Der Chef sagt, über den Namen hätten sie am Ende lieber die Fans abstimmen lassen. War dann doch ein wenig heikel das Ganze. Dabei hätten er und seine Kollegen von Anfang an einen klaren Favoriten gehabt, sagt Robert Dahl. Aber kann man das wirklich machen? Eine Attraktion im neuen Erlebnispark Pipi-Kaka-Land nennen?
Kann man, wie sich zeigen sollte. Denn bei der anschließenden Online-Abstimmung entschied sich die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für Pipi-Kaka-Land. „Irgendwie verrückt, aber irgendwie auch geil“, sagt Dahl, der Mann hinter Karls Erlebnisdörfern.
Der 54-Jährige, roter Bauarbeiterhelm auf dem Kopf und Warnweste über der Collegejacke, steht auf einem Gelände am Ortsrand von Loxstedt. Industriegebiet. Die A27 kann man von hier aus fast sehen, Bremerhaven ist auch ganz nah. Dahl findet den Ort ideal. Man kommt schnell und bequem hin. Hier soll in gut sechs Wochen das siebte Erlebnis-Dorf von Karls in Deutschland öffnen, das erste in Niedersachsen, und das erste, vermutlich weltweit, mit einem Pipi-Kaka-Land.

Erdbärchen Karlchen ist das Maskottchen des Unternehmens. Karlchen hat viele Freunde und erlebt Abenteuer in Hörspielen und seit Kurzem auch in Trickfilmen.
Das muss Dahl genauer erklären. Mit irgendeiner Besonderheit sollte der neue Park punkten, hatten sie sich in der Geschäftsführung überlegt. In Bremerhaven sollen im 19. Jahrhundert die ersten öffentlichen Toiletten in Norddeutschland entstanden sein, „im Hafen, so hat man es uns erzählt“, sagt Dahl. Ob das wirklich stimmt? Das Stadtarchiv Bremerhaven teilt auf Anfrage des WESER-KURIER mit, dass es dafür keine Anhaltspunkte habe. Könnte aber sein, und deshalb finden sie die Idee bei Karls gut.
„Dort hinten“, sagt Dahl und weist Richtung Nordosten, „dort hinten wird ein überdimensionales Klo entstehen.“ Sechs Meter hoch, das Abflussrohr eine Rutsche, und jetzt kommt’s, „ein bisschen ekelig vielleicht, aber unten am Ziel verkaufen wir Eis“. Softeis, braun natürlich, serviert in einem Eisbecher in Form einer Kloschüssel. „Können Sie anschließend mit nach Hause nehmen“, sagt Dahl, „ich hab’ schon einen Klobecher auf meinem Schreibtisch stehen.“
Bei Karls mögen sie ausgefallene Ideen. Im Karls-Manifest steht zum Beispiel, dass Verbote in Karls Erlebnisdörfern verboten sind. Dafür darf man, wenn man zum Karls-Team gehört, gerne groß denken. Die Klorutsche zum Beispiel soll 14 Meter lang werden. Und die Erdbeere, durch die die Gäste demnächst mit der Erdbeerraupe Achterbahn fahren, wird acht Meter hoch sein.

Die Erdbeerraupe ist schon da, auch die Schienen, auf der sie Achterbahn fährt, sind aufgebaut. Am 15. Mai soll alles fertig sein.
Im Moment arbeitet Andreas Heberl mit seinem Team noch an der Fertigstellung. „Betonkünstler“ hat Dahl die Männer vorhin beim Rundgang über das Gelände genannt. Betonkünstler, das gefällt Heberl. „Felsenbauer“ nennen sich die Bayern offiziell. Sie haben Kunstfelsen im Zoologischen Stadtgarten in Karlsruhe und im „Parc Asterix“ bei Paris errichtet, waren auch schon in Dänemark und in England. Im Moment tarieren Heberl und seine Männer die Stangen für das Grundgerüst aus, das später noch verschweißt wird. Wenn das Gerüst mit Plastikmatten verkleidet ist, trägt das Team zum Abschluss eine fünf Zentimeter dicke Schicht Spritzbeton auf. Rot angemalt ist die Erdbeere fertig.
Am 15. Mai sollen die ersten Besucher mit der Bahn durch die Löcher rauschen, die die Raupe in die Erdbeere hineingefressen hat. Das Datum für die Eröffnung mutet beim Blick auf die aktuelle Baustelle ambitioniert an. Denn noch wird an mindestens hundert Stellen geschweißt, geflext, gehämmert, gebuddelt und gesägt. Die Zufahrtsstraße muss auch noch verbreitert werden, erhält Rad- und Fußweg. Fast 200 Menschen arbeiten im Moment Tag für Tag auf der Baustelle. 200 Angestellte wird Karls hier demnächst auch beschäftigen. Mit 300.000 Besuchern im Jahr kalkuliert man am Standort Loxstedt.

