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Die Macht des Lichts Für das Verhalten von Lebewesen spielt auch der Mond eine Rolle

Das Leben auf der Erde hängt in starkem Maße von den Lichtverhältnissen ab. Dass dabei auch die verschiedenen Mondphasen von Bedeutung sind, gilt inzwischen als gesicherte Erkenntnis.
14.06.2022, 00:00 Uhr
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Für das Verhalten von Lebewesen spielt auch der Mond eine Rolle
Von Jürgen Wendler

Viele Menschen berichten, bei Vollmond schlechter zu schlafen. Was genau hinter dieser Wahrnehmung steckt, ist eine Frage, die Forscher seit Langem beschäftigt und nach wie vor als nicht endgültig beantwortet gilt. Außer Frage steht allerdings, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Lebewesen und den vom Mond abhängigen wechselnden nächtlichen Lichtverhältnissen gibt. Auf die sogenannten inneren Uhren hat offensichtlich auch der Erdtrabant einen Einfluss, wie neue Forschungsergebnisse unterstreichen.

Um zu überleben, sind Lebewesen darauf angewiesen, sich an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen – auch an wechselnde Lichtverhältnisse im Laufe eines Tages. Dass Menschen abends müde werden, hat einen guten Grund: Sie benötigen den Schlaf, um sich zu erholen. Ein anderes Beispiel dafür, wie sich Lebewesen auf unterschiedliche Tageszeiten einstellen, liefern Bienen. Die Insekten wissen genau, welche Blüten wann geöffnet sind. Ob Menschen, Bienen oder andere Organismen: Ihre Fähigkeit, sich zeitlich zu organisieren, verdanken sie ihren inneren Uhren.

Körpervorgänge werden angepasst

Zu den Forschern, die sich über viele Jahre mit diesen Taktgebern des Lebens beschäftigt haben, gehört Professor Gregor Eichele vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Er beschreibt innere Uhren als eine Eigenschaft von Zellen. Jede Zelle, jedes Gewebe, jedes Organ und der gesamte Organismus besitzen demnach bildlich gesprochen Uhrwerke. Diese stellen sicher, dass zur richtigen Zeit die Produktion von benötigten Stoffen begonnen oder eingestellt wird. Manche dieser Uhrwerke erhalten über die Augen Informationen über Helligkeit und Dunkelheit. Das heißt: Sie arbeiten abhängig von Lichtverhältnissen.

Hormon macht müde

Als zentraler Taktgeber, der in der Lage ist, die verschiedenen Uhrwerke aufeinander abzustimmen, fungiert bei Säugetieren, zu denen Biologen auch den Menschen rechnen, ein kleines Gebiet im Gehirn, der Suprachiasmatische Nucleus (SCN). Die Nervenzellen dieses Bereichs veranlassen zum Beispiel, dass vor dem Einschlafen in der Zirbeldrüse das Hormon Melatonin ausgeschüttet wird. Hormone sind Wirkstoffe, die Vorgänge in Zellen auslösen. Ein steigender Melatoninspiegel führt zu Müdigkeit, einer verringerten Aktivität des Nervensystems und zum Sinken der Körpertemperatur. Die innere Uhr wird auch als circadiane Uhr bezeichnet. Der Begriff circadian bedeutet so viel wie "ungefähr ein Tag" und drückt aus, dass die von dieser Uhr vorgegebenen Rhythmen etwa, aber nicht ganz genau der Zeit entsprechen, die die Erde benötigt, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Damit die Körpervorgänge an die Tageslänge angepasst sind, muss der Suprachiasmatische Nucleus als zentraler Taktgeber geeicht werden. Dies geschieht mithilfe des Lichts.

Für wechselnde Lichtverhältnisse sorgt neben der Sonne auch der von ihr angestrahlte Mond. Dieser braucht gut 27 Tage, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. In der gleichen Zeit dreht er sich einmal um die Erde. Von einem Vollmond zum nächsten vergehen etwa 29,5 Tage. Der zeitliche Unterschied zur Umlaufzeit rührt daher, dass Mond und Erde auf ihrer Bahn um die Sonne ein Stück weiterziehen, während der Trabant den Planeten umrundet. Der Mond steht deshalb nach einem Umlauf um die Erde noch nicht wieder in der gleichen Position zur Sonne.

