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"Jammern ist nicht" Ulla Kock Am Brink moderiert "Die perfekte Minute" (ab Freitag, 30.04., 20.15 Uhr, SAT.1)

Ein konsequentes Comeback: Ulla Kock am Brink und SAT.1 versuchen's mit einer großen Freitagabend-Spielshow.
09.04.2010, 00:00 Uhr
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Von Jochen Overbeck

Ein konsequentes Comeback: Ulla Kock am Brink und SAT.1 versuchen's mit einer großen Freitagabend-Spielshow.

Das Rauchen hat sich Ulla Kock am Brink noch nicht abgewöhnt. Trotz der sperrangelweit geöffneten Fenster - der Blick geht über die Berliner Friedrichsstraße und die noch wintergrauen Brachflächen hinter dem Künstlerhaus Tacheles Richtung Berliner Mitte - schwebt der Hauch einer schnellen Zigarette in der Luft. Die dazugehörige Packung liegt in Ulla Kock am Brinks Tasche. Ein Laster? Vielleicht. Aber eines, das viel aussagt über die 48-Jährige: Sie ist alte Schule. Eine von denen, die das Privatfernsehen prägten. Zunächst mit der Tränen-Revue "Verzeih mir", die zwischen 1992 und 1993 bei RTL lief, später mit der "100.000 Mark Show". Versuche, sich in anderen Bereichen zu profilieren, scheiterten. Sowohl eine Personality-Show bei ProSieben als auch eine RBB-Talkshow gemeinsam mit Jörg Thadeusz wurden rasch abgesetzt. Nach fünfjähriger Pause ist Kock am Brink jetzt wieder im Fernsehen: "Die perfekte Minute" ist eine sehr klassische Spielshow für die ganze Familie - und sicher ein Testballon für SAT.1 auf dem Primetime-Sendeplatz am Freitagabend. Los geht's am 30. April, 20.15 Uhr.

teleschau: Man hat Sie in den letzten Jahren kaum mehr im Fernsehen gesehen - was haben Sie eigentlich gemacht?

Ulla Kock am Brink: Na, Fernsehen! Nur eben hinter den Kulissen. Ich habe zum Beispiel für die Doku "Mitten im Leben" (nachmittags bei RTL, die Red.) akquiriert und gecastet. Wir haben über 100 Folgen produziert, und zwar die nicht geskripteten. Außerdem produzierten wir Tests für "Punkt 12", vor allem für eine weibliche Zielgruppe. Ich habe aber durchaus auch an Formaten für die öffentlich-rechtlichen Sender gearbeitet. Zwei weitere Projekte sind in der Pipeline. - Ich war also gut ausgelastet. Und dann kam eben die Anfrage von SAT.1. Im Prinzip hieß es: Wenn Du Lust hast, "Die perfekte Minute" zu machen, bist Du dabei. - Eine luxuriöse Situation, in der ich mich da befand.

teleschau: War der Schritt zurück an die Öffentlichkeit Genugtuung oder etwas, das Überwindung kostete?

Kock am Brink: In diesen Kategorien denke ich nicht. Es gibt da keine Trennlinie. Ich habe auch in den letzten Jahren einfach meine Arbeit gemacht und mich nie unausgefüllt gefühlt, weil ich nichts moderiert habe. Am Anfang meiner Laufbahn saß ich in einer Redaktion - und auch später schrieb ich, sieht man von der "100.000 Mark Show" ab, meine Texte selber. Nach der großen Aufmerksamkeit, die man mir damals zollte, war es durchaus angenehm, im Büro zu sitzen und neue Formate zu entwickeln und zu betreuen. Gleichzeitig habe ich die Arbeit vor der Kamera aber durchaus vermisst. Es macht mir Spaß. Es ist ein Teil meines Berufs.

teleschau: Was gefällt Ihnen an der "Perfekten Minute"? Simple Spiele, zehn an der Zahl. Wo ist da die Herausforderung für Sie?

