Das Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath schrieb unter dem Pseudonym Iny Lorentz binnen weniger Jahre 25 Historien-Romane - verkaufte Gesamtauflage: sieben Millionen. Nun wurde ihr Bestseller "Die Wanderhure" von SAT.1 verfilmt.
Es ist eine Geschichte wie aus einem skurrilen Hollywoodmärchen. Bis 2006 arbeitete das Sixtysomething-Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath als Programmierer bei einer Münchner Versicherung. Man führte ein durch und durch bürgerliches Leben. Schriftstellerei betrieben sie in der Freizeit, das Rüstzeug holte man sich in der Fantasy-Szene, deren Schreibzirkel vor allem Elmar Wohlrath früher besuchte. Vor sieben Jahren wurde der erste Iny Lorentz-Schmöker "Die Kastratin" verlegt - seitdem veröffentlicht das Ehepaar etwa alle drei Romane einen neuen dicken Unterhaltungsroman mit Schauplatz Mittelalter und frühe Neuzeit. Im Interview sprechen Iny Klocke und Elmar Wohlrath über ihre fließbandähnliche Arbeitsweise, die Reize des Mittelalters und den Zauber von Alexandra Neldel. "Die Wanderhure", erste Verfilmung eines ihrer Bücher, läuft am Dienstag, 05.10., um 20.15 Uhr, bei SAT.1.
teleschau: Sie schreiben Ihre Romane gemeinsam. Wie darf man sich das vorstellen?
Iny Klocke: Wir unterhalten uns eigentlich den ganzen Tag über neue Themen, Ideen und Plots - außer am Frühstückstisch. Elmar ist morgens ziemlich muffelig. Erst wenn er mit dem ersten Schwung Schreiben durch ist, kommt er auf Touren und will reden.
teleschau: Arbeiten Sie immer gemeinsam am selben Buch?
Elmar Wohlrath: Nein, das sind überlappende Projekte. Zuerst erarbeiten wir gemeinsam den Plot. Nach den Recherchen, die ich gemacht habe, setze ich mich hin und schreibe den Rohtext. Den liest meine Frau dann zeitnah durch.
Iny Klocke: Na, du erklärst mir vorher noch Dinge. Nach meiner Kritik überarbeitest du dann noch einmal. Danach wird quasi symbolisch die SD-Karte überreicht ...
Elmar Wohlrath: Ab diesem Punkt darf sie weitermachen, und ich fange mit dem nächsten neuen Roman an.
teleschau: Frau Klocke ist also für den Feinschliff zuständig?
Iny Klocke: Ich überarbeite den Text fünfmal komplett. Zweimal schreibend, danach korrigierend. Jedes Ergebnis wird vom anderen noch einmal kontrolliert. So kommen wir auf insgesamt 14 Arbeitsgänge.
teleschau: Vor Ihrer schreibenden Karriere verbrachten Sie bereits ein komplettes Berufsleben in Jobs, bei denen es um Logik und Technik geht. Beeinflusst das Ihre Arbeitsweise als Schriftsteller?
Elmar Wohlrath: Ich habe die gesamte Umschulung zum Organisationsprogrammierer gemacht. Das ist in der Tat sehr wertvoll beim Entwickeln von Plots. Man vermeidet Logikbrüche. Ich kann einen Roman von Anfang bis Ende strukturieren und ihn dabei so aufbauen, wie ich es für richtig halte.
teleschau: Bereits Ihr erster Roman "Die Kastratin" spielt im späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit. Wie in der "Wanderhure" steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die sich nicht an die Spielregeln der Zeit hält, weil sie von Berufs wegen singen will - was damals nur Männern erlaubt war. Ist das feministische Motiv beider Romane Zufall?
Iny Klocke: Er ist der Feminist!
Elmar Wohlrath: Das hat mit meiner Jugend zu tun. Mein Vater starb früh, und meine Mutter musste sich in der Welt behaupten, was sehr schwer war. Aus diesem Grund schreibe ich so gerne über Frauen, die sich in ihrer Zeit gegen Widerstände durchsetzen.
Iny Klocke: Ich wollte immer wissen, wie die Leute früher gelebt haben. Im Geschichtsunterricht ging es immer nur um Kaiser, Könige, Päpste, Kriege. Etwas anderes hat man nicht mitbekommen. Ich glaube nicht, dass meine Vorfahren reiche Leute waren. Es hat mich einfach interessiert, wie die gelebt haben könnten.
teleschau: Was ist gerade am Mittelalter so faszinierend? Warum interessieren sich so viele Menschen für diese Zeit?
