Kneipen, in denen zuerst die Plätze am Tresen besetzt sind, ein Sparfach an der Wand hängt und sich der Großteil der Gäste kennt und mit dem Vornamen anspricht, davon hatte früher jeder Bremer Stadtteil ein paar. Sie sind inzwischen immer seltener geworden. Das war eigentlich der Hauptgrund, weshalb Karin Boist und Angelika Mai seit bald fünf Jahren ihre eigene Kneipe betreiben – das „Bleib treu“ in der Straße Am Hulsberg.
„Wenn eine Kneipe dichtmacht, dann geht da meistens ein Kiosk oder Friseur rein – davon gibt es inzwischen genügend“, finden die beiden Kneipenbetreiberinnen. „Nichts gegen den Kiosk und Friseur, wir wollten aber vor allem, dass den Stammgästen ihre Kneipe erhalten bleibt – deshalb haben wir den Laden übernommen, als er uns angeboten wurde.“ Angelika Mai kannte das Bernie’s – so hieß der Laden vorher –, sie hatte dort bereits zwei Jahre nebenbei gearbeitet.
"Nur Politik hat nichts am Tresen verloren"
Sich mit einer Kneipe selbstständig zu machen, das war nie das Berufsziel. „Das ist letztlich ein Zufall gewesen – aber ein schöner“, so Angelika Mai. Gastronomieerfahrung haben beide reichlich: Angelika Mai, die vorher als Schwesternhelferin gearbeitet hatte, war fast drei Jahrzehnte hauptberuflich im Restaurant Comturei in der Bremer Innenstadt tätig. Dort hatten sich die beiden Bleib-treu-Betreiberinnen auch kennengelernt – Karin Boist, hauptberuflich war sie Arzthelferin bei einem Orthopäden, hatte in dem Restaurant-Kellergewölbe aus dem 13. Jahrhundert einen Nebenjob.
„Vor allem geht man den Weg in die Selbstständigkeit normalerweise, wenn man etwas jünger ist“, sagt Karin Boist, die zu dem Zeitpunkt 62 Jahre alt war. Grundvoraussetzung sei für einen Job in der Gastronomie, dass man Spaß daran habe, mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben, so Angelika Mai, die bei der Übernahme der Kneipe 51 Jahre alt war. „Und den Spaß haben wir immer noch“ – da spiele das Alter eben doch keine Rolle. „Man redet viel über die Dinge des Alltags, lacht, manchmal gibt es auch traurige Momente, eigentlich geht es um alle Themen – nur Politik hat nichts am Tresen verloren. Und wenn die Stimmung passt, wird auch mal getanzt.“ Musik gebe es manchmal, wenn es die Zeit erlaube, auch nach Wunsch.
Die Selbstständigkeit sei schon ein anderes Arbeiten im Vergleich zum Angestelltensein, so Angelika Mai und Karin Boist. Im Grunde genommen sei man permanent in irgendeiner Form mit dem Laden beschäftigt. „Wer gerne oft und lange in den Urlaub fährt, der sollte die Finger von einer Kneipe lassen.“ Das „Bleib treu“ ist jeden Tag geöffnet. Das funktioniere aber auch deshalb, „weil wir noch zwei tolle Kolleginnen haben.“ Dass nur Frauen hinterm Tresen stehen, dahinter stehe kein Konzept, das sei Zufall, sagt Angelika Mai. „Beim Wareneinkauf haben wir dafür männliche Unterstützung. Wir sind ein super Team – das ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gastronomie.“
Bei Heimspielen ist die Kneipe auch Anlaufpunkt für Fußballfans
Das Publikum sei sehr gemischt. „Vom Alter sind die meisten Gäste aber deutlich im letzten Jahrhundert geboren“, so Karin Boist. „Es kommen auch mal jüngere Gäste – die kennen eine solche Kneipe gar nicht mehr, und meistens war das auch nicht deren letzter Besuch.“ „Sportlich“ geht es im „Bleib treu“ auch zu: „Es wird gerne mal geknobelt, und der eine oder andere spielt Darts“, sagt Angelika Mai. Auch bei Heimspielen des SV Werder Bremen wird das „Bleib treu“ Anlaufpunkt von Fußballfans. „Wir sind aber keine typische Fußballkneipe, die sich von diesem Geschäft abhängig macht“, so Karin Boist. „Es kommen schon Fans vor oder nach dem Spiel vorbei – die mischen sich aber mit dem normalen Publikum oder gehören ohnehin zu den Stammgästen.“ Wer das Fußballspiel im „Bleib treu“ live erleben möchte, der muss auf Bewegtbilder verzichten – das Spiel kann nur am Radio verfolgt werden.
Mit dem Sparklub wird zusammen essen gegangen
Den Gästen bieten die beiden Kneipenwirtinnen aber auch mal
Abwechslung vom Tresenalltag an. Mindestens zwei Mal im Jahr gibt es eine Mottoparty, mal ist es ein Schlagerabend, mal eine 70er-Jahre-Party, und mit dem Sparklub wird zusammen essen gegangen – auf Kosten des „Bleib treu“.
Ans Aufhören denken Angelika Mai und Karin Boist noch lange nicht: „Wir machen weiter, solange es Spaß macht und sich die Gäste wohlfühlen.“ Und das Wohlfühlen der Gäste kommt auch musikalisch immer wieder mal zum Ausdruck, wenn sich einer den Peter-Alexander-Song „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ wünscht, der im Refrain mit den Textzeilen „Da, wo das Leben noch lebenswert ist“ und „Dort in der Kneipe in unserer Straße, da fragt dich keiner, was du hast oder bist“ weitergeht und gerne mal von den Gästen mitgesungen wird.