Kock am Brink: Was mir gefällt, ist, dass mit sehr kleinen Ideen sehr viel bewirkt wird. Ein ganzes Publikum kann davon fasziniert sein, dass jemand nur durch Pusten zwei Federn in der Luft halten muss. Warum ist das so faszinierend? Weil es da unter Umständen um 250.000 Euro geht. Durch eine ganz, ganz kleine Geschichte kann sich das Leben eines Menschen also ganz entscheidend verbessern. Manches klingt übrigens wahnsinnig harmlos, ist aber schwer: Ein Holzstäbchen, auf dem acht Muttern aufgefädelt sind. Daraus muss dann ein Türmchen gebaut werden. Ich finde es einfach schön, dass wir dadurch auch wieder zum Spielen anregen. Fast alle Utensilien, die in der Show vorkommen, sind in einem ganz normalen Haushalt zu finden. Jeder Zuschauer kann sagen: Das kann ich doch, das mach' ich jetzt nach. Und sie werden wahrscheinlich scheitern, denn sie haben nicht zwei Wochen geübt - wie die Kandidaten.

teleschau: Haben Sie einen Bildungsauftrag?

Kock am Brink: Ein Aufforderungscharakter ist sicherlich da. Aber SAT.1 ist kein Erziehungsberechtigungssender. Vielleicht kann etwas über den Spaß transportiert werden, aber man kann suchen, wie man will: Es ist eine Unterhaltungssendung. Da wird kein Finger erhoben zur Rettung der Jugend.

teleschau: Was muss ein Kandidat besitzen, um nicht zu scheitern? Reichen zwei Wochen Üben?

Kock am Brink: Nein, er braucht Nervenstärke und Motivation. Während der Sendung muss er das Geübte situativ abrufen können. Und eine gewisse Leichtigkeit. Ohne eine Portion Lockerheit schafft man so was nicht. Humor sollten die Teilnehmer auch haben, vielleicht auch, weil die Spiele manchmal kurios anmuten. Eigene Eitelkeiten müssen so manches mal über Bord geworfen werden.

teleschau: Also ein Gegenentwurf zu "Schlag den Raab", das sehr wettbewerbsorientiert ist und in dem die Kandidaten oft verbissen daher kommen?

Kock am Brink: Das macht aber den Reiz von "Schlag den Raab" aus. Das ist eine super Show, finde ich. Ich denke, "Die perfekte Minute" besitzt einen völlig anderen Charakter. So eine Art Golfspiel, man spielt nur gegen sich selbst. Verantwortlich für Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse sind bei der "perfekten Minute" die eigenen Stärken und die eigenen Schwächen. Man spielt für sich, seine Familie und Freunde. Es gibt keinen Konkurrenzgedanken, es ist eher eine "weiche" Show, wenn Sie so wollen.

teleschau: Welche der Spiele haben Sie schon ausprobiert?

Kock am Brink: Das Bleistift-Titschen. Sie nehmen einen Bleistift mit Radiergummi am Ende, werfen ihn so, dass er auf dem Radiergummi landet, dann federt und am Ende in einem Glas landet.

teleschau: Können Sie's?

Kock am Brink: Ich hab's probiert. Ich habe auch versucht, fünf Äpfel zu stapeln. Ich weiß nicht, wie man's hinbekommt.

teleschau: Sind Sie eine Spielerin?

Kock am Brink: Ich spiele leidenschaftlich gerne, "Activity" etwa, auch Poker, wo ich allerdings noch nicht sehr regelfest bin. Bei Spielen möchte ich gewinnen. Das ist mir wichtig.

teleschau: Haben Sie Angst vorm Scheitern der Show?

Kock am Brink: Natürlich ist der Druck in den letzten Jahren größer geworden. Die Quote muss stimmen. Im Übrigen bei Privatsendern wie bei Öffentlich-Rechtlichen. Ich habe aber das Gefühl, dass der Sender an das Konzept glaubt und uns genügend Zeit geben wird. Aber Fernsehen ist ein Hire-&-Fire-Geschäft. Jammern ist da einfach nicht.

teleschau: Wie sehr hat sich das Fernsehen in den vergangenen Jahren verändert?