Das Grundgerüst für die Erdbeere, durch die schon bald die Erdbeer-Raupe sausen soll.
„Wir schaffen das“, sagt Dahl zum Zeitplan. Nicht viel mehr als ein halbes Jahr hätten sie dann für die Fertigstellung gebraucht. Vor fünf Wochen sei er das letzte Mal auf der Baustelle gewesen, sagt Dahl, „und da stand hier noch gar nichts“. Fünf Wochen später wird gerade der Parkplatz für bis zu 900 Autos asphaltiert, stehen mehrere Gebäude als Rohbau; der Tregger-Grill, dort wird es Burger geben; die Scheune mit Accessoires für Haus, Hof und Garten; das Erdbeer-Café Elisabeth und der Bahnhof für die Treckerbahn. 180 Betonpfähle, jeder 20 Meter lang, mussten im Boden versenkt werden, um die Gebäude tragen zu können, zu feucht und morastig der Untergrund. „So etwas hatten wir vorher auch noch nicht“, sagt Dahl. Jetzt kennen sie das norddeutsche Marschland.
Spielen, Essen und Einkaufen an 365 Tagen im Jahr vor den Toren Bremerhavens, und fast alles dreht sich um die Erdbeere: Ihrem Erfolgsrezept wollen sie bei Karls auch in Loxstedt treu bleiben. Der Eintritt ins Dorf ist frei, die meisten Spielplätze dürfen ebenfalls kostenlos genutzt werden. Den Umsatz macht das Unternehmen mit den Fahrgeschäften, die Geld kosten, und durch den Verzehr in der Gastronomie vor Ort.

In dieser Ecke werden künftig Bonbons hergestellt, in einer offenen Küche und damit vor den Augen der Besucher.
Das Herz von Karls Erlebnisdorf schlägt in dem einzigen Gebäude, das schon stand, als das Unternehmen die vier Hektar Fläche von der Gemeinde erworben hatte. Ein Karls-Mitarbeiter war im Internet bei Ebay auf die Ausschreibung für das Grundstück gestoßen.
In dem ehemaligen Famila-Gebäude, das von innen komplett umgebaut wird und 4000 Quadratmeter groß ist, sind die ersten Hinweise auf die Manufakturen erkennbar, die hier entstehen. Theken, Tische und Stühle, noch verpackt, und große Gerätschaften; Backöfen, Kühlkammern, Fermentierer. Vor den Augen der Kunden werden Karls-Mitarbeiter hier bald Marmelade kochen, Brote backen, Kaffee rösten, Seifen, Eiscremes, Bonbons und Schokoladen herstellen – und dann verkaufen.

Abgesehen vom Hauptgebäude, das stand schon, sind alle anderen Häuser in Karls Erlebnisdorf innerhalb von wenigen Wochen hochgezogen worden.
Ein Plätzchen in der Halle ist für die Karls Bande reserviert, die hauseigenen Comicfiguren. Erdbär Karlchen und seine Freunde erleben spannende Geschichten; Superhirn und Chefin Käthe, Sportskanone Kasimir, Querkopf Karina und Perser-Kater Magnus Maximus. Hörspiele gibt es schon, Plüschtiere sowieso, und inzwischen auch noch sechs Trickfilme. In der jüngsten Folge, das muss Dahl eben noch erzählen, hat Dr. Poggy eine Zeitmaschine erfunden, doch statt in der Zukunft landen Karlchen und seine Freunde bei den Dinosauriern. Was für ein Spaß.
Rund 25 Millionen Euro hat Karls für das Erlebnisdorf in Loxstedt laut Firmenchef Dahl in die Hand genommen. Angeblich jeden Cent aus dem laufenden Geschäft, nichts auf Pump von den Banken. „Was wir verdienen, wird zu 99 Prozent reinvestiert“, hatte Dahl dem WESER-KURIER im vergangenen Herbst in einem ausführlichen Interview gesagt. Loxstedt wird nicht die letzte Neueröffnung sein. Auch in Oberhausen und in Franken wird zurzeit an Erlebnisdörfern gebaut. Das wären dann die Nummern acht und neun im Karls-Land. Irgendwann, dieses Ziel hat Dahl, früh ausgegeben, soll man von jedem Punkt in Deutschland innerhalb von einer Stunde mit dem Auto einen Karls erreichen können. Von Bremen aus ist das in wenigen Wochen möglich.