Vier nordwestdeutsche Zeitungsverlage gehen juristisch gegen Radio Bremen vor. Der Grund: Die Verlage sind der Meinung, dass der Sender gegen eine elementare Regel des Rundfunkstaatsvertrages verstößt.
Vier nordwestdeutsche Zeitungsverlage gehen juristisch gegen Radio Bremen vor. Der Sender verstößt nach ihrer Auffassung gegen eine wesentliche Regel des Rundfunkstaatsvertrages: Sie verbietet den öffentlich-rechtlichen Sendern, im Internet Beiträge, die sich nicht auf eigene Sendungen beziehen, „presseähnlich“ zu präsentieren.
Auf „radiobremen.de“ stehen jedoch „nicht-sendungsbezogene Textangebote im Vordergrund“, finden die Verlage. Sie beklagen vor allem „eine fast ausnahmslos aus zeitungsähnlich aufgemachten Texten und stehenden Bildern bestehende pressetypische Berichterstattung“. Diese konzentriere sich auch noch „schwerpunktmäßig auf Bremen, Bremerhaven und das Umland“.
Bremer Tageszeitungen AG (Weser-Kurier, Bremer Nachrichten), Nordsee-Zeitung, DK Medien (Delmenhorster Kreisblatt) und der Osterholzer Zeitungsverlag fordern deshalb von Radio Bremen bis zum 21. März eine Unterlassungserklärung. Sie soll „strafbewehrt“ sein, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen. Geht der Sender darauf nicht ein, werden die Verlage „zeitnah“ Klage erheben.
Zeitungsverlage empfinden es als unfair
Der Rundfunkstaatsvertrag der Länder regelt, was öffentlich-rechtliche Sender in ihren Hörfunk- und Fernsehprogrammen anbieten dürfen, aber auch ihr „Telemedienangebot“. Das ist ihr Auftritt im Internet, und darüber wird seit mehr als fünf Jahren durch alle Instanzen gestritten. Die Zeitungsverlage empfinden es als unfaire Wettbewerbsverzerrung, wenn die Sender im Netz Inhalte anbieten, die gar keinen Bezug mehr zu ihren Sendungen haben. Denn die Sender finanzieren dies durch die Zwangsgebühren aller Rundfunkempfänger.
Ende 2010 ging die „Tagesschau“-App an den Start; nach Angaben der ARD wurde sie seitdem mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen. Schon 2011 klagten gegen diese App acht Verlage. Man kritisierte die presseähnliche Aufmachung von Beiträgen, die sich nicht auf Sendungen der ARD bezogen.
Schließlich entschied das Landgericht Köln Ende September 2012, dass die App zu presseähnlich und damit verboten sei. Der Haken: Das Urteil bezog sich nur auf einen einzigen Tag, nämlich die Inhalte der App vom 15. Juni 2011. Grundsätzlich sei die App jedoch nicht zu beanstanden. Das bestätigte auch das Oberlandesgericht (OLG), also zogen die Verleger vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Mehr Video- und Audiodateien, weniger lange Texte
Der BGH betonte in seinem Urteil vom 30. April 2015, dass das Verbot der Presseähnlichkeit im Rundfunkstaatsvertrag vor allem unlauteren Wettbewerb verhindern soll. Er erkannte also an, dass auch öffentlich-rechtliche Sender Markt-Konkurrenten der Zeitungsverlage sind. Zudem machte der BGH deutlich, worauf es beim Begriff „presseähnlich“ ankommt: die Gestaltung. Telemedienangebote, die sich nicht auf eigene Sendungen beziehen, dürfen nicht durch lange Texte und stehende Bilder geprägt, sondern müssen hörfunk- oder fernsehähnlich sein. Im Internet heißt das: mehr anklickbare Videos und Audio-Dateien, weniger lange Texte. Nach diesen Kriterien sollte das OLG Köln erneut prüfen.
Wieder ging man von der „Tagesschau“-App am 15. Juni 2011 aus, wieder stellte man fest, dass sie zu presseähnlich ist und so gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstößt. Aber dieses Urteil des OLG vom 30. September 2016 verpflichte die öffentlich-rechtlichen Sender auch, „sich künftig an der Rundfunkstaatsvertrag zur halten“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, Dietmar Wolff. Soll heißen: Die Kriterien, nach denen die „Tagesschau“-App vom 15. Juni 2011 beurteilt wurde, gelten für sämtliche Internet-Auftritte aller ARD-Anstalten.
Texte informieren umfassend
Das Urteil „hätte für Radio Bremen Anlass sein müssen, das unter ,radiobremen.de‘ abrufbare Telemedienangebot mit Blick auf das Kriterium der Presseähnlichkeit kritisch zu überprüfen“, meinen nun die vier norddeutschen Verlage. Statt einer grundlegenden Neuausrichtung mache der Sender aber auf seiner Homepage weiterhin reichlich Angebote, die „verbotenerweise wie Zeitungsartikel aufgemacht sind“.
Die vier Zeitungsverlage haben das Angebot vom 16. bis 20. Januar gespeichert und verweisen beispielhaft auf das Angebot vom 16. Januar am Nachmittag und frühen Abend. Auf der Homepage von Radio Bremen stößt man zunächst auf die Rubriken Nachrichten, Sport, Politik und Wirtschaft, Kultur, Wissen und Gesellschaft. Das zumindest entspricht weitgehend der klassischen Einteilung gedruckter Zeitungen. In den teils recht langen Texten findet man natürlich auch abrufbare Videos und Audio-Dateien. Man braucht sie jedoch nicht unbedingt, da der Text schon umfassend informiert. Genau auf diesen Umstand wies auch der Kölner Vorsitzende Richter Hubertus Nolte hin, als es um das Urteil über die „Tagesschau“-App ging – am Ende zulasten der ARD.