Weil eine Pilotin von der Lufthansa wegen ihrer Körpergröße abgelehnt wurde, verklagt sie die Fluglinie nun auf Schadenersatz. 120.000 Euro soll die Lufthansa bezahlen.
Der Job als Pilot ist begehrt, doch für eine junge Frau platzte der Traum vom Fliegen vor vier Jahren besonders jäh. Sie schaffte die ersten beiden Runden des harten Auswahlverfahrens, dann kam die Ernüchterung: Sie war exakt 3,5 Zentimeter zu klein. Denn die Lufthansa verlangt von ihren Flugschülern – egal, ob Mann oder Frau – eine Mindestgröße von 1,65 Meter. Die Sache ist nun ein Fall für Deutschlands oberste Arbeitsrichter in Erfurt. Da Frauen im Schnitt kleiner sind als Männer, sieht sich die Betroffene wegen ihres Geschlechts diskriminiert – und verlangt deshalb 120 000 Euro Schadenersatz.
Um Pilot bei Europas größter Fluggesellschaft zu werden, muss ein Bewerber nicht nur fließend Englisch und Deutsch sprechen, körperlich fit und psychisch belastbar sein. Die Lufthansa hat auch die Größe ihrer künftigen Piloten per Tarifvertrag definiert: Sie dürfen nicht kleiner als 1,65 Meter oder größer als 1,98 Meter sein. „So soll sichergestellt werden, dass ein Pilot oder eine Pilotin problemlos und in jeder Situation in der Lage ist, alle Bedienelemente im Cockpit zu erreichen“, sagt Firmensprecher Helmut Tolksdorf.
Lufthansa habe viele verschiedene Flugzeugtypen, und die Piloten sollten auf möglichst vielen davon eingesetzt werden. Deswegen seien die Anforderungen an die Größe der Piloten „klarer definiert“. Andere Airlines sehen das entspannter. Bei der Lufthansa-Tochter Swiss etwa müssen Pilotenanwärter nur 1,60 Meter groß sein, Air Berlin verzichtet ganz auf eine Mindestgröße. Die Sitze im Cockpit ließen sich individuell einstellen und justieren, sodass es wegen der Größe von Piloten keine Probleme gebe, sagte eine Sprecherin.
Landesarbeitsgericht gibt Klägerin recht
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte bereits Zweifel an der Regelung bei Lufthansa. Die Richter bescheinigten der Klägerin 2014, dass ihr Persönlichkeitsrecht fahrlässig verletzt und sie „mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt“ wurde. Dabei zogen sie wissenschaftliche Daten heran, wonach 44 Prozent der Frauen über 20 Jahre in Deutschland kleiner als 1,65 Meter sind – aber nur knapp drei Prozent der Männer. Eine Entschädigung oder Schadenersatz lehnte das Gericht ab.
Damit ist die Klägerin nicht einverstanden, weshalb sie vors Bundesarbeitsgericht gezogen ist. Sie verlangt von der Lufthansa AG und ihrer Flugschule eine Entschädigung von mindestens 15 000 Euro sowie Schadenersatz von 120 000 Euro. Die Erfurter Richter befassen sich an diesem Donnerstag, 18. Februar, mit dem Fall.
Mindestgrößen gibt es auch bei der Polizei
Doch nicht nur in der Luftfahrt gibt es Vorgaben an die Größe von Bewerbern, sondern auch in Berufsfeldern wie der Marine und der Polizei. Wie groß ein Polizist mindestens sein muss, darin sind sich die Bundesländer allerdings uneinig. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern etwa setzen wie Lufthansa mindestens 1,65 Meter an, lassen aber Ausnahmen zu; in Thüringen dürfen angehende Polizisten zwei Zentimeter kleiner sein, in Baden-Württemberg liegt die Grenze bei 1,60 Meter und Bremen verzichtet ganz auf eine Mindestgröße. Nordrhein-Westfalen unterscheidet nach Mann (mindestens 1,68 Meter) oder Frau (1,63 Meter). Nach Auskunft der dortigen Polizei wurden 2015 34 Frauen und zehn Männer als zu klein abgelehnt.
Gefragt nach den Gründen heißt es, dass von Polizisten eine gewisse „körperliche Präsenz“ erwartet werde. Aber auch die Kosten werden angeführt. Für kleinere Polizisten müsse Spezialausrüstung angefertigt werden und sei entsprechend teuer, erklärt Hermann Elz von der Thüringer Polizeischule in Meiningen. Die Frage der Kosten sieht auch Christian Hoffmeister von der Gewerkschaft der Polizei. Dennoch würde er es befürworten, wenn sich die Polizei für kleinere Anwärter öffnete – und verweist auf Probleme, geeignete Bewerber zu finden. „Auch ein kleinerer Mensch kann sehr durchsetzungsstark sein“, sagt Hoffmeister.
Wie das Bundesarbeitsgericht im Fall der Pilotin entscheidet, hat für die Polizei zunächst keine Folgen. Denn das Beamtenrecht ist Sache der Verwaltungsgerichte. Im Falle eines eindeutigen Richterspruchs könne davon aber auch auf dieses Berufsfeld eine „gewisse Signalwirkung“ ausgehen, sagt Gerichtssprecher Waldemar Reinfelder.