"Du gibst sofort das Geld wieder her." Mit diesem Satz hat Susanne Bohnhorst-Reichel ihrer 84-jährigen Nachbarin eine Menge Ärger erspart. Diese wurde fast zum Opfer eines Schockanrufs und hätte dabei 120.000 Euro verloren.
Der 6. Februar verlief für Susanne Bohnhorst-Reichel ganz normal – bis sie einen Anruf bekam. Eine weibliche Stimme rief "Mama" ins Telefon und da war der 68-Jährigen direkt bewusst, dass ihr eine Falle gestellt wird. Sie hat nämlich keine Tochter. Keine Stunde später brachte sie ihren Müll raus, als sie eine ungewöhnliche Situation sah. Ihre Nachbarin sprach mit einem unbekannten Mann, und dieser stand "aufdringlich nah" an der 84-Jährigen, sagte Bohnhorst-Reichel. Aus Instinkt heraus behielt sie die beiden im Blick. Nachdem die Nachbarin kurz weg war, hörte Bohnhorst-Reichel: "Aber Sie müssen das quittieren." Daraufhin fragte sie bei ihrer Nachbarin nach, ob alles in Ordnung sei. Der Mann an der Haustür – der eine Tüte mit Geld der Nachbarin bereits eingesteckt hatte, drehte sich zu ihr um – da hatte die 68-jährige Bremerin direkt den Verdacht, dass etwas nicht in Ordnung sei.
Verfolgung des unbekannten Mannes
Der Mann versuchte, wegzukommen. Jedoch verfolgte Susanne Bohnhorst-Reichel ihn und verlangte lautstark das Geld zurück. Zu ihrer eigenen Überraschung gab er ihr das Geld ohne Widerworte zurück. "Ich hatte kurz Angst, dass er ein Messer aus seiner Jackentasche holt, aber zum Glück nicht", so die 68-Jährige.
Nachdem sie ihrer Nachbarin das Geld wiedergegeben hatte, verfolgte sie den unbekannten Mann. "Das alles ging auch ganz schnell", betonte die Bremerin. Keine fünf Minuten dauerte die Verfolgungsjagd: Sie stieg in ihr Auto und fuhr dem Mann hinterher. Daraufhin verlor sie ihn kurz. In einer Parallelstraße war jedoch ein ähnliches Auto hinter ihr. Sie verließ ihr Fahrzeug und fotografierte das Kennzeichen. Als noch weitere Nachbarn hinzukamen, wurde ihr die Situation unangenehm. "Ich war mir mit den Tätern im Wagen nicht zu 100 Prozent sicher und es sollte nichts eskalieren", sagte Bohnhorst-Reichel.
Gemeinsam mit der Nachbarin hat sie die Tochter der 84-Jährigen angerufen. Es stellte sich heraus, dass die Betrüger behauptet hatten, die Tochter habe einen Autounfall verursacht, bei dem eine Person ums Leben gekommen sei und nun 120.000 Euro Kaution gezahlt werden müssten. Für Susanne Bohnhorst-Reichel sei die Situation schockierend gewesen. Erst später wurde ihr bewusst, wie gefährlich die gesamte Lage war. "In der Situation hatte ich aber keine Angst. Wäre ich ängstlich aufgetreten, hätte ich es nicht geschafft", sagte die Bremerin. Es war eine spontane Entscheidung, ihrer Nachbarin zu helfen. Sie kennen sich gut, und Bohnhorst-Reichel hat die 84-Jährige als "stets kluge und pfiffige Person" eingeschätzt. Umso erschreckender finde sie, dass die Aktion bei ihr funktioniert hat. "Es kann jedem passieren", betont sie.
Der Aussage schließt sich auch Innensenator Ulrich Mäurer an. "Es ist immer wieder der gleiche Ablauf", sagt er. Menschen reagierten in solchen Momenten oftmals aufgeregt und dächten nicht rational. Deswegen sei ein guter Rat, solch hohe Summen an Geld gar nicht erst im Haus zu haben.
Schutz vor Betrügern
Polizeipräsident Dirk Fasse betont, dass Susanne Bohnhorst-Reichel der Polizei "wertvolle Hinweise" gegeben hat. Der Täter wurde noch nicht gefunden, die Ermittlungen liefen. Wichtig in solchen Situationen sei es, eine zweite Person hinzuzuziehen. Diese könne dann in einer Notlage besser einschätzen, ob es sich um Betrug handelt oder nicht. "Schockanrufe oder der altbekannte Enkeltrick werden immer wieder verwendet", sagt Fasse. Daher sei es wichtig, Bürger wie Susanne Bohnhorst-Reichel zu haben, die ihre Mitmenschen beschützen. Als Dank erhält sie zwei Urkunden – eine vom Polizeipräsidenten und eine vom Innensenator. "Frau Bohnhorst-Reichel bietet ein positives Beispiel für alle Bürger", fasst Innensenator Mäurer zusammen.