Iny Klocke: Sie liegt gerade mal 25 Generationen zurück - das ist nicht wirklich viel. Man hört so viel Schreckliches über das Mittelalter, was übrigens zum größten Teil ein Märchen ist. Das Mittelalter, das sind 1.000 Jahre Menschheitsgeschichte, die viel Fortschritt gebracht haben. Aber es war auch eine Zeit des Übergangs, der Brüche. Eine Ära, in der sich die relative Gleichheit der Menschen in eine Machtstruktur der Herrschenden verwandelte. Es wurden Rechts- und Geldsysteme entwickelt. Leider wurde auch die Rolle der Frau wieder zurückgestuft. Vor allem, weil die Kirchen nach der Reformation orthodoxer wurden und mehr Macht in der Gesellschaft erhielten.
teleschau: Sie kommen selbst aus der Fantasy-Szene und können sicher erklären, warum Fantasy-Welten so oft nach Mittelalter aussehen - sei es jetzt in Romanen oder Filmen.
Iny Klocke: Weil man damals noch an Dinge glaubte, die nicht real sind. Der Aberglaube spielte eine viel größere Rolle im Leben der Menschen. Viele Fantasy-Erzählungen sind zudem Nachbildungen alter Sagen.
Elmar Wohlrath: J.R.R. Tolkien, der für die meisten Fantasy-Autoren das Vorbild schlechthin ist, war ein Kind Englands. Er wollte mit "Herr der Ringe" einen Mythos schaffen, der sein Land in dessen Urform beschreibt. Das war eben diese angelsächsische Kultur, erweitert durch fantastische Welten. Sächsische und gälische Mythen sind zusammen mit nordischen Kultursagen der Entstehungsort vieler fantastischer Figuren, die später in der Fantasy-Literatur Karriere gemacht haben: Zwerge, Elfen und so weiter.
Iny Klocke: Es gab aber schon vor Tolkien Fantasy-Literatur. Nehmen Sie die König Artus-Sage. Was ist das, wenn nicht Fantasy? Wir reden hier über ein wichtiges Stück europäischer und somit auch amerikanischer Kulturgeschichte. Wenn Sie nach Asien, zum Beispiel nach Japan oder China, schauen, finden Sie dort ganz andere Mythen und dementsprechend auch andere Fantasy-Figuren.
teleschau: In den letzten Jahren erlebten wir einen Boom an Mittelalter-Romanen. Können Sie sich den erklären?
Elmar Wohlrath: Die Leute haben einfach begonnen, sich für ihre historischen Wurzeln zu interessieren. Der Boom der Romane ist mittlerweile abgeflaut. Er begann mit Umberto Ecos "Der Name der Rose". Es folgte "Die Päpstin", dann kam Ken Follet und schließlich wir. Mit "Die Wanderhure" haben wir den Boom noch einmal ordentlich angeheizt. Wobei unsere Arbeit eine andere ist. Die Romane vor uns waren oft halbwissenschaftliche Arbeiten, Sightseeingtouren durchs Mittelalter. Das, was man früher als Professorenromane bezeichnete. Wir dagegen machen 90 Prozent Unterhaltung und wollen nur zehn Prozent Information vermitteln.
teleschau: Wer historisch arbeitet, setzt sich vielfältiger Kritik aus. Immer wissen irgendwelche Experten, dass es früher ganz anders gewesen ist. Nervt diese Kritik?
Iny Klocke: Es ist gar nicht so schlimm. Die historischen Experten nehmen das, was wir schreiben, kaum wahr. Wir dagegen arbeiten mit den Büchern dieser Leute. Es gibt also nur einen sehr indirekten Kontakt.
teleschau: Wenn man bedenkt, wie erfolgreich Ihre Bücher sind, findet man erstaunlich wenig Kritiken Ihrer Werke in den Medien ...
Elmar Wohlrath: Gott sei Dank ist das so. Unsere Leserinnen würden uns davonlaufen, wenn wir plötzlich im Feuilleton diskutiert würden. Die würden maulen, weil das ja keiner versteht, was dort steht. Dabei finden sich die Fans unserer Bücher in allen Altersklassen und Schichten. Unsere Leser wollen ein bisschen was lernen, vor allem aber wollen sie sich entspannen.
teleschau: "Die Wanderhure" ist die erste Verfilmung eines Ihrer Bücher. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Iny Klocke: Der Film ist sagenhaft gut. Inzwischen haben wir ihn neunmal gesehen. Die Besetzung ist toll, und die Macher haben es verstanden, aus dem dicken Buch eine kompakte Geschichte zu machen, die man auch ohne Buchlektüre versteht. Wir sind sehr von Alexandra Neldel begeistert. Auch von dem großen Engagement, das wir bei den Dreharbeiten in Ungarn bei allen Beteiligten - bin hin zum letzten Komparsen - beobachten konnten.
teleschau: Werden weitere Romanverfilmungen folgen?
Elmar Wohlrath: Wir hoffen das. Es gibt verschiedene Optionen. Aber natürlich will man auch erst mal sehen, wie dieser erste Film beim Publikum ankommt. Die vielen Millionen Euro, die ein solches Projekt kostet, zahlt man ja eben nicht mal aus der Portokasse. Wir können die Filmleute gut verstehen, wenn die erst einmal abwarten wollen.