Bremen. Für die wirtschaftlich angeschlagene Beluga-Reederei ist ein zweiter Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt worden. Überbracht hätten ihn die vom US-Finanzinvestor Oaktree eingesetzten Beluga-Geschäftsführer Roger Iliffe und Heiko Keppler, hat das Bremer Amtsgericht mitgeteilt.
 
Betroffen ist dieses Mal das Unternehmen Beluga Shipping GmbH mit mehr als 220 Mitarbeitern, die Dachgesellschaft für das gesamte operative Geschäft der Reederei. Bereits gestern war für das Tochterunternehmen „Beluga Chartering“ Insolvenz beantragt worden, zuständig für die Befrachtung der Schiffe.
Zuvor hatten die Investoren angesichts der Krise und der gescheiterten Verhandlungen mit Oaktree alle Verträge gekündigt und nahezu alle Schiffe abgezogen – damit hat die Reederei ihre wirtschaftliche Grundlage verloren. Nun wird erwartet, dass in den nächsten Tagen auch die restlichen Unternehmensteile in die Insolvenz folgen werden.
 
Für Firmengründer Niels Stolberg, erst vor zwei Wochen von Managern des US-Finanzinvestors und Beluga-Gesellschafters Oaktree abgelöst und des Hauses verwiesen, muss der gestrige Tag einer der schwersten seines Lebens gewesen sein. Seine Reederei vor dem finanziellen Ruin, er selbst des schweren Betrugs beschuldigt. Oaktree, nach dem Ausscheiden Stolbergs bei Beluga an der Macht, hatte den Reeder wegen angeblicher Bilanzfälschung angezeigt.
Am Mittwoch wurde er erstmals drei Stunden lang vernommen, anschließend sagte er wartenden Reportern: "Mein Unternehmen, die Beluga Shipping, ist heute in die Insolvenz gedrückt worden. Das ist ein ganz bitterer Tag." Zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schwieg er. "Wir warten erst mal ab."
Wie es mit Beluga weitergeht, hängt ab sofort auch von dem vom Amtsgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter ab. Um 16 Uhr rückte der Bremer Anwalt Edgar Grönda mit einem zehnköpfigen Team in die Reedereizentrale auf dem Teerhof ein und übernahm die Aufsicht über das weiter von den Oaktree-Managern betriebene operative Kerngeschäft von Beluga, die Befrachtung. Oder was davon noch übrig ist.
Die Reederei hat erhebliche finanzielle Probleme, kommt Zahlungen nicht nach und hat immer mehr Verbindlichkeiten aufgehäuft. Der US-Investor Oaktree begründete dies gestern erneut mit den angeblich "erheblichen Unregelmäßigkeiten" in den Umsatzbilanzen und Liquiditätsrechnungen, die es zu Zeiten Stolbergs gegeben habe. Oaktree, wichtigster Beluga-Gesellschafter, hatte deshalb in den vergangenen zwei Wochen in Krisengesprächen versucht, den Gläubigern große Zugeständnisse abzuringen. Sie sollten zunächst drei Monate lang teilweise oder ganz auf ihre Forderungen verzichten.
Der harte Kurs verprellte jedoch vor allem die Emissionshäuser, die zwei Drittel der Beluga-Flotte finanziert und an die Reederei verchartert hatten. Sie zogen in den vergangenen Tagen ihre Schiffe von Beluga ab, der einstige Weltmarktführer hat inzwischen nach Informationen dieser Zeitung nur noch eine Handvoll Frachter zur Verfügung.
Vermögenswerte und Arbeitsplätze sichern
Ohne Schiffe aber keine Ladung, ohne Ladung keine Einnahmen: Mit dieser Situation muss sich Insolvenzverwalter Grönda jetzt auseinandersetzen. Sein Auftrag ist klar: Er soll Vermögenswerte und Arbeitsplätze sichern. Und er wird sich als erster unabhängiger Prüfer in die Geschäftsunterlagen einarbeiten. Von seinem Urteil wird es abhängen, ob der Reedereibetrieb fortgeführt werden kann.
Der gravierenden Probleme bei Beluga ist er sich sehr wohl bewusst. "Ein Insolvenzantrag spricht immer eine deutliche Sprache", sagte Grönda gestern unserer Zeitung. Doch der erfahrene Jurist hatte in der jüngeren Vergangenheit gerade in Bremen andere schwierige Fälle aus der maritimen Wirtschaft übernommen - und aus der Insolvenz geführt. Zuerst den Kreuzfahrtveranstalter Transocean Tours und danach den Yachthändler Drettmann.
Operative Geschäft halten
Als erste unabhängige Instanz wird sich Gröndas Team erst einmal in die Geschäftspapiere der Reederei vertiefen, um sich einen Überblick zu verschaffen und das operative Geschäft möglichst zu halten. Ein Insolvenzverfahren sei auch eine gute Möglichkeit, ein angeschlagenes Unternehmen wieder zu stabilisieren und mit allen Beteiligten über neue und auch bereits verworfene Optionen nachzudenken.
So könnte es unter anderem darum gehen, ehemalige Charterschiffe wieder zurück unter die Beluga-Flagge zu bringen. Ebenso dürften alle Verträge, Vermögenswerte und finanziellen Transaktionen neu bewertet werden. Stößt ein Insolvenzverwalter dabei auf unrechtmäßige Vorgänge zu Lasten des Unternehmens, kann er diese anfechten - in der Regel drei Monate rückwirkend.
Er werde sich mit allen "geschäftsführenden Organen" über Auswege aus der Krise unterhalten, kündigte Grönda an. Das ist natürlich in erster Linie das amtierenden Management von Oaktree. Das meint offenbar aber auch den "beurlaubten" Beluga-Gründer Stolberg, der zwar faktisch entmachtet, aber im Bremer Handelsregister formal noch immer als Geschäftsführer aller wichtigen Beluga-Gesellschaften geführt wird.
Hickel: US-Investor Oaktree hat Schwierigkeiten unterschätzt
Auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hatte früh für den Weg in die Insolvenz plädiert. "Mit Oaktree ging es nicht mehr, weil keiner der Geschäftspartner diesem Investor noch vertraut hat", sagte er. Das rüde Vorgehen habe eine mögliche Rettung von Beluga geradezu torpediert. Offenbar hätten die Manager des US-Investors die Schwierigkeiten unterschätzt und damit gezeigt, dass sie "wenig Ahnung vom Geschäft und von der Branche haben", so Hickel. Nun drohe der gesamten, eng verflochtenen Unternehmensgruppe die Insolvenz.
Oaktree hätte sich demnach komplett verzockt. Zwar beeilte sich eine Sprecherin gestern zu betonen, andere Beluga-Unternehmen seien von der Insolvenz nicht betroffen und es würden weiter Gespräche mit wichtigen Anteilseignern - den Banken - geführt. Dazu zählen mit einem Millionen-Engagement die Bremer Landesbank und die NordLB. Doch offenbar ist inzwischen auch die Geduld der Geldgeber erschöpft. Sie sollen ihrerseits den Gang zum Amtsgericht angedroht und damit den Insolvenzantrag letztlich erzwungen haben.