Zunächst lief alles wie gewohnt, als der Schriftsteller Wolfgang Schorlau die achte Mission für seinen seriellen Krimihelden Georg Dengler ersann, die jetzt unter dem Titel „Die schützende Hand“ erschienen ist. Seit seinem von der Kritik gefeierten Debüt „Die blaue Liste“ (2005) ist es Schorlau darum zu tun, der Handlung seiner Romane so viel Realpolitik wie irgend möglich einzuspeisen. Dass dieses hehre Ziel bisweilen das suggestive Formulieren von Konspirationstheorien einschließt, versteht sich im Thriller-Genre gleichsam von selbst. Schorlau, 1951 in Freiburg/Breisgau geboren, findet Gefallen an der Gratwanderung zwischen Fakten und Fiktion, verbürgter Geschichte und Kolportage. Der durch die Studentenbewegung politisierte Großhandelskaufmann, der erst als 50-Jähriger zum Schreiben konvertierte, begreift seine Investigativromane als politische Arbeit.
Nachdem Wolfgang Schorlau in früherer Prosa um den Privatermittler Dengler unter anderem Justizirrtümer und Datenmissbrauch, Lynchjustiz im Zweiten Weltkrieg und geheime Waffenversuche im Afghanistan-Konflikt thematisiert hatte, bürdet er seinem Protagonisten in „Die schützende Hand“ nun einen denkbar aktuellen Fall auf: Georg Dengler, nah am Alkohol und am Blues gebauter Schnüffler, der sein Handwerk beim Bundeskriminalamt gelernt hat, soll die Hintergründe des ominösen Todes der NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aufklären.
Diese Themenwahl kann man natürlich als publizistisches Trittbrettfahrertum geißeln. Schließlich geht der Prozess um die mörderischen Machenschaften des Nationalsozialistischen Untergrunds ab 8. Dezember in seine spektakuläre Phase. Man kann Wolfgang Schorlau aber auch für seine instinktsichere Fixierung auf die mysteriösen, wenn nicht gar verdunkelten Todesumstände gratulieren. Schließlich ist er derzeit nicht der einzige Autor, der zumal dem Thüringer Verfassungsschutz in der Causa Mundlos/Böhnhardt eine große Rolle zuschreibt: In dem Sachbuch „Staatsaffäre NSU“, unlängst im Kontur-Verlag erschienen, beschreibt der Politikwissenschaftler Hajo Funke die dubiose Häufung von Pleiten, Pech und Pannen bei der anhängigen Aufarbeitung der NSU-Morde.
Zudem skizziert Funke die auffällige Durchsetzung der Thüringer Rechtsextremistenszene durch V-Leute – und kommt wie Schorlau zu brisanten Thesen hinsichtlich des Todes der Rechtsterroristen am 4. November 2011. Nach offizieller Version des Bundeskriminalamtes erschoss Mundlos seinen Komplizen in einem Wohnmobil in Eisenach, bevor er das Gewehr gegen sich selbst richtete. Der bereits als Experte vom NSU-Untersuchungsausschuss einvernommene Wolfgang Schorlau und Hajo Funke dagegen geben sich nach Sicherung von Spuren und Sichtung von Indizien davon überzeugt, dass – aber lesen Sie selbst!
Schon einmal hat sich Schorlau in Fakten-und-Fiktion-Form mit Rechtsterrorismus befasst: „Das München-Komplott“ (2009) inspiziert das nicht letztgültig geklärte Bombenattentat auf das Oktoberfest 1980. Auch dieser Dengler-Fall erzählt von der Beteiligung des Verfassungsschutzes beim Aufbau rechtsextremer Gruppierungen.
Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand. Kiepenheuer & Witsch, Köln. 384 Seiten, 14,99 .