Kock am Brink: Ich glaube, die Hauptveränderung besteht darin, dass das Niveau der Serien viel höher geworden ist. "24" oder "Flash Forward", aber auch deutsche Sachen wie "Türkisch für Anfänger" oder "Stromberg" schaue ich wirklich extrem gerne. Aber auch die deutschen TV-Filme sind gerade wirklich gut. Ich bin, wenn man so will, Heavy User. Wenn mir jemand sagt, dass sich das Niveau verschlechtert habe, kann ich nur lachen. Das ist völliger Quatsch. Es gibt eine unglaubliche Brandbeite an Qualitätsfernsehen. Wenn ich eine Reportage in HD sehen will - klick, krieg' ich sofort. Wenn ich Politik sehen will - gibt es einen Sender, der das bedient. Wenn ich Lust auf Trash habe - kann ich mir geben. Die Vielfalt ist unglaublich. Aber Sie haben Recht, im Showbereich ist es schwerer. Da braucht man Mut und Durchhaltevermögen, und da ist es etwas flacher geworden. Aber alles hat seine Zeit, Fernsehen ist im Fluss. Es wird immer toll bleiben und gleichzeitig furchtbar.

teleschau: Gibt es irgendwas, wo Sie abschalten?

Kock am Brink: Ich mag geskriptete Sachen nicht - das ist einfach überhaupt nicht meine Baustelle. Boulevardmagazine interessieren mich generell nicht. Und bei den Regionalsendern ärgere ich mich manchmal ein bisschen. Das sieht oft noch so aus wie 1970, da denke ich manchmal: Leute, das würde doch auch etwas spritziger gehen.

teleschau: Sie hatten 2004 mit Jörg Thadeusz die RBB-Talkshow "Leute am Donnerstag", die nach kaum einem Jahr eingestellt wurde - bedauern Sie, dass Ihnen selten Journalistisches angetragen wird?

Kock am Brink: Dass das damals abgesetzt wurde, lag weder an mir noch an Jörg Thadeusz. Das lag an der monetären Situation des Senders. Ich bedauerte das sehr, weil mir die Sendung sehr viel Spaß machte. Nun ist es aber eben auch so, dass ich sehr viel Spaß an Show habe und mit Show meine größten Erfolge gehabt habe. Es ist klar, dass ich dann nicht der erste Name bin, der Programmmachern bei einem journalistischen Format in den Kopf kommt. Ich habe damit auch kein Problem, denn ich moderiere beides gerne. Aber klar, manchmal find' ich's doof (lacht).

teleschau: Sie haben Sich vorhin als "Heavy User" bezeichnet - welche Rolle spielte Fernsehen in Ihrer Kindheit?

Kock am Brink: Eine unglaubliche. Die Geborgenheit im Ritual. Wir waren vier Kinder, dazu kamen zwei erwachsene, aber lebendige Eltern und drei Hunde. Wenn "Bonanza" oder "Flipper" kamen, war Ruhe. Fernsehen bedeutete Frieden. Und das Gefühl, das habe ich heute immer noch.

teleschau: Ihr Sendeplatz ist ein sehr schöner - nämlich der, der das Wochenende einläutet. Gleichzeitig steigt die Zahl an Festplattenrekordern und On-Demand-Angeboten, aber auch von Leuten, die ohnehin nur noch im Internet schauen. Glauben Sie an die Macht des Sendeplatzes?

Kock am Brink: Ich glaube, dass es bestimmte Sendeplätze gibt, die dem Zuschauer eine Orientierung geben. Das ist die "Tagesschau" um 20.00 Uhr, das ist aber auch "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten", "TV total" oder der "Tatort" am Sonntag. Die werden bleiben. Ich selbst bin sehr dankbar dafür, auch im Internet schauen zu können. Ich gehöre aber zu der Generation, die Fernsehen für ein Gemeinschaftserlebnis hält, die das Gefühl mag, dass da zeitgleich noch ein paar Millionen mitgucken.

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