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Made in Bremen „Wir haben Pionierarbeit geleistet“

Green oder Slow Fashion, also Kleidung, die ökologischen Kriterien entspricht und soziale Mindeststandards einhält, liegt voll im Trend. Susanne und Kemal Bektas produzieren und verkaufen Öko- und Biomode.
11.06.2017, 00:00 Uhr
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Von York Schaefer

Als Susanne und Kemal Bektas 1993 ihr Unternehmen für Naturtextilien, Leela Cotton, gründeten, haftete nachhaltig produzierter Kleidung noch der Ruf einer gewissen Trutschigkeit an. Öko- oder Biomode ist zwar eine gute Sache und dient dem guten Gewissen, war aber früher oft zu teuer, dazu grau, unförmig und unsexy.

„Das Thema Ökologie war damals fast nur im Nahrungsmittelbereich bekannt, kaum jemand interessierte sich für Naturtextilien“, erinnern sich Susanne und Kemal Bektas an die Gründerjahre von Leela Cotton. Inzwischen ist Green oder Slow Fashion, also Kleidung, die ökologischen Kriterien entspricht und soziale Mindeststandards einhält, voll im Trend.

Zwar liegt laut Greenpeace der Umsatz von Biokleidung noch deutlich unter dem von Biolebensmitteln, aber selbst große Modeketten wie H & M oder C &A sind in das Geschäft mit biologisch angebauter Baumwolle eingestiegen. Green Fashion gilt zunehmend als schick, entsprechende Modestrecken in Zeitschriften sind Standard.

"Hier weiß ich, dass ich eine vernünftige Sache mache"

Nun dürfte der Druck ausgefallene, schicke Mode für den Laufsteg zu produzieren, bei Leela Cotton nicht ganz so hoch gewesen sein. Das Handelsunternehmen für Artikel aus Biobaumwolle entwirft und vertreibt vor allem Kinder- und Yogakleidung sowie Nachtwäsche und Bademäntel. Dazu kommen unter der Marke „Albero“ Unterwäsche, T-Shirts und Socken für eine jüngere erwachsene Kundschaft.

Besuch im Unternehmen in der Bremer Neustadt, ein schmuckloser dreistöckiger Gebäudekasten nahe der Neuenlander Straße. Ein karger Hausflur im zweiten Stock und,wie als Kontrast, hinter der Eingangstür die wohnlichen Büroräume der Firma. Der Flur dient als eine Art Showroom mit bunt gestreifter Kinderkleidung in Holzregalen, an Bügeln und in Bastkörben. In beiden Büros steht ein Klavier mit Familienfotos drauf, daneben Saxophon und Notenständer.

Berufliches und Privates verschmelzen bei Leela Cotton, hier wird gearbeitet und auch mal gefeiert und Musik gemacht. Eine Art private Nachhaltigkeit. Schon der Firmenname zeigt die Verbindung zwischen Job und Familie: „Leela“ bedeutet auf Sanskrit „Göttliches Spiel“, Kemal Bektas’ Großmutter hieß Leyla, seine älteste Tochter hat der 59-jährige gebürtige Türke ebenfalls so genannt.

„Nachhaltigkeit und Ökologie fand ich schon damals spannend“, sagt Bektas, ein Mann mit sanften Gesichtszügen, der mit weißem Hemd, Strickjacke und graumeliertem halblangen Haar dem klassischen Bild des türkischen Intellektuellen entspricht.

An der Wand in seinem Büro hängt ein Foto des Zigarre rauchenden Che Guevara. Seit 1976 lebt Bektas in Deutschland. Über Köln, wo er 1984 sein Architektur-Studium abschloss, kam er für einen Job nach Bremen. Als sein Bruder damals T-Shirts für Greenpeace produzierte, haben auch Kemal und Susanne Bektas ihr Interesse für die Textilbranche und das Thema Nachhaltigkeit entdeckt.

„Wir haben da schon Pionierarbeit geleistet. Die Kunden mussten von der Qualität und der Sinnhaftigkeit unserer Produkte erst überzeugt werden“, erzählt Susanne Bektas mit einem gewissen Stolz von den ersten Modemessen, auf denen sich das damals noch junge Unternehmen präsentierte. Ihren Job als Französisch-Lehrerin hat sie für Leela Cotton aufgegeben.

Produzieren lässt das Unternehmen mit zehn Mitarbeitern und Firmenkunden aus ganz Europa und Japan in der Stadt Pergamon in der Nähe von Izmir. Alle sechs Wochen ist Firmenchef Kemal Bektas vor Ort. Anbau, Verarbeitung und Konfektionierung – der gesamte Produktionsprozess spielt sich in der Region innerhalb von 100 Quadratkilometern ab.

Ohne die kurzen Wege wäre keine nachhaltige Produktion möglich. „Es gibt mittlerweile viele Anbieter, die Produkte aus Biobaumwolle zu extrem günstigen Preisen verkaufen. Das geht nur, wenn an den Herstellungskosten gespart wird“, erklärt Bektas, der anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums in 2018 gerade eine spezielle Kollektion mit den Bremer Stadtmusikanten für Kinderkleidung entwirft.

Die Produktion unterliegt strengen Richtlinien

Leela Cotton ist nach den Global Organic Textile Standards (Gots) zertifiziert, einem auch von Umweltverbänden wie Greenpeace anerkannten Label für Nachhaltigkeit. Die Produktion in Pergamon unterliegt strengen Richtlinien, die jährlich neu überprüft werden – angefangen beim Anbau der Baumwolle bis zum fertigen Sweatshirt.

Soziale und ökologische Standards, wie existenzsichernde Löhne und der Verzicht auf Pestizide, gehören zu den Kriterien, die ein Gots-zertifiziertes Unternehmen erfüllen muss. „Hier weiß ich, dass ich eine vernünftige Sache mache. Auch für meine kleine Umwelt“, sagt Kemal Bektas stolz.

Die diplomatischen Verwerfungen zwischen der Türkei und Deutschland haben sich bisher nur leicht auf das Geschäft von Leela Cotton ausgewirkt. Einmal habe man einen Stoff für eine Winterkollektion nicht bekommen, da ein Zulieferer in der Türkei schließen musste. „Es ist eine kleine Krise“, sagt Kemal Bektas.

Der Jahresumsatz des Unternehmens liegt bei etwa 800 000 Euro. Mit dem anstehenden Generationswechsel um Bektas’ Neffen Celal soll der Umsatz auf eine Millionen Euro steigen. „Wir haben sehr hart gearbeitet und hätten auch stärker wachsen können, aber ein Wachstum um jeden Preis wollten wir nicht“, betont Susanne Bektas. Auch im persönlichen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit zählt bei Leela Cotton die Nachhaltigkeit.

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