Die Menschheit ist auf das angewiesen, was die Natur ihr bietet: Flächen zum Bauen, Nahrung, Wasser zum Trinken und weitere Rohstoffe aller Art. Verkraften muss die Natur nicht nur diese Ansprüche, sondern auch die Begleiterscheinungen menschlicher Aktivitäten, etwa in Gestalt von Abfällen und Schadstoffen. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die Weltbevölkerung mittlerweile auf rund acht Milliarden angewachsen ist und aller Voraussicht nach weiter zunehmen wird und dass in aufstrebenden Staaten mehr Menschen so leben möchten, wie es die Bewohner reicher westlicher Industrieländer schon lange tun. Was dies bedeutet, zeigt sich unter anderem in China: Es wird mehr Fleisch gegessen. Wissenschaftler plädieren schon lange dafür, den seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch im weltweiten Durchschnitt stark gestiegenen Fleischkonsum pro Kopf zu senken; dies sei nötig, um einer Überlastung der natürlichen Lebensgrundlagen entgegenzuwirken. Verschiedene kürzlich vorgestellte Studien vermitteln einen Eindruck davon, was damit im Einzelnen gemeint ist.
Platzbedarf zulasten von Ökosystemen
Pro Kopf und Jahr wird nirgendwo mehr Fleisch verzehrt als in Australien, Neuseeland und den USA: deutlich mehr als 100 Kilogramm. Zum Vergleich: In der Europäischen Union sind es durchschnittlich etwa 80 Kilogramm. Diesen Wert nennt die Universität Bonn, deren Mitarbeiter Professor Matin Qaim und Martin Parlasca die verschiedenen Facetten des Fleischkonsums in einem Übersichtsbeitrag für das Fachjournal „Annual Review of Resource Economics“ beleuchten. Die Nutztierhaltung wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Umwelt aus. So geht sie mit einem vergleichsweise hohen Platzbedarf einher, der letztlich zulasten von Ökosystemen und damit des Artenreichtums geht. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass im Verdauungstrakt von Wiederkäuern wie Rindern und Schafen größere Mengen des Treibhausgases Methan entstehen. Einrichtungen wie das Bundesumweltamt messen der Viehhaltung deshalb auch mit Blick auf die globale Erwärmung Bedeutung bei.
Große Getreidemengen verfüttert
Qaim und Parlasca kommen vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Kenntnisstands zu dem Schluss, dass sich die Ernährung der Menschheit nur dann auf Dauer sichern lässt, wenn die Industrienationen den Fleischverzehr deutlich verringern. Ideal wären demnach höchstens 20 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Derzeit wird nach den Worten von Qaim etwa die Hälfte des weltweit geernteten Getreides verwendet, um Tiere zu füttern. Im Interesse der Sicherung der menschlichen Ernährung müsse diese Menge reduziert werden.
Für ihre Studie haben die beiden Wissenschaftler eine Vielzahl von Erkenntnissen zusammengetragen. Danach hat sich auch gezeigt, dass eine Umstellung auf eine rein vegetarische oder gar vegane Ernährung im globalen Maßstab falsch wäre. So gibt es Regionen, in denen sich keine pflanzlichen Lebensmittel anbauen lassen. „Wir können uns nicht von Gras ernähren, Wiederkäuer aber sehr wohl“, erklärt Parlasca. „Wenn sich Grasland nicht anders nutzen lässt, ist es daher durchaus sinnvoll, darauf Vieh zu halten.“ Auch aus Umweltsicht sei kaum etwas dagegen einzuwenden, solang die Natur schonend behandelt werde und nicht zu viele Tiere auf Weiden gehalten würden. Dort, wo es an pflanzlichen Quellen für hochwertige Eiweißstoffe (Proteine) und Mikronährstoffe mangele, seien Tiere ein zentrales Element für eine gesunde Ernährung.
Als Mikronährstoffe werden Vitamine und Mineralstoffe wie das als Knochenbaustein benötigte Kalzium und das an der Produktion des Blutfarbstoffs beteiligte Eisen bezeichnet. Als gute Eisenlieferanten gelten beispielsweise auch Getreide, Hülsenfrüchte und grünes Blattgemüse. Hochwertige Proteine wiederum sind nicht nur in Fleisch, sondern auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rechnet zu den besten pflanzlichen Proteinquellen neben Hülsenfrüchten wie Linsen unter anderem auch Kürbis- und Sonnenblumenkerne sowie Pfifferlinge. Proteine werden vom Organismus benötigt, um die Gerüste von Zellen und Geweben sowie Enzyme herzustellen. Enzyme sind Proteine. Sie steuern biochemische Reaktionen. Sogenannte Amylasen – um ein Beispiel zu nennen – sorgen im Körper dafür, dass Stärke gespalten wird.
Ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein
Produkte, die zwar an Fleisch erinnern, aber kein Fleisch sind, werden inzwischen selbst in deutschen Supermärkten in größerer Zahl angeboten – von Weizen-Salami über Tofu-Schnitzel bis zum Soja-Hack. Eine neue Studie, die im Fachjournal „Food Quality and Preference“ erscheint, legt einen Bewusstseinswandel in jüngster Zeit nahe. Die Forschergruppe von der Universität Bonn um Nick Marcus kommt bei der Auswertung von Umfragedaten aus dem Jahr 2017 zu dem Schluss, dass damals bei der Entscheidung für Fleischersatz in der Regel keine ökologischen Überlegungen im Vordergrund standen. Wichtiger seien ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein und Gedanken an das Tierwohl gewesen. Mittlerweile jedoch sei das Thema Umwelt stärker ins Blickfeld gerückt. Anzunehmen sei, dass mehr Menschen über mögliche negative Auswirkungen des Fleischkonsums auf Ökosysteme informiert seien.
Stammzellen werden kultiviert
Wenn es um Alternativen zu herkömmlichen Fleischprodukten geht, ist inzwischen häufig auch vom sogenannten In-vitro-Fleisch die Rede. Solches Fleisch wird außerhalb lebender Organismen aus Muskelstammzellen hergestellt, das heißt: Einem Tier wie einem Rind oder Schwein werden Stammzellen entnommen und anschließend in einem Nährmedium kultiviert. Singapur hat 2020 mit Hühnerfleisch aus Zellkulturen als erstes Land der Welt In-vitro-Fleisch zugelassen. Dass das Thema In-vitro-Fleisch im öffentlichen Bewusstsein noch kaum eine Rolle spielt, belegt eine im Fachjournal „Foods“ vorgestellte Arbeit einer Gruppe der Universität Osnabrück um Jacqueline Dupont. Bei der Befragung von rund 500 Erwachsenen stellte sich heraus, dass nur ein knappes Drittel den Ausdruck In-vitro-Fleisch kannte.