Rapper Kool Savas über das Erwachsenwerden, aufdringliche Fans, Familienplanung und die Gemeinsamkeiten mit Xavier Naidoo.
Kool Savas ist zurück. Obwohl: Wenn man seiner eigenen Legende glauben schenkt, dann war er nie weg. Der gebürtige Aachener ist Deutschtürke, wuchs in der Türkei, Berlin und Aachen auf. Zu Beginn des neuen Jahrtausends war Savas Yurderi, so sein bürgerlicher Name, noch für eine neue harte Welle im Deutschrap mitverantwortlich. Jetzt veröffentlicht der nach eigener Aussage beste Rapper Deutschlands sein neues Album "Aura". Und ja: Seinen klaren Ansagen ist er bis heute treugeblieben. Neben dem typisch derben Savas-Flow hört man jetzt aber auch Ungewöhnliches: den belgischen Mädchenchor Scala etwa, auch Xavier Naidoo gewährt eine Audienz. "Aura" hat eigentlich alles, was Kool Savas braucht, um neben den Sidos und Bushidos dieses Landes nicht nur der beste, sondern auch der erfolgreichste Rapper zu werden. Aber das Business, so sagt der 36-Jährige im Gespräch, interessiert ihn ohnehin nicht mehr.
teleschau: Wenn es darum geht, den frühen Kool Savas mit dem heutigen zu vergleichen, heißt es immer, Du seiest erwachsener geworden. Ist das so?
Kool Savas: Wenn nicht, dann wäre ich ja "retarded", zurückgeblieben!
teleschau: Was motivierte Dich denn früher zu HipHop, was beschäftigt Dich heute?
Kool Savas: Gute Frage. Früher haben mich ganz andere Wünsche vom, ganz andere Erwartungen ans Leben bewegt und interessiert. Ich war glücklich, wenn ich Musik machen konnte, die mich unterhält. Da ging's nicht tiefer, da musste nicht viel mehr bei passieren, keine Gänsehaut oder so. Ich wollte auch niemand anderen berühren. Ich wollte schreiben und Spaß haben, auf Parties gehen und Leute kennenlernen. Das hat sich verändert, ich gehe nicht mehr raus. Für mich ist die Musik ernsthafter geworden. Auch die Sachen die ich sage, sage ich nicht mehr nur aus Fun heraus. Aber ich habe noch Spaß am Rappen und Erfinden.
teleschau: Du gehst nicht mehr raus?
Kool Savas: Ich gehe nicht mehr auf Partys. Nie. Zum Abspannen bleibe ich zu Hause. Fernseher, DVDs, Xbox zocken. In Berlin gehe ich manchmal in eine Shisha-Bar von einem Kollegen oder Essen. Zeit verbringen mit Menschen, die man mag.
teleschau: In einem Deiner neuen Songs rappst Du über Deinen Vater. Kennen Dich die Fans, die alle Deine Texte kennen, besser als andere?
Kool Savas: Die können so viel auswendig lernen, wie sie wollen. Mich kennen nur meine Freunde, die Freundin, Eltern, Geschwister. Aber ich will auch gar nicht, dass Fans mich kennen, ich kenne sie ja auch nicht. Dass ich Musik mache, ist für mich kein Argument, mich öffnen zu müssen. Die Leute bilden sich sowieso schon zu sehr ein, dass sie nah bei einem sind. Es ist eine Sache, jemanden zu mögen, weil einem dessen Musik etwas gibt. Aber die Person für sich zu beanspruchen, finde ich schon fast pervers.
teleschau: Fällt Dir ein konkretes Beispiel ein, wo Fans Dir zu nahe kamen?
Kool Savas: Ja, das passiert oft. Es gab da zum Beispiel mal eine Jungen, der aus Westdeutschland kam und rausfand, wo meine Eltern wohnen und zu denen nach Hause gegangen ist. Da rastete ich richtig aus und musste mich zurückhalten, ihm nicht eine zu geben. Das sagte ich ihm auch, er hat es verstanden, und ich merkte, dass er verwirrt ist. Das war nicht nur reine Fandreistheit. Wenn aber jemand frech redet, weise ich ihn in seine Grenzen.
teleschau: Wollen diese Menschen ein Teil Deines Lebens sein oder sehen sie etwas in Dir, was sie nicht haben oder sind?
Kool Savas: Ey, es gibt Leute, die schreiben einfach Briefe und sagen "Ich muss mich mit dir treffen, du musst mir helfen". Aber ich schulde diesen Personen gar nichts. Wenn sie Platten kaufen, tun sie das für sich, nicht für mich. Ich verdiene zwar daran, aber das ist eine Dienstleistung. Der Handwerker, der bei mir die Waschmaschine repariert, gehört deshalb ja auch nicht mir. Ich habe selbst Probleme, da muss ich mir nicht noch andere aufhalsen. Andere Menschen wollen sogar Geld geliehen haben. Und manche glauben, wenn ich nach zwei Stunden verschwitzt von der Bühne komme, dass ich es ihnen schuldig wäre, umgehend mit ihnen ein Foto zu machen. Wie respektlos.
teleschau: Apropos Respekt: Mit Deinen eindeutigeren Texten damals, war es da nicht schwer Mädels kennenzulernen?
Kool Savas: Mädels? Ich probiere gar keine kennenzulernen. Aber wenn du bekannt bist, ist Mädels kennenzulernen das Einfachste, das es gibt.
teleschau: Auch wenn die wissen, dass vor ihnen einer steht, der übers "Schwänze lutschen" rappt?
