, wäre geschönt. Das ist Staatsversagen. Man bekommt nicht hin, was eigentlich Standard sein sollte – nämlich eine unkomplizierte An- und Ummeldung. Und das ist nur eines von vielen Beispielen, wo die Verwaltung nicht ausreichend funktioniert. Wichtig wäre ein Ende der üblichen Krisenausreden, hinter denen sich die Verantwortlichen derzeit gerne verstecken. Oder aber: Wenn sich Deutschland lieber auf seinen Lorbeeren ausruhen und mit Mittelmaß zufriedengeben möchte, ist auch zu akzeptieren, dass das Land im Konzert der weltweit führenden Nationen nicht mehr tonangebend sein kann.

Konstruktive Diskussion ohne Ideologie

Für eine ehrliche Analyse und Antworten auf die Frage, wie dieses Land wieder besser werden könnte, braucht es eine ergebnisoffene Diskussion, die konstruktive Kritik zulässt – ohne Ideologie. Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürenmatt sagte einst: „Ideologie ist Ordnung ohne Weiterdenken.“ Am Ende der Pandemie braucht es dringend ein Weiterdenken, wo Deutschland steht und wohin es sich entwickeln möchte. Und es braucht eine geordnete Reihenfolge, welche Schritte man zuerst angehen möchte.

Die Entscheider dieses Landes haben es weitestgehend selbst in der Hand, sich wieder an die Spitze der führenden Nationen zu setzen. Das ist aber nicht allein eine Aufgabe der Politik. Dazu braucht es auch in vielen anderen Bereichen mehr Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und anzupacken, statt sich vor allem auf den eigenen Vorteil zu besinnen.

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