Am Tag nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten des Bremer Industrie-Clubs ist Kai Brüggemann schon wieder auf dem Weg nach Rotterdam – gewöhnlicher Geschäftsalltag für den freien Unternehmensberater. Brüggemann hatte schon viele verschiedene Top-Positionen in der Wirtschaft inne, doch Bremen ist der gebürtige Bremerhavener immer treu geblieben.
Lediglich als er von 2007 bis 2008 beim Schweizer Luft- und Raumfahrtzulieferer Ruag arbeitete, ließ er sich dort nieder. Davor und danach war er für Airbus tätig. 2008 wurde er Standortleiter in Bremen, danach ab 2013 Standortleiter in Hamburg. 2016 wurde er schließlich Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn im Fernverkehr und hielt Bremen auch dann die Treue. Seitdem er Ende 2018 das Unternehmen verließ, arbeitet er als freier Unternehmensberater.
Wenn der gelernte Ingenieur, der seine Dissertation über „Methoden des Qualitätsmanagements beim Gesenkschmieden“ schrieb, früher auf einer Party gefragt wurde, was er denn beruflich mache, waren während seiner Zeit bei Airbus die Reaktionen positiv interessiert: „Da hat beim Gesprächspartner die Faszination überwogen“, erinnert sich Brüggemann. Als er für die Deutsche Bahn arbeitete, sei das eher weniger der Fall gewesen. Brüggemann lacht, während er das erzählt.
Nun will er den Bremer Industrie-Club voranbringen. Mitglied des Vorstands ist er bereits gewesen, Brüggemann gehörte zu den drei Personen, die einwilligten, sich wieder aufstellen zu lassen. Von den zehn Vorstandsmitgliedern war er als einziger bereit, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Am Mittwochabend wählten ihn die Mitglieder in das Amt – offensichtlich wünschten sie sich Kontinuität, nachdem Brüggemanns Vorgänger Günther W. Diekhöner nach acht Jahren nicht nochmals antreten wollte.
Der neue Präsident macht sich grundsätzliche Gedanken: „Was bedeutet Industrie eigentlich in Zeiten der Digitalisierung?“ Er stellt sich dabei die Frage, wie der Industrie-Club, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Bremen als wettbewerbsfähigen und dynamischen Wirtschaftsraum zu stärken, in Zukunft mit Start-ups umgeht, die anders als viele traditionsreiche Unternehmen aus der „Old Economy“ noch keinen reichen Erfahrungsschatz vorweisen können.
Von dem Fachwissen, das sich im Bremer Industrie-Club versammelt, könnten die jungen Unternehmen profitieren, glaubt Brüggemann. Darüber will er sich zusammen mit seinen neu- und wiedergewählten Vorstandsmitgliedern auf einer Klausurtagung noch in diesem Jahr Gedanken machen. Der neue Vorstand sei aus verschiedenen Branchen zusammengesetzt und breit gefächert. „Das ist auch so gewollt“, sagt Brüggemann.
Ein Höhepunkt für den Industrie-Club ist jedes Jahr im November das Roland-Essen im Bremer Rathaus, bei dem eine bekannte Persönlichkeit die Rede hält. Da bewies der Industrie-Club mehrfach Gespür. Zuletzt war der BKA-Chef und Bremer Holger Münch Ehrengast, davor der ehemalige Siemens-Manager Michael Westhagemann, der inzwischen Wirtschaftssenator in Hamburg ist.
Die notwendige Ausdauer
2016 war Hannelore Kraft (SPD) Gastrednerin, die frühere Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Auch Joachim Gauck, der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und der ehemalige Bahnchef Hartmut Mehdorn kamen schon. Abzuwarten bleibt, ob Brüggemann wie sein Vorgänger acht Jahre an der Spitze des Industrie-Clubs stehen wird. Auf alle Fälle hat er als leidenschaftlicher Rennradfahrer und ehemaliger Leistungsschwimmer die notwendige Ausdauer dafür.