Silke Nücklaus beginnt ihre Einträge fast immer gleich: "Guten Morgen Karl Lauterbach", schreibt sie auf ihrem Instagramkanal und markiert das Profil des Bundesgesundheitsministers. Dann schildert die 46-Jährige ihr Leben mit der chronischen Fettverteilungsstörung Lipödem. Sie berichtet von den Schmerzen und Einschränkungen, die sie durch die Krankheit hat und von den Wünschen, die sie an die Bevölkerung und die Politik stellt. Seit fast zwei Jahren postet die 46-Jährige nahezu täglich einen kurzen Beitrag.
Lipödem ist eine unheilbare Erkrankung, die nahezu ausschließlich Frauen trifft und oft eine massive Volumenzunahme vor allem an Beinen und Armen sowie Dauerschmerzen bedeutet. Das Lipödem ist weitverbreitet, bleibt aber häufig unerkannt oder wird mit Adipositas verwechselt. Schätzungen zufolge sind in Deutschland bis zu vier Millionen Menschen erkrankt. Die Ursachen der chronischen Krankheit, bei der es zu einer drastischen Vermehrung und Vergrößerung von Fettzellen kommt, sind noch immer weitgehend unklar.
Rückblickend schätzt Nücklaus, dass sie erste Anzeichen bereits als Jugendliche festgestellt habe. Vor mehr als zehn Jahren habe sie offiziell die Diagnose erhalten. Bis dahin sei es ein langer Weg gewesen. "Viele Ärzte nehmen einen nicht ernst, ist meine Erfahrung. Oftmals wird man belächelt und als zu dick abgestempelt, obwohl man mit Sport und Ernährung die Krankheit nicht loswird", sagt Nücklaus. Sie sei mittlerweile bei einem Spezialisten in Düsseldorf in Behandlung.
Es vergehe kein Tag, an dem sie keine Schmerzen habe. "Meist wache ich morgens mit einem fiesen Kribbeln in den Beinen auf", sagt Nücklaus. "Zwischendurch habe ich das Gefühl, als würden sich lauter Tennisbälle unter meiner Haut bewegen." Um den Tag besser durchzustehen, trägt die Bremerin jetzt im Sommer fast täglich Kompressionsstrümpfe. Dennoch fühle es sich manchmal so an, als habe sie Beine aus Beton. "An Radfahren oder Wanderungen war zuletzt nicht zu denken", sagt Nücklaus. Auch an den Armen tritt das Lipödem in Erscheinung und ruft Beschwerden hervor.
Die Krankheit wird je nach Fettgewebemenge in die Stufen I bis III unterteilt. Im Stadium I können die Patientinnen bereits Schmerzen und ein Schweregefühl haben. Im Stadium II wird die Haut unebener, Knötchen können erkennbar sein. Im Stadium III kann die Krankheit so fortgeschritten sein, dass das Gewebe überhängt und sich Fettfalten bilden. Kompressionswäsche und Lymphdrainage helfen, die Beschwerden zu lindern. Die konservative Therapie wird meist von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Darin sind zwei Kompressionsstrumpfhosen pro Jahr enthalten sowie die Drainage-Therapie. Eine Fettabsaugung, eine sogenannte Liposuktion, ist bisher nur im Stadium III Kassenleistung – und das auch nur bis einen Body-Mass-Index (BMI) von 35. Der Eingriff erfolgt in der Regel durch einen Plastischen Chirurgen.
Nücklaus findet das ungerecht. Sie selbst hat laut Diagnose Stadium II, denkt inzwischen darüber nach, eine Operation auf eigene Kosten zu zahlen, pro Eingriff muss sie mit mehreren Tausend Euro rechnen. "Und eine Operation reicht in der Regel nicht. Einige Betroffene können sich das nicht leisten oder müssen einen Kredit aufnehmen", sagt sie. "Das ist kein Schönheitseingriff, sondern soll Beschwerden lindern."
Eine Antwort von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Nücklaus bisher nicht bekommen. Dafür viel Zuspruch von anderen Betroffenen. Auch mit hiesigen Politikern sei sie im Austausch gewesen, etwa mit Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). "Das motiviert mich, weiterzumachen. Ich wünsche mir einfach, dass die Krankheit ernster genommen wird."