Alte Bäume, so sagt der Volksmund, soll man nicht verpflanzen. Das Risiko sei zu groß, dass sie eingehen. Aber lässt sich ein 100 Jahre alter Verein, der seine Wurzeln traditionell im Viertel und der Pauliner Marsch hat, an einen völlig anderen Standort versetzen? Dass es geht, hat in den 1960er-Jahren der ATSV Bremen 1860 gezeigt. Heute schlägt das Herz des Vereins in Schwachhausen.
Schwachhausen. Es war schon eine tiefgreifende Entscheidung, die Vereinspräsident Hermann Wentzien 1960, dem Jahr des 100-jährigen Bestehens des Vereins ATSV Bremen 1860, traf. Die genutzten Anlagen in der Pauliner Marsch platzten aus allen Nähten. Eine Erweiterung war kaum möglich. Die vielen Sportlerinnen und Sportler sehnten sich nach einer eigenen Halle – denn die hatte der Verein damals nicht. Er war nur Gast in Schulsporthallen am Barkhof und dem Hermann-Böse-Gymnasium.
Es existieren noch Schriften und Skizzen, die den geplanten Bau einer Halle auf Stelzen direkt am Osterdeich, den heutigen Parkplätzen vor dem Weser Stadion, belegen. Auf Stelzen deswegen, weil dieses Gelände Weser-Überflutungsgebiet war. Doch davon nahm der Verein Abstand. Zu teuer und zu aufwendig.
Auf der Suche nach geeigneten Ausweichflächen für ein zweites Standbein wurde der Verein schließlich im oberen Schwachhausen fündig. Am damaligen östlichen Stadtrand zwischen Innenstadt und Universität – genau am Baumschulenweg – standen ausreichend große Freiflächen zur Verfügung. Zudem fehlte eine Sporthalle für die dort gelegene Schule.
Von der Idee für eine zweite Vereinsanlage bis hin zur Grundsteinlegung einer Halle bedurfte es vieler Gespräche und vor allem Überzeugungsarbeit. Nicht wenige sahen das Aus für den Verein gekommen. Würden die Mitglieder den Umzug mitmachen? Hermann Wentzien blieb eisern. Und die Mitglieder wurden damit besänftigt, dass doch die Sportstätten in der Pauliner Marsch weiterhin Bestand hätten.
Am 30. April 1961 wurde der Grundstein für eine Dreifach-Sporthalle mit knapp 1000 Quadratmeter Spiel- und Sportfläche gelegt. Sie war überwiegend privat finanziert und auf dem neuesten Stand der Technik. Mit riesigen Hänge-Schwebe-Faltstores war sie in drei Bereiche aufzuteilen. Sie existieren heute noch „und könnten fast schon unter Denkmalschutz stehen“, sagt Geschäftsführer Horst Neumann.
Mehr als 1,25 Millionen D-Mark nahm der Verein damals in die Hand. Einen Teil der Summe spielten damals die Fußballer ein, die zehn Jahre zuvor, 1951, vor rund 100000 Zuschauern in Berlin erster deutscher Amateurmeister geworden waren. Mit 500000 D-Mark trug die dem Verein wohlgesonnene Kupsch-Stiftung zur Finanzierung bei. Vom Bund kamen 150000 D-Mark, 100000 von der Stadt. Der Rest wurde mit Krediten bedient, für den die Mitglieder des Vereins bürgten.
Als am 3. Februar 1963 – also vor nunmehr 50 Jahren – die Halle offiziell eröffnet wurde, waren weit mehr als 1000 Gäste versammelt, unter ihnen als Festredner Willy Daume, der Präsident des Deutschen Sportbundes.
Umzug nicht ganz reibungslos
Ganz reibungslos ging der Umzug aber doch nicht vonstatten. Zwar blühte im neuen Vereinszentrum der Sport auf. Aber die großen Anlagen in der Pauliner Marsch bereiteten dem Verein doch viele Probleme. Nach und nach gab er die Anlagen und auch die erst 1973 erbaute Sporthalle auf und zog sich komplett nach Schwachhausen zurück.
Finanzielle Sorgen, Misswirtschaft einiger Sport-Abteilungen und eine Umlage von 50 Euro pro Mitglied stürzten den Verein in den Jahren 1981/82 in eine schwere Krise. Fast 500 Vereinsaustritte waren zu vermelden. Nur noch 1200 standen auf der Mitgliedsliste. Zudem bestand großer Sanierungsstau. Es bedurfte da schon weiterer Visionen, um den Verein nicht nur auf Kurs zu halten, sondern ihn auch wieder in ruhige Fahrwasser zu schippern.
Einer der Visionäre war Siegfried Falke, der den Verein als Außenstehender übernahm und die Strukturen völlig umkrempelte. Er schnitt alte Zöpfe ab und verordnete dem Klub ein völlig neues Image und eine neue Ausrichtung. Vor allem trieb er den Bau weitere Hallen voran – ein Glücksfall für den Verein, der heute gleich zehn Hallen auf seinem Gelände besitzt und auf über 7000 Mitglieder angewachsen ist.
Ein Glücksfall war auch die Verpflichtung zweier Männer, ohne die Bremen 1860 bei weitem nicht dort stünde, wo der Verein heute ist: Horst Neumann, der Geschäftsführer, und Raimund Michels, der weit über die Grenzen der Stadt bekannte „Barde mit der Gitarre“, der das Kinderbewegungs-Zentrum entwickelt und zur Blüte gebracht hat.
Jetzt sieht der Verein die Zeit gekommen, die „50 Jahre Baumschulenweg“ entsprechend zu würdigen. Am Sonnabend, 31. August, wird gefeiert. Es gibt bei Kaffee und Kuchen und später bei Freibier und Grillwürsten ab 14.30 Uhr ein flottes Programm, bei dem Show und Unterhaltung gleichermaßen geboten werden. „Wir präsentieren einen Querschnitt durch unser Vereinsprogramm“, verspricht Präsident Peter Scheuer. Das Organisationsteam mit ihm an der Spitze, sowie mit Susanne Albers, Sabine Detje, Alexandra Zapetina und Sebastian Stern, hat eine unterhaltsames Programm entwickelt.
Natürlich hat Raimund Michels, der immerhin schon seit 39 Jahren dabei ist, seine Bewegungslandschaft aufgebaut. Aus dem „Off“ wird die Halle aus ihrer wechselvollen Geschichte mit der Stimmte von Axel Pusitzky erzählen. Und auch einige Zeitzeugen wie Peter Schlee, Klaus Kusche, Hartmut Schabacker oder Gertrud Ehlers sind vor Ort. Sportsenator Ulrich Mäurer führt die Gästeliste an. Eingeladen aber sind alle. „Nicht nur Mitglieder sind uns willkommen. Unsere Türen stehen für jedermann an diesem Sonnabend offen“, unterstreicht Präsident Scheuer.