Kool Savas: Viele Frauen fahren auf genau das ab. Umso kontroverser du bist, umso mehr Rockstar du bist, umso mehr Weiber wirst du kennenlernen. In Zeiten von Facebook kann sogar jeder Vollidiot, der ein bisschen Musik macht und was darstellen will, Frauen kennenlernen. Ich tue das nicht, mein Facebook ist ein reines Businessprofil, nichts Privates.
teleschau: Wie lebt ein Kool Savas denn heute privat? Ganz brav mit Kind und Kegel?
Kool Savas: Ich habe noch keine Kinder, wünsche mir aber welche. Das strebe ich an, das wäre für mich auch ein triftiger Grund, mit der Musik aufzuhören. Vor meinem 40. Lebensjahr will ich Kinder haben. Mal gucken, ob mir dieser Wunsch gewährt wird.
teleschau: Mit dem Alter ändert sich scheinbar auch der Musikgeschmack. Hörst Du auch privat Xavier Naidoo?
Kool Savas: Natürlich, immer wenn er ein neues Album rausbringt.
teleschau: Also auch schon, bevor ihr für einen Deiner neuen Songs und euer geplantes gemeinsames Album zusammengearbeitet habt?
Kool Savas: Na klar. Ich war kein Fan, aber ich mochte schon immer, was er gemacht hat. "Schau mir nur einmal in die Augen" mag ich zum Beispiel. Oder "Wo willst Du hin?", einer meiner absoluten Favorites auf Deutsch. Ein Über-Killer-Song.
teleschau: Wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit?
Kool Savas: Es gab vor Jahren einen gemeinsamen guten Freund, der bei ihm Tourmanagement macht und mit dem auch ich öfter unterwegs war. Der sagte mir damals schon, dass Xavier Interesse hätte, mit mir ein Album zu machen. Und immer, wenn wir uns trafen, haben wir das Thema angeschnitten und überlegt, wann wir Zeit hätten. Dann fingen wir eine Sendung gemeinsam an, "Wir bieten mehr" hieß die, die wir leider bisher nicht zu Ende brachten. Wir wollten zwölf Folgen für eine Internetsendung daraus machen. Ob wir in Hamburg, Mannheim, Frankfurt oder Berlin waren, wir sind dann immer ins Studio und nahmen auf. Diese Songs waren der Einstieg in unser Album. Nächstes Jahr wollen wir es auf jeden Fall veröffentlichen.
teleschau: Hat Dich sein Interesse damals nicht gewundert? Inhaltlich ist seine Musik ja eher das Gegenteil von Deiner.
Kool Savas: Nö. Wir reden und interessieren uns für die gleichen Sachen, haben eine ähnliche Einstellung. Und auch in den Songs suchen wir Themen, über die wir beide schreiben können. Xavier schreibt schon lange nicht mehr nur über Gott, das zu glauben ist völliger Unsinn. Auf seinem letzten Album hatte er viele sozialkritische Themen drauf, Sachen, die richtig anecken, Songs, in denen er den Papst kritisiert oder über Kinderschänder singt. Deswegen wird das kein Album, wo ich die ganze Zeit über Weiber labere und er über Gott. Das sind wir gar nicht. Ich habe schon lange keine Ficksongs mehr gemacht, er hat schon lange nichts mehr über Gott geschrieben.
teleschau: Wie kam es da, dass Xavier Naidoo auf Deinem neuen Album ausgerechnet in "LMS 2012" mitsingt? "LMS" stand ja damals, 2000, für die ziemlich explizite Ansage "Lutsch meinen Schwanz".
Kool Savas: Weil der neue Song "Last Man Standing" hieß, und ich mir das als Thema aussuchte, wir das feierten und ich meinte: "Last Man Standing", "LMS", superkrass, das passt, einfach Schicksal.
teleschau: Auch sein Management hatte da also keine Bedenken?
Kool Savas: Sein Management hat mit seiner oder meiner Musik nichts zu tun. Wir sind im Studio und machen nur das, worauf wir Bock haben. Sehr offen, keine Business-Moves, alles gechillt. Wir haben noch nicht einmal über das Geschäft geredet und mischen uns da auch nicht ein, das ist uns scheißegal. Wir machen Fifty-Fifty bei der Geschichte, sind gleichberechtigte Partner bei dem Album.
teleschau: Kein Kalkül, dass er ein bisschen mehr von Deiner Zielgruppe erreichen könnte und umgekehrt?
Kool Savas: Kein Kalkül. Ich profitiere von dem Album in jedem Fall, wenn man es rein businessmäßig sieht. Weil Xavier einfach zehnmal so viel wie ich verkauft. Es ist uns trotzdem scheißegal. Wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert hätte, hätte es keinen Grund gegeben, das weiterzumachen. Wenn ich gemerkt hätte, der ist menschlich ein Arsch. Aber er ist ein Killertyp, hat eine Vorbildfunktion und ist Gott sei Dank endlich mal einer, der älter ist als ich, zu dem ich auch aufschauen kann. Weil ich immer mit Jüngeren gearbeitet habe. Bei uns Türken ist das ja auch so: Von den Älteren lernt man was, im besten Fall. Da zeigt man auch Respekt. Bei uns ist das auch so. Ich sehe ihn als großen Bruder.
Kool Savas auf Deutschland-Tournee:
18.01.2012, Köln, Live Music Hall
19.01.2012, Hamburg, Docks
20.01.2012, Hannover, Capitol
21.01.2012, München, Backstage
25.01.2012, Stuttgart, Filharmonie Filderstadt
26.01.2012, Oberhausen, Turbinenhalle
27.01.2012, Münster, Skaterpalace
28.01.2012, Berlin, Columbiahalle