Es wird ein aufregender Abend: Am Sonnabend soll nach knapp 37 Jahren und mehr als 200 Shows die letzte Ausgabe von „Wetten, dass..?“ über die Fernsehbildschirme flimmern. Zumindest die letzte Show mit ihrem langjährigen Moderator Thomas Gottschalk. Der begründet sein Ausscheiden in der „Bild“ wie folgt: „Die Zeit der großen Live-Unterhaltung am Samstagabend ist einfach um.“ Aber ist das wirklich so?
Die Zuschauerzahlen der vergangenen zwei Sendungen sprechen nicht unbedingt dafür, dass nach der Show im November Schluss sein sollte. 2021 waren es mehr als 14 Millionen Zuschauer, vergangenes Jahr immerhin rund zehn Millionen. Abgesehen von großen Fußball-Übertragungen sind derartige Zahlen nur schwer zu erreichen. Zum Vergleich: Der Eurovision Song Contest schaffte es in diesem Jahr auf knapp acht Millionen Zuschauer in Deutschland. Selbst die Krönung von Charles III. brachte hierzulande nur knapp sieben Millionen Menschen vor den Fernseher. Und das, obwohl sie auf mehreren Sendern gleichzeitig lief.
Auch andere Live-Shows, die in den vergangenen Jahren Erfolge feierten, wie "The Masked Singer", "Let’s Dance", "Schlag den Star" oder diverse Joko-und-Klaas-Formate kommen nicht annähernd an die "Wetten, dass..?"-Zahlen heran. Sie alle richten sich aber auch eher an ein jüngeres Publikum. Und gerade das sieht immer weniger fern.
Ein großer Fehler, der bei vielen dieser Formate (neben zu viel Werbung) gemacht wird: Ist eine Show erfolgreich, wird sie so sehr ausgeschlachtet, dass sie dem Zuschauer schnell zum Hals raushängt. Ist eine Staffel beendet, steht die nächste gefühlt schon in den Startlöchern.
Einmal jährlich ist der richtige Turnus
Mit der Entscheidung, "Wetten, dass..?" nicht wie früher sechs bis sieben Mal pro Jahr, sondern nur noch jährlich zu veranstalten, haben die Verantwortlichen seit dem großen Comeback 2021 alles richtig gemacht. So hat man immerhin zwölf Monate Zeit, um wieder Vorfreude aufzubauen. Oder alternativ, um zu vergessen, dass das Gucken beim letzten Mal irgendwie gar nicht mehr so viel Spaß gemacht hat wie früher.
Um die Eingangsfrage zu beantworten: Die Zeit der Show ist noch nicht um, auch, wenn ihr Moderator das anders sieht – zehn Millionen Zuschauer sprechen für sich. Kein Wunder also, dass das ZDF sich den Entschluss, ob es auch ohne Gottschalk weitergehen soll, noch offen hält.
Für Gottschalk persönlich ist es dennoch die richtige Entscheidung, einen Schlussstrich zu ziehen. Gerade beim jüngeren Publikum war er nach der Sendung im vergangenen Jahr in die Kritik geraten: Er guckte in die falsche Kamera, er sprach Menschen mit falschem Namen an, er haute chauvinistische Sprüche raus. Angeblich aufgrund von Tonproblemen klang er zudem die gesamte Sendung über, als würden seine Dritten nicht richtig sitzen. Viele Zuschauer haben seine Co-Moderatorin Michelle Hunziker als wortführend wahrgenommen und hatten das Gefühl, dass sie Gottschalk immer wieder in die richtige Richtung lenken musste. Der "Stern" sprach sogar fies von "betreutem Moderieren".
An Gottschalk selbst prallt das ab. Anpassung und Zweifel an der eigenen Person waren noch nie seine Stärken. Seine Reaktion: Er moderiert die letzte "Wetten, dass..?"-Folge ohne Hunziker und sagte der "Bild": „Ich brauche keine junge, blonde Frau an meiner Seite, die mir zeigt, wo’s langgeht.“ Das klingt stark nach angekratztem Ego und übersteigertem Geltungsbedürfnis.
Der Sender sollte den Einfluss Gottschalks auf die guten Quoten jedoch nicht unterschätzen: Der 73-Jährige polarisiert, und für den Erfolg einer Sendung ist das nicht unbedingt schlecht. Die einen schalten aus nostalgischen Gründen ein und weil sie den blond gelockten Haribo-Mann super finden, die anderen, weil sie nur auf einen Fehler warten, über den sie sich in den sozialen Medien aufregen oder lustig machen können.
Auch bei der Show an diesem Wochenende wird das nicht anders sein. Beim Radiosender SWR 3 kündigte Gottschalk bereits an, dass er sich nicht vorbereiten werde: „Ich gehe raus und sage, was mir zumute ist“, so der Moderator. Ob das gut geht? Jede Wette, dass er sich damit zum Abschied noch einmal einen Shitstorm einhandeln wird. Top, die Wette gilt?