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mondlicht und der inneren Uhr gibt, belegt eine Studie, die kürzlich von einer Forschergruppe um Martin Zurl von der Universität Wien im Fachjournal "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften veröffentlicht worden ist. Zu den Autoren gehört auch die Biologin Kristin Tessmar-Raible, die auf eine gemeinsame Professur der Universität Oldenburg und des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts berufen worden ist. Die Forscher befassen sich in ihrer Studie mit einem Meereswurm, der den wissenschaftlichen Namen Platynereis dumerilii trägt. Die etwa drei Zentimeter langen Tiere, die am Meeresboden leben, bewegen sich in Abhängigkeit vom Mond- und Sonnenzyklus Richtung Wasseroberfläche. Um sich fortzupflanzen, geben die Borstenwürmer ihre Eier und Spermien zu ganz bestimmten Nachtstunden – nämlich in der dunkelsten Phase – ans offene Meer ab.

Tiere finden idealen Zeitpunkt

Wie die Wissenschaftler erklären, beeinflusst das Mondlicht die circadiane Uhr der Tiere, und zwar so, dass die täglichen Veränderungen bei den Lichtverhältnissen berücksichtigt werden können. Den Borstenwürmern gelingt es auf diese Weise, den idealen Zeitpunkt zur Abgabe der Eier und Spermien zu finden. "Unsere Arbeit zeigt, dass hinter der Beobachtung, dass die circadiane Uhr eines Individuums unterschiedlich schnell laufen kann, eine ökologische Bedeutung steckt", erläutert Kristin Tessmar-Raible.

Für den Einfluss des Mondlichts auf das Verhalten von Lebewesen haben Wissenschaftler viele Beispiele gefunden. So machten Untersuchungen von Forschern des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell deutlich, dass die auf den Galapagosinseln heimischen Gabelschwanzmöwen vor allem bei Neumond über das offene Meer fliegen und Tintenfische sowie kleine Fische jagen. Wenn es dagegen nachts sehr hell ist und Tiere wie Tintenfische die Nähe zur Oberfläche meiden, bleiben die Möwen dem Wasser fern. Auch Eulen, Schwalben und Fledermäusen wird nachgesagt, sich beim Jagen an den Mondphasen auszurichten.

Wenn Menschen schlecht schlafen

Eine Gruppe von Forschern aus Basel um Professor Christian Cajochen hat vor einigen Jahren bei der Untersuchung von 30 Testpersonen festgestellt, dass bei Vollmond die Aktivität in jenen Hirnarealen, die mit tiefem Schlaf in Verbindung gebracht werden, deutlich abnahm. Außerdem brauchten die Studienteilnehmer im Schnitt fünf Minuten länger, um einzuschlafen, schliefen insgesamt 20 Minuten weniger und wiesen vergleichsweise niedrige Melatoninwerte auf. Dennoch zeigen sich Experten bei Aussagen über den Einfluss des Mondlichts auf die Schlafqualität weiterhin zurückhaltend. Ein Grund ist die relativ geringe Teilnehmerzahl bei entsprechenden Studien.

Zur Sache

Warum nur eine Mondseite sichtbar ist

Dass von der Erde aus nur eine Hemisphäre des Mondes zu sehen ist, liegt an einem Phänomen, das Astronomen als gebundene Rotation bezeichnen. Der Erdtrabant braucht gut 27 Tage, um sich einmal um sich selbst zu drehen. In der gleichen Zeit dreht er sich einmal um die Erde, und dies hat zur Folge, dass er dem Blauen Planeten stets dieselbe Seite zuwendet. Dass der Mond gewissermaßen von der Erde gefesselt wird, liegt an der als Gravitation bezeichneten Eigenschaft von Massen, andere Massen anzuziehen. Die Erde bremst mit ihrem mehr als dreimal so großen Durchmesser von rund 12.700 Kilometern den Mond so in seiner Rotation ab, dass sich diese an die Umlaufzeit angepasst hat.

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