Herr Neubert, ihr Unternehmen hat die erste deutsche Offshore-Ausschreibung mit Null-Cent-Offerten gewonnen. Die nächste Ausschreibung wird im Frühjahr 2018 stattfinden. Gehen Sie dann wieder mit null Cent Einspeisevergütung ins Rennen?
Martin Neubert: Ich kann leider nicht in die Glaskugel schauen. Jeder Anbieter muss seine betriebswirtschaftlichen Kalkulationen machen. Wir arbeiten schon an unserem Angebot, aber wir haben noch keine fertige Offerte in der Schublade liegen. Ich gehe davon aus, dass unsere Wettbewerber die Sache ähnlich angehen.
Aber die Flächen in Nord- und Ostsee, wo die Windräder errichtet werden, sind bekannt, und wir wissen auch, dass eine Kapazität von insgesamt 1610 Megawatt ausgeschrieben wird. Da müsste doch klar sein, zu welchen Kosten Sie dort Windräder ins Meer stellen können?
Aber vieles ist unklar – insbesondere wer letztlich ein Angebot abgibt. Und davon wird letztlich auch der Zuschlagpreis abhängen. Schließlich können auch schon vergebene Projektflächen noch den Eigentümer wechseln. Das kann dann das Bieterverhalten maßgeblich beeinflussen.
Noch einmal die Frage: Können wir damit rechnen, dass es dauerhaft Zuschläge mit sehr niedrigen Einspeisevergütungen geben wird? Wird Offshore die günstige Art Strom zu erzeugen?
Das ist ganz klar unsere Hoffnung. Wir wollen dauerhaft subventionsfrei Strom erzeugen und ihn zu Marktpreisen verkaufen. Da soll die Reise hingehen. Wir müssen die Offshore-Branche weiter industrialisieren. Das ist die beste Lebensversicherung für die weitere Entwicklung der Erneuerbaren.
Wie kam diese enorm schnelle Kostensenkung zustande? Vor drei Jahren wurde noch vor Offshore-Strom als der teuersten erneuerbaren Energie gewarnt. Damals wurde noch von Einspeisevergütungen von 19 Cent gesprochen.
Die subventionsfreien Angebote in der jüngsten deutschen Auktion waren auch wegen einer Reihe von Besonderheiten möglich. Unter anderem kann bei den neuen Projekten schon bestehende Netz-Infrastruktur auf See genutzt werden. Die Antwort auf die Frage, ob wir schon jetzt in einer zwangsläufig subventionsfreien Offshore-Windwelt angekommen sind, ist ganz klar: Nein. Wir haben es mit langen Vorlaufzeiten zu tun. Bei den Null-Cent-Zuschlägen geht es um Projekte, die wir und EnBW 2024 und 2025 ans Netz anschließen müssen. Deshalb können wir mit einer neuen Turbinentechnologie planen, die heute noch gar nicht zur Verfügung steht, aber in sieben, acht Jahren wird das der Fall sein. Diese Turbinen werden eine doppelt so hohe Kapazität wie die Turbinen haben, die wir heute verbauen – die noch eine Leistung von sechs bis acht Megawatt haben.
Windräder mit 13 bis 15 Megawatt: Was ist dabei der Clou?
Da ist so ähnlich wie mit der Entwicklung der Smartphones. Auch da gibt es eine technische Entwicklung, die jede neue Generation etwas leistungsfähiger gemacht hat. Wobei, ehrlich gesagt, auch echte Brancheninsider aus dem Offshore-Wind-Bereich nicht vorausgesehen haben, dass die Entwicklung so zügig und in solchen großen Schritten verlaufen wird. Es kommt bei den Kostenkalkulationen maßgeblich auf die einzelne Anlage an.
Wie meinen Sie das?
2014 haben wir unseren bislang größten Offshore-Windpark, London Array in Großbritannien, eröffnet. Der besteht aus 173 Windrädern mit 173 Fundamenten im Meer und 173 Anschlusskabeln. Der Park hat eine Leistung von insgesamt 630 Megawatt. Jetzt bauen wir mit Hornsea 1, ebenfalls in Großbritannien, einen Park mit 1200 Megawatt. Das ist eine Verdopplung der Erzeugungskapazität, aber das geschieht mit der gleichen Anzahl von Windrädern. Daran können Sie erkennen, dass die Errichtung dieses Windparks aufgrund der Skaleneffekte erheblich preisgünstiger ist als es bei London Array der Fall war. Die Rotoren werden größer, damit erhöhen sie die Stromausbeute pro Windrad. Anfang der 90er Jahre hatten unsere ersten Anlagen einen Rotordurchmesser von 35 Metern. Heute arbeiten wir mit 170 Metern – das ist fast das Fünffache.
Diese technische Entwicklung und die Umstellung der Erneuerbaren-Förderung auf Ausschreibungen sorgen für einen erheblichen Kostendruck in der Branche. Werden wir in der Windbranche in zehn Jahren nur noch einige wenige große Betreiber und Hersteller sehen?
Da darf man nicht nur eng auf Deutschland schauen. Die Windbranche ist eine globale Industrie. Und es ist eine Industrie mit einer enormen Wachstumsdynamik. Den größten Teil unserer Wettbewerber sehen wir auch in Großbritannien, in den Niederlande, den USA und in Asien. Das gilt auch für unsere Lieferanten. Die Zahl der Akteure hat sich in den vergangenen drei, vier Jahren verdoppelt. Das gilt für die Turbinenhersteller, aber auch für die Anbietern von Kabeln. Oder bei den Installationsschiffen, da ist die Zahl der Anbieter so stark gestiegen, dass wir derzeit sogar ein Überangebot haben. Die Gefahr eines Oligopols sehe ich nicht.
Ist bei dieser Entwicklung überhaupt noch eine staatliche Förderung notwendig?
Richtig ist, wir müssen uns weniger Gedanken über die Förderung machen. Was die Hersteller der Turbinen und die Zulieferer brauchen, ist Planbarkeit. Firmen wie Siemens, Vestas oder General Electric fangen nicht einfach damit an, für viel Geld neue Turbinen zu entwickeln. Es muss zum Beispiel sichergestellt werden, dass es Netzanschlüsse an Land gibt. Deshalb muss die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Das geschieht vor allem über die Festlegung von Ausbauzielen. Diese wurden in der jüngsten Version des EEG aber leider nach unten geschraubt. Das ist Förderung mit angezogener Handbremse.