Seit 2002 bezieht Rolf Schramm* eine Rente von der Versicherung Signal Iduna. „Jahr für Jahr wird es weniger“, klagt er. Eine Erfahrung, die jetzt viele Kunden machen, die einen Rentenvertrag mit einer privaten Versicherung abgeschlossen haben. Die niedrigen Zinsen auf den Kapitalmärkten führen dazu, dass selbst Privatrenten, die bereits regelmäßig ausgezahlt werden, gekürzt werden.
Viele große Lebensversicherer wie Axa, Debeka oder Ergo räumen ein, dass bestimmte Arten von Rentenversicherungen in den vergangenen Jahren entweder gekürzt wurden oder dass es kaum noch Erhöhungen der Beträge gibt. Der Grund dafür ist die seit Jahren fallende Überschussbeteiligung der Lebensversicherer, die auch für Rentenversicherungen gilt.
Da die Versicherer das Geld ihrer Kunden vorwiegend in festverzinslichen Wertpapieren anlegen, sind sie von den niedrigen Zinsen besonders betroffen. In diesem Jahr liegt die durchschnittliche Überschussbeteiligung bei 2,53 Prozent. Damit werden die Guthaben der Versicherten aktuell verzinst, unabhängig davon, ob sie noch ansparen oder bereits eine Rente beziehen.
Rentenkürzungen bei der teildynamischen Rente
2002 betrug die Überschussbeteiligung noch 6,12 Prozent. Rolf Schramm erhielt vor 15 Jahren noch 326 Euro monatlich aus dem Rentenvertrag mit der Signal Iduna. Mittlerweile sind es nur noch 264 Euro, also knapp 20 Prozent weniger. „Rentenkürzungen gibt es bei der teildynamischen Rente, weil unsere Prognosen zu Rentenbeginn aufgrund der historisch niedrigen Zinsen von der tatsächlichen Entwicklung am Kapitalmarkt überholt wurden“, sagt Ute Holtkamp, Lebensversicherungsspezialistin der Signal Iduna.
Eine solche teildynamische Rente bezieht auch Schramm. „Wenn die Überschussbeteiligung sinkt, führt das leider auch zu Rentenkürzungen“, sagt die Expertin. Betroffen seien vor allem Kunden, die zu Beginn der 2000er-Jahre in Rente gegangen sind. „Die garantierte Rente bleibt aber sicher“, sagt Holtkamp. Für Rentner Schramm heißt das: Unter 253 Euro kann seine Monatsrente nicht sinken.
Versicherte, die Rentenkürzungen hinnehmen müssen, beziehen eine sogenannte teildynamische Rente. Sie fällt zu Beginn höher aus als eine sogenannte volldynamische Rente. Diese ist niedriger, kann aber nicht gekürzt werden. Die Versicherer verwenden allerdings sehr unterschiedliche Namen für diese Rentenarten.
Rentenkürzungen sind umfangreicher bei der Generali
Die teildynamische Rente ist sehr stark von der Überschussbeteiligung abhängig. „Wenn die sinkt, müssen wir die Renten anpassen“, bestätigt Axa-Sprecherin Ursula Roeben. Auch bei der Debeka wurde in den Jahren 2016 und 2017 die kombinierte Zusatzrente, wie sie dort heißt, gekürzt, bestätigt Debeka-Sprecher Christian Arns.
„Insgesamt zahlen wir 42.300 Renten aus, davon können aber nur 3400 gekürzt werden.“ Umfangreicher sind die Rentenkürzungen bei der Generali. Knapp 28.000 Rentenbeziehern drohen Kürzungen. Betroffen sind alle Policen mit einem Garantiezins ab 1,75 Prozent. Bei ihnen streicht der Versicherer nun wegen der niedrigen Zinsen die Verzinsung, die über den Garantiezins hinausgeht.
„Auf mehr als die garantierte Rente kann man sich bei einer Rentenversicherung nicht verlassen“, sagt Axel Kleinlein, Sprecher des Bundes der Versicherten. Auch bei anderen Versicherungen wie Württembergische, LV 1871 oder Ergo fällt die Rentenkürzung seit 2002 so aus wie bei der Signal Iduna. Das geht aus einer Studie des Branchendienstes map-Report hervor, der tatsächlich gezahlte Renten analysiert hat.
Rentenfaktor sinkt
Der Trend zeigt sich auch bei Versicherten, die seit 2007 eine teildynamische Rente beziehen. Die Kürzungen fallen zwar nicht so stark aus, dafür war die Rente von Anfang an niedriger. Auch wer derzeit noch für seine Altersvorsorge anspart, erfährt, wie sich die Vertragsgrundlagen nachträglich verschlechtern. Frank Bollinger* ärgert sich über gekürzte Rentenfaktoren bei der Neuen Leben.
Der Faktor besagt, wie viel Rente später einmal pro 10.000 Euro angespartem Kapital im Monat ausgezahlt wird. Als Bollinger den Vertrag 2008 abschloss, lag der Rentenfaktor noch bei 39,54 Euro. Inzwischen sind es nur noch 30,29 Euro. „Grundsätzlich wirkt sich das erheblich gesunkene Zinsniveau in den vergangenen Jahren auch auf die Rentenfaktoren aus“, sagt ein Sprecher der Neue Leben.
„Auf den Rentenfaktor, der zu Vertragsbeginn zugesagt wird, können sich die Kunden nicht verlassen, denn die Versicherer haben bei der Anpassung weitgehend freie Hand“, sagt Kleinlein. Betroffen sind Kunden, die mit Investmentfonds für die private Altersvorsorge sparen.
Faktor könnte bei Besserung an der Zinsfront wieder steigen
Die Versicherer können sich nicht auf das Auf und Ab der Dividendentitel verlassen, wenn sie ab Rentenbeginn Monat für Monat lebenslang eine verlässliche Rente auszahlen wollen. Vielmehr müssen die gemachten Zusagen schon jetzt mit einem gewissen Garantiekapital unterlegt werden. Je niedriger die Zinsen, desto mehr muss es sein.
Beim Marktführer Allianz sind Kunden betroffen, die ihre Police zwischen 2001 und 2011 abgeschlossen haben. Ein Allianz-Kunde sagt, dass ihm jetzt beim Rentenfaktor nur noch 38 statt 44 Euro in Aussicht gestellt werden. Wenn er bis zum Rentenbeginn 100.000 Euro angespart hat, bekommt er monatlich 380 statt ursprünglich 440 Euro Rente.
„Wir wollen mit einer Senkung verhindern, dass immer größere Teile des Geldes der Kunden in zinsarme Anlagen fließen müssen“, sagt Franz Billinger von der Allianz. Außerdem könne der Rentenfaktor wieder steigen, wenn sich die Lage an der Zinsfront verbessert.
(*Namen geändert)