Jahrzehntelang lagen die 39 eng beschriebenen Schreibmaschinenseiten bei einem Neffen der Autorin, bevor sie der Bremer Historiker Daniel Tilgner entdeckte. Er editierte die Aufzeichnungen von Magdalene Krippner über die letzten Kriegstage 1945 in Bremen und die Zeit nach der Befreiung.
Krippner schreibt über Bombenangriffe und Artilleriebeschuss, über die schwierige Lebensmittelversorgung und Brennstoffbeschaffung und über die Sorge um ihre Angehörigen. Viele Stunden verbringt sie im Bunker in der Plöner Straße.
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Edition Temmen hat zum 80. Jahrestag des Kriegsendes jetzt eine Neuauflage von „Jede Stunde dem Schicksal abgestohlen – Das Brieftagebuch der Magdalene Krippner“ auf den Markt gebracht. Wir drucken einen Auszug:
"Ich bin lange nicht zum Schreiben gekommen. (…) Aber nun will ich doch mal einen frischen Anlauf nehmen. Vielleicht ist dies der richtige Ort, um einen Blick auf unsere Bunkergemeinschaft zu werfen. Lui und ich gehören in Kabine 302 auf der obersten Etage. Gott sei Dank hat unser Plöner Bunker ja nie seine Bombensicherheit unter Beweis stellen müssen. Einen schweren Volltreffer hätte ich ihm nicht zumuten mögen.
Marlene residierte auf der Treppe, wo auch Henschens, Hadelers und Frau Heimberg saßen, und Tante Thea hauste ganz unten unter der Fuchtel von 'Dicke Meyer', die dort Kammerordnerin war und unter dem Schlagwort 'Kommt ja gar nicht in Frage!' ein strenges Regiment führte. Diese Kabine war eigentlich nur ein Gang, und Tante Thea war dann noch in einem Winkel dieses Ganges. Es war dort womöglich noch finsterer als finster und für gewöhnlich eiskalt.
(…) Ich wollte diese Kabine immer den Poggenteich taufen nach einer Insassin, Frau Poggensee, aber diese Bezeichnung schien nicht Tante Theas Beifall zu finden. Eine wunderbare Zusammenstellung von Namen hatte sich hier zusammengefunden: Herr Spitzbart, Frau Pierek, Frau Pommerenie, Frau Poggensee…, übrigens saßen auch Lexows dort.
In unserer Kabine 302 standen vier Doppelbetten. In der Regel saßen oben und unten je vier Menschen, das macht 32. Auf drei Bänken fanden weitere zwölf Leute Platz, und der Rest saß auf Hockern dazwischen. Bei starker Besetzung waren 56 Menschen darin. Natürlich waren oft, besonders tagsüber, 'Gäste' da, aber überwiegend war die Stammkundschaft.
Kammeroberin war Frau Zapf, die immer gleich rechts neben der Tür einen sogenannten Sofaplatz hatte und meistens den Alarm verschlief. Sie war keine strenge Herrscherin wie 'Dicke Meyer'."