Paris. Morgen rückt der deutsche Airbus-Chef Thomas Enders an die Spitze von Europas größtem Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS. Von langer Hand wurde das Stühlerücken eingefädelt – und bringt durchweg alte Bekannte in neue Positionen. Mit dem Abschied vom diplomatisch-freundlichen Franzosen Louis Gallois, der EADS seit 2007 geführt hat, steht aber ein Stilwechsel bevor: Der 53-jährige Enders steht für deutliche Worte – was auch schon einmal „klare Kante“ bedeuten kann.
Heute treffen sich die Aktionäre des europäischen Konzerns in Amsterdam. Bei der Hauptversammlung steht neben der Dividende – 45 Cent je Aktie fürs Vorjahr – vor allem die Neubesetzung des Verwaltungsrats auf der Tagesordnung. Gerade die Personalie des Verwaltungsratschefs hatte schon lange für Wirbel gesorgt: Arnaud Lagardère, einer der größten EADS-Aktionäre, soll den Posten vom Deutschen Bodo Uebber übernehmen. Ein Grund dafür ist die französisch-deutsche Machtbalance: Als mit Gallois ein Franzose den EADS-Vorstand leitete, musste ein Deutscher an der Verwaltungsratsspitze stehen. Ein deutscher Vorstandschef zieht nun einen Franzosen als Vorsitzenden des Verwaltungsrats nach sich.
Obwohl sich der sportliche Lebemann Lagardère in der Vergangenheit kaum bei den EADS-Gremiensitzungen blicken gelassen haben soll, kam der Konzern an dem Großaktionär nicht vorbei: Der Medienunternehmer hält zusammen mit der französischen Staatsholding gut ein Fünftel der EADS-Anteile – eine Rolle, die der Autobauer Daimler auf deutscher Seite gerade loszuwerden versucht.
Der staatliche Einfluss, allen voran von Deutschland und Frankreich, ist dem künftigen Konzernchef Enders schon lange ein Dorn im Auge. „Ich möchte unsere Ertragsfähigkeit steigern, die Internationalisierung vorantreiben und daran arbeiten, dass wir normale Eigentümerstrukturen bekommen, in der staatliche Aktionäre keine Rolle spielen“, sagt er. Rangeleien um Aufträge für die einzelnen Airbus-Standorte haben dem Konzern immer wieder das Leben erschwert.
So kommt es auch, dass die Zentralen von EADS und Airbus auf Paris, Ottobrunn bei München und Toulouse verteilt sind. Enders will mehr Führungsfunktionen in Toulouse zusammenführen und fing sich damit heftige Proteste aus Bayern ein. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fürchtet um den Standort vor Münchens Toren.
Enders, der dank seiner Bundeswehrkarriere den Spitznamen „Major Tom“ trägt, stehen nicht nur bei der Wahl der Standorte große Herausforderungen bevor. Das anspruchsvollste Projekt, der neue Langstreckenflieger A350, ist gerade in der heißen Phase. Das erste Exemplar des Flugzeugs für Tests am Boden wird derzeit in Toulouse zusammengebaut. Für 2013 ist der Erstflug geplant, für spätestens Mitte 2014 die erste Auslieferung.
Zugleich hat sich der Konzern mit dem Problem der feinen Risse an den Flügeln seines Flaggschiffs A380 herumzuschlagen. Schon jetzt muss Airbus an 74 Maschinen schadhafte Befestigungsklammern in den Flügeln austauschen – für eine Viertelmilliarde Euro allein in diesem Jahr. Gut, dass der Konzern finanziell auf bessere Zeiten zusteuert: Nachdem in den Vorjahren teure Sondereffekte etwa beim Militärtransporter A400M die Gewinne aufgezehrt hatten, verspricht Gallois seinem Nachfolger und den Aktionären für die kommenden Jahre stark wachsende Profite.
Für den wichtigen Finanzchefposten holt sich Enders einen Vertrauten in den Konzernvorstand: Harald Wilhelm führt neben den Finanzen von Airbus künftig auch die des Gesamtkonzerns. Der bisherige Konzern-Finanzchef Hans Peter Ring geht in den Ruhestand. Enders‘ Job an der Airbus-Spitze übernimmt der bisherige Vize, der Franzose Fabrice Brégier. Ängste vor dem „harten“ Enders als neuem Konzernchef versuchte Gallois zu dämpfen. „Tom tritt gern als harter Fallschirmjäger auf, aber er ist smarter“, sagt der 68-Jährige.