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Biologisches Experiment Frisches Gemüse aus der Antarktis

Bei minus 30 Grad und Dunkelheit wachsen normalerweise keine Tomaten. In einem Forschungslabor in der Antarktis testen Wissenschaftler jedoch genau das. Ihr Ziel: Frisches Gemüse für künftige Mars-Missionen.
08.12.2021, 15:33 Uhr
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Frisches Gemüse aus der Antarktis
Von Christoph Barth

Jess Bunchek hat einen Garten. Dort züchtet sie Tomaten, Gurken, Broccoli, Radieschen und Blattsalat. Vorläufige Erntebilanz für dieses Jahr: 260 Kilogramm Gemüse. Was recht erstaunlich ist, denn der Garten liegt in der Antarktis, wo von alleine nicht einmal ein Büschel Moos wächst. Deswegen ist Jess Buncheks Garten in einem Container untergebracht, in dem High-Tech-Apparate dafür sorgen, dass Tomaten auch bei minus 40 Grad gedeihen. Der Härtetest im Eis ist ein Probelauf für künftige Reisen in ähnlich unwirtliche Regionen: zum Mond oder zum Mars.

Den antarktischen Winter mit neun Wochen Dunkelheit haben Bunchek und die anderen neun Überwinterer der deutschen Forschungsstation Neumayer III inzwischen hinter sich. Die Sonne scheint wieder über dem unendlichen Weiß der Antarktis. "Es ist einfach wunderbar, in der totalen Isolation hier Pflanzen um sich herum zu haben", berichtet Bunchek in einer Videoschalte aus dem Eis. Seit fast einem Jahr lebt die Botanikerin bereits in der Forschungsstation, davon die meiste Zeit komplett abgeschnitten vom Rest der Welt. Wenn trotzdem einmal frisches Pesto auf den Tisch kommt, hergestellt mit Basilikum aus Buncheks Gewächshaus, ist die Freude groß. "Das schönste ist, die anderen dabei zu beobachten, wie sie daran riechen und es probieren", berichtet die Wissenschaftlerin freudestrahlend. Und wenn die Gurkenpflanzen in ihrem Gemüsecontainer dann sogar kleine Blüten bekommen, fühlt sie sich in der Antarktis fast schon heimisch.

Dabei ist die Freude über blühendes Gemüse nicht der Hauptzweck des Experiments. Denn hinter dem Großversuch stehen die US-Raumfahrtagentur Nasa und das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen. Sie wollen mit dem Projekt "Eden ISS" herausfinden, ob und wie sich vitaminreiche Kost an Orten züchten lässt, wo sonst nichts wächst. Zum Beispiel auf dem Mars. "Dort hätten wir ähnliche Bedingungen wie in der Antarktis", meint DLR-Projektleiter Daniel Schubert. "Deshalb sind wir froh darüber, unser System im Eis testen zu können."

Wenn Menschen eines Tages zum Mars fliegen und dort einige Zeit leben sollten, könnten sie kaum genug Nahrungsmittel für die lange Reise mitnehmen. "Astronautennahrung ist generell nicht schlecht", sagt Raymond Wheeler, Pflanzenphysiologe am Kennedy Space Center der Nasa in Florida. "Das Problem ist, das wichtige Vitamine mit der Zeit zerfallen, zum Beispiel Vitamin C oder B1." Auch andere Nährstoffe wie Kalium sind auf Dauer in der Fertigkost aus der Tube unterrepräsentiert.

Deshalb wäre es für eine Marsmission unerlässlich, dass sich die Astronauten zumindest teilweise selbst  mit vitaminreicher Kost versorgen. Bei Temperaturschwankungen von plus 20 bis minus 80 Grad, ohne Regen und ohne fruchtbare Böden ist das auf dem "roten Planeten" jedoch gar nicht so einfach. "Frische Nahrungsmittel wird man deshalb in Treibhäusern gewinnen müssen", erklärt DLR-Projektleiter Schubert.

Und ein solches Treibhaus ist "Eden ISS" – der Container, in dem Jess Bunchek ihre Tomaten züchtet. Seit vier Jahren steht er etwas abseits der Neumayer-III-Station im Eis. Eine ausgeklügelte Technik versorgt die Pflanzen dort mit Licht, Wärme, Dünger und Nährstoffen, so dass in der Antarktis jetzt sogar Paprika, Chili und Senf wachsen. "Am schwierigsten war es mit dem Spinat", berichtet Bunchek. "Dem war es hier drinnen vielleicht zu warm."

Die Ernte dieses Jahres – 260 Kilogramm frisches Gemüse bislang – ist ein Rekordergebnis. „Noch nie konnten wir mit ,Eden ISS' so viele verschiedene Gemüse- und Kräutersorten während einer Überwinterungsmission züchten“, resümiert Projektleiter Schubert. Dabei sammelten die Wissenschaftler zudem eine Unmenge von Daten und Pflanzenproben, die nun ausgewertet werden. Das große Ziel: Auch auf dem Mars soll irgendwann frischer Tomatensalat auf den Tisch. Am Gemüse jedenfalls wollen die Wissenschaftler ihre Mission nicht scheitern lassen.

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