Woran liegt es, dass die verschiedenen Vertreter einzelner Tierarten ungefähr die gleiche Körpergröße erreichen? Worauf beruhen individuelle Größenunterschiede? Warum schwankt zum Beispiel die Größe von Menschen erheblich? Kommt es nur auf die Gene an, oder spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle? Zu den Forschungserfolgen gehört, dass es an Antworten auf Fragen wie diese nicht mangelt – auch wenn keineswegs alles bis ins letzte Detail geklärt ist.
Lebewesen bestehen aus unterschiedlichen Arten von Zellen. So ist beispielsweise Schätzungen zufolge der menschliche Körper aus ungefähr 100 Billionen Zellen mit Größen zwischen etwa einem zehntel und einem hundertstel Millimeter aufgebaut. Dass die am Ende erreichte Körpergröße mit der Dauer des Wachstums sowie der Anzahl und der Größe der dabei gebildeten Zellen zusammenhängt, liegt ebenso nahe wie die Annahme, dass das Erbgut in den einzelnen Zellen eine zentrale Rolle für deren Entwicklung spielt. Dass große Eltern oft große Kinder haben, deutet auf eine herausragende Bedeutung genetischer Faktoren hin.
Zahlreiche Genvarianten beteiligt
Der Einfluss der Gene auf das Größenwachstum ist in den vergangenen Jahren unter anderem im Rahmen eines internationalen Projekts mit der Bezeichnung GIANT (Genetic Investigation of Anthropometric Traits) untersucht worden. Im Laufe der Zeit ermittelten die Forscher eine Vielzahl an Varianten von Erbanlagen, die für die Körpergröße wichtig sind. So stellten Teilnehmer des Projekts im Jahr 2017 im Fachjournal "Nature" 83 Genvarianten vor, denen sie besonderes Gewicht beimessen. Sie hatten das Erbgut von mehr als 700.000 Menschen analysiert. Manche der 83 Genvarianten können die Größe nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler um zwei Zentimeter steigern – unter anderem dadurch, dass sie die Entwicklung von Knochen und Knorpelmassen entsprechend beeinflussen.
Unterschiedlich schnelles Wachstum
Zu den Alltagserfahrungen gehört, dass manche Kinder schnell in die Höhe schießen, während andererseits selbst zahlreiche Jugendliche lange vergleichsweise klein bleiben. Mit anderen Worten: Menschen wachsen unterschiedlich schnell, erreichen am Ende aber häufig eine ähnliche Körpergröße. Dass sich bei Tieren Vergleichbares beobachten lässt, zeigt unter anderem eine Studie Schweizer Forscher, die kürzlich im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlicht worden ist. Klement Stojanovski von der Universität Bern und seine Mitautoren befassen sich darin mit Fadenwürmern.
Nach den Angaben der Wissenschaftler scheint es einen Mechanismus zu geben, der ein gewisses Maß an Einheitlichkeit bei den Körpergrößen der verschiedenen Tiere gewährleistet. Der an der Studie beteiligte Professor Benjamin Towbin schildert ihn mit den folgenden Worten: "Der Mechanismus erkennt, wie schnell ein Individuum wächst, und passt die Zeit, nach der dieses Individuum erwachsen wird, entsprechend an." Anders formuliert: Wächst ein Tier langsamer, tut es dies dafür über einen längeren Zeitraum – mit dem Ergebnis, dass sich die Körpergrößen am Ende ähneln. Ermöglicht wird dies nach den Erkenntnissen der Forscher dadurch, dass Dauer und Geschwindigkeit des Wachstums über bestimmte Gene miteinander verknüpft werden, das heißt: Die Gene werden zyklisch ein- oder ausgeschaltet. Gene liefern die Bauanleitungen für die Herstellung von Eiweißstoffen (Proteinen), also Grundbausteinen von Zellen.
Wie Towbin erklärt, ist anzunehmen, dass ein ähnlicher Mechanismus auch in anderen Arten von Lebewesen wirkt, so etwa in Wirbeltieren, das heißt Tieren mit einer Wirbelsäule. Nach Bedarf ein- oder ausgeschaltete Gene spielen auch bei der Entwicklung der Wirbelsäule eine Rolle, indem sie die richtige Größe und Anzahl der Wirbel sicherstellen.
Gute Ernährung zeigt Wirkung
So wichtig Gene auch sind – Körpergrößen hängen nicht nur von ihnen ab. So hat sich unter anderem herausgestellt, dass auch die Ernährung einen großen Einfluss ausübt. Qualitativ hochwertige Nahrung in ausreichenden Mengen kann wesentlich dazu beitragen, dass junge Menschen zu großen, schlanken Erwachsenen heranreifen. Eindrucksvoll verdeutlicht hat dies eine umfangreiche Analyse von Daten aus aller Welt, die Ende 2020 im Fachjournal "The Lancet" vorgestellt worden ist. Danach sind die Menschen in Nordwest- und Mitteleuropa im Schnitt am größten.
Der Einfluss der Umweltbedingungen auf die Größe von Lebewesen gilt seit Langem als erwiesen. Schon im 19. Jahrhundert stellte der deutsche Mediziner Carl Bergmann (1814 bis 1865) fest, dass bei nahe verwandten Arten von Tieren, die gleichwarm sind, also eine Körpertemperatur haben, die sich stets auf einem annähernd gleichbleibenden Niveau bewegt, die Körpergröße zu den Polen hin zunimmt. Diese Beobachtung wird als Bergmannsche Regel bezeichnet.
Auch das Klima hinterlässt Spuren
Eisbären – um ein Beispiel zu nennen – sind größer als ihre Verwandten in wärmeren Teilen der Erde. Fachleute bringen dies mit dem Umstand in Verbindung, dass die Größe hilft, den Wärmeverlust zu verringern. Hintergrund ist die Tatsache, dass bei einer Zunahme der Größe die Körperoberfläche langsamer wächst als das Volumen. Im Verhältnis zum Volumen ist die Körperoberfläche bei großen Tieren kleiner als bei kleinen Tieren. Kleinere Körper kühlen leichter aus.