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Wie Joggen durch die Antarktis Jan Henrik Stahlberg sucht in "Short Cut to Hollywood" nun auf DVD den medienwirksamen Freitod

Über die Schönheit langwieriger Projekte und Parallelen zu Sacha Baron Cohens "Borat": Jan Henrik Stahlberg sucht nach dem "Short Cut To Hollywood".
22.05.2010, 00:00 Uhr
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Von Claudia Nitsche

Über die Schönheit langwieriger Projekte und Parallelen zu Sacha Baron Cohens "Borat": Jan Henrik Stahlberg sucht nach dem "Short Cut To Hollywood".

Die verrückten Ideen gehen Jan Henrik Stahlberg (39) nicht aus: Mit "Short Cut to Hollywood" (2009, auf DVD erhältlich) führt er mit seinem Freund, Regisseur Marcus Mittermeier, fort, was beide vor fünf Jahren mit ihrer Weltverbesserer-Satire "Muxmäuschenstill" begannen. Sie drehen entlarvende, intelligente Filme in einer autarken Wir-AG. Das macht viel Mühe und bringt nur bei einem kleinen Publikum Popularität.

teleschau: An "Short Cut to Hollywood" arbeiteten Sie seit "Muxmäuschenstill", der 2004 in die Kinos kam. Lohnt dieser Aufwand?

Jan Henrik Stahlberg: Etwas, das lange dauert, verbindet man mit viel Arbeit, denkt, es sei etwas Störendes, Ätzendes. Ich bin jetzt zwar kein Buddhist, aber für mich gilt schon: Der Weg ist das Ziel. Ich will das nicht schönreden, es gab Momente, gerade beim Schnitt, in denen ich wahnsinnig wurde, aber ein solches Projekt ist Erfüllung und purer Luxus. Ich kann Filme machen, die ich mir gerne ankucken würde. Wenn das fünf Jahre dauert, finde ich das nicht schlimm. Auch bei der nächsten Idee werden einige Jahre ins Land gehen.

teleschau: Weil Sie wieder so autark wie möglich arbeiten möchten?

Stahlberg: Im Grunde ja. Das Team kennt sich, Marcus und ich sind uns ja eh einig, wie wir arbeiten möchten. Nach wie vor bleibe ich gerne unberechenbar. Ich mag es nicht, wenn andere sagen, der Jan ist so und so, wenn Menschen sich zu sicher sind in der Beurteilung anderer. Das stört mich. Das störte mich schon immer.

teleschau: Das klingt, als wären Sie um einen Beweis nicht verlegen.

Stahlberg: Ich komme aus einem sozialen Umfeld, meine Mutter arbeitete in einer Behindertentagesstätte, natürlich habe ich als Kind nicht mit Soldaten gespielt. Wir waren links und alle waren sich einig: Jan geht nicht zur Bundeswehr. Ganz klar, dass ich verweigere. Dachten und sagten alle, die ich kannte. Als ich das mitbekam, entschied ich: Ich gehe zur Marine. Das war zwar die blödeste Idee, die ich je hatte. Aber gut, ich hatte mir die Suppe ja selbst eingebrockt. Und immerhin habe ich das Zehn-Finger-System gelernt in dieser Zeit, was mir heute beim Drehbuchschreiben hilft.

teleschau: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Ihre Drehbücher selbst zu schreiben?

Stahlberg: Weil ich es liebe, Geschichten zu erzählen. Als Autor und Schauspieler. Und da ich selbst immer so viele Ideen hatte, begann ich dann, sie umzusetzen, was eine einsame Sache im stillen Kämmerchen ist. Ein Drehbuch zu schreiben, dauert bei mir halt ein bis zwei Jahre.

teleschau: Und verfolgt welches Ziel?

Stahlberg: Es sind Geschichten, die auf der Rasierklinge spielen - Filme, die dem Zuschauer später den Teppich unter den Füßen wegziehen sollen. Was aber nur geht, wenn man meint, vorher irgendwo sicher gestanden zu haben. Es kommt also auf den Ton an. Wenn ich derbe Ausdrücke benutze, könnte man denken: Was ist das für ein vulgärer Typ? Aber ich spiele das dann genau entgegengesetzt.

teleschau: "Muxmäuschenstill" und "Short Cut to Hollywood" eint die Provokation. Wie schwierig ist es, die ohnehin groteske Realität zu überhöhen?

Stahlberg: Das Thema ist nicht, die Realität zu übertreffen - das ist ohnehin unmöglich. Charlie Chaplin kann auch nicht Adolf Hitler toppen, will er auch nicht. Aber er kann ihn im "Großen Diktator" lächerlich machen.

teleschau: Es gibt eine stilistische Verbindung zwischen "Borat" oder "Brüno" und Ihren Filmen. Ist das nicht ärgerlich zu sehen, wie viel Sacha Baron Cohen mit einem ähnlichen Prinzip einspielt?

Stahlberg: Nein, das ärgert mich nicht. Ich habe bei "Borat" viel gelacht. Ich ärgere mich mehr über Leute, die mit Scheißfilmen viel Geld verdienen. Sacha Baron Cohen hat das verdient, er hat mit "Ali G" schon vor Jahren den Grundstein gelegt - er spielt einfach noch in einer anderen Liga. Der Unterschied zwischen uns und ihm besteht darin, dass er Witze mit und über echte Menschen macht. Und wenn die noch so doof sind, ist das nicht durchgängig mein Humor. Ich fand es lustig, aber irgendwann war es mir genug. Das ist wie Fast Food: Am Anfang hab ich Bock drauf, und am Ende fühle ich mich viel zu voll.

teleschau: Ihre Gesellschaftskritik ist transparenter, weil der Ansatz intellektueller ist.

Stahlberg: Ja. Ich glaube "Short Cut" unterhält sehr gut - aber wirkt nach. Und wenn der Film dann trotz der Intellektualität eine Million macht, kauf ich mir gerne eine Yacht ...

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