Bremen. Deutschland gehen die Fachkräfte aus, obwohl das Land noch viele kluge Köpfe zu bieten hat. Doch noch immer fällt es vielen Unternehmen schwer, Frauen für klassische Männerberufe zu begeistern. Das soll sich ändern. Am 14. April findet wieder der Mädchen-Zukunftstag "Girls' Day" statt.
Hella tut was für die Frauen. Und damit ist nicht nur der automatische Park-Assistent gemeint, den der Bremer Autozulieferer herstellt. Insgesamt 120 Frauen, die bei Hella in der Fertigung arbeiten, wurde das Angebot gemacht, sich zur Maschinen- und Anlagenführerin ausbilden zu lassen. Doch nur vier nutzten die Chance, sich weiterzuqualifizieren. Geschäftsführer Manfred Meise findet das schade.
Schließlich gebe es nichts Besseres für das Betriebsklima als weiblicher Einfluss auch auf Führungsebene. Meise muss es wissen, denn er kennt einen Betrieb, bei dem der gänzlich fehlte. Er war 15 Jahre lang Berufssoldat, zu einer Zeit, als dort noch keine Frauen zum Wehrdienst einrückten. 40 Prozent der Hella-Angestellten sind Frauen. In der Gruppe der Ingenieure ist es allerdings nur ein kümmerliches Prozent. Er habe das Gefühl, dass viele Frauen immer noch Angst hätten vor den technischen Berufen, sagt Meise.
Das zu ändern, ist das Ziel des jährlichen Girls' Day, der am 14. April stattfinden wird. Dann werden bundesweit wieder Tausende Unternehmen ihre Türen öffnen und Mädchen ab Klasse fünf zeigen, in welchen Berufen es immer noch zu wenige Frauen gibt - und das in Zeiten, in denen es sich Deutschland nicht leisten kann, Fachkräfte-Potenzial nicht zu nutzen.
"Mädchen, die hochqualifiziert von der Schule kommen, müssen sich auch zutrauen, Ingenieurin zu werden", sagt Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper. Am Mädchenzukunftstag könnten sie erleben, dass sie vor den technischen Berufen keine Angst zu haben bräuchten. Und, dass sie begehrt sind: "Ich hätte gern mehr Frauen", sagt Meise. Frauen wie Tatjana Schmidt.
Noch in ihrer Heimat Russland hatte sie angefangen, Elektrotechnik zu studieren. Bei Hella testet sie nun an komplizierten Apparaten Lichtsensoren auf Empfindlichkeit. Tageslicht gibt es in ihrem kleinen Labor keines, etwas muffig ist es auch. Und um Anerkennung musste sie anfangs kämpfen, erzählt sie. Ihre erfahrenen männlichen Kollegen hätten doch etwas kritisch auf sie geschaut. Das Gefühl kennt Jürgens-Pieper allzu gut. Sie hat Biologie und Chemie studiert und musste sich im Labor den ein oder anderen Spruch anhören, berichtet sie beim Besuch bei Hella. In ihrer Generation hätten Frauen ohnehin noch schlechte Karten gehabt in Männerdomänen wie Ingenieurswissenschaften. Immerhin, es ändert sich was.
Was den einen die Lichtsensorik ist, ist den anderen das Echtholzparkett. Monja Meyer hat ihren Traumjob im Handwerk gefunden. Im zweiten Jahr lernt sie das Einmaleins des Fußbodenbaus. Während ihr Meister Michael Ritter von seiner Leidenschaft für das Holz schwärmt, nickt sie zustimmend. Neulich habe sie in einem Park vor einer riesigen Buche gestanden und nur gedacht: "Mensch, das als Fußboden!"
In Latzhose, Schlabberpulli und Arbeitsschuhen erklärt sie Ingelore Rosenkötter ihr Handwerk. Die Senatorin für Soziales und Frauen staunt nicht schlecht. "Ganz schön anstrengend", befindet sie schon nach wenigen Sekunden, die sie auf den Knien vor der Übungsfläche zubrachte.
Meyer macht das nichts aus. Schon immer habe sie mit Holz arbeiten wollen. "Das Schöne ist, am Ende des Tages sagen zu können: ,Boah, das hab' ich geschafft!?", sagt sie. Auch dem Handwerk gehen langsam die geeigneten Bewerber aus. Ritter, der auch als Mentor an Schulen unterwegs ist, hat festgestellt, dass vor allem das Benehmen immer öfter zu wünschen übrig lässt. Gerade da lägen die Chancen für Frauen im Handwerk.
Bei denen scheint das aber noch nicht angekommen zu sein. Von 25 Bewerbern auf den Ausbildungsplatz bei Ritter Fußbodenbau waren nur drei weiblich. Auch deshalb will Ritter sein Unternehmen und seine Arbeit am Girls' Day vorstellen. Mit seiner Auszubildenden ist er zufrieden. So zufrieden, dass er ihr längst zugesagt hat, sie nach ihrem dritten Lehrjahr zu übernehmen. Langfristig kann er sich sogar vorstellen, dass sie seine Nachfolgerin und das kleine Unternehmen für Fußbodenbau leiten wird.
Beim Autozulieferer Hella deutet es sich noch nicht an, dass Frauen bald die Führung übernehmen. Bisher ist keine Frau in der Führungsriege zu finden. Ob sich das demnächst ändern wird? In spätestens fünf Jahren wird Manfred Meise seinen Posten räumen. Dass ihn dann eine Geschäftsführerin ablösen wird, ist aus seiner Sicht ebenso unwahrscheinlich wie schade. "Frauen haben bei uns immer eine Chance, sie müssen sich nur melden."
Bis zu 6000 Mädchen werden am 14. April im Land Bremen am Girls' Day teilnehmen und klassische Männerberufe kennenlernen. Informationen für Schülerinnen ab der fünften Klasse, aber auch für interessierte Unternehmen finden sich unter www.girls-day.de oder im im Landesinstitut für Schule bei Anette Hermans unter 0421-36114477.