Dann schau doch mal bei Wikipedia!“ – das ist wohl ein Satz, den jeder von uns in den vergangenen Jahren verwendet hat, wahrscheinlich häufiger als je zuvor. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia dürfte mittlerweile zu dem gehören, was man Brot und Butter des Internets nennt. Viele der Digital Natives, also Menschen der Jahrtausendwende-Generation, haben vermutlich noch nie einen Blick in konventionelle Lexika gewagt, weil der Informationsfundus im Netz so viel mehr hergibt und natürlich auch leichter zu erreichen ist. Und in diesem Jahr feiert die Wikipedia ihren 20. Geburtstag – ein Grund mehr für uns, in der Datenkolumne einen kleinen Blick in die Vergangenheit des Geburtstagskinds zu werfen.
Das, was heute als das größte Online-Lexikon der Welt bekannt ist, fand seinen Anfang schon vor mittlerweile fast 30 Jahren, mehr oder weniger zu den Anfangszeiten des kommerziellen Internets, wie wir es heute kennen. So wurde 1993 die Idee einer Newsgroup mit dem Titel „Interpedia“ diskutiert, der jedoch kein Erfolg beschert war. Ebenso wenig konnte sich der 1999 initiierte Nachfolger „Gnupedia“ behaupten. Erst der vom Internet-Unternehmer Jimmy Wales im Jahr 2000 maßgeblich initiierte Vorläufer der Wikipedia, die Nupedia, hatte nachhaltig Bestand. Zunächst war das Online-Lexikon allein für den englischsprachigen Raum konzipiert und in der Organisation anders zu heute aufgebaut: So mussten sich Autoren noch bewerben, wenn sie Texte einreichen wollten und ihre Beiträge wurden mit einem wissenschaftlichen Verfahren geprüft. Die Wikipedia, wie wir sie heute kennen und in der theoretisch jeder mitwirken kann, entstand erst 2001 – und deshalb ist der 15. Januar 2001 auch die offizielle Geburtsstunde der Wikipedia, denn an jenem Tag war sie das erste Mal unter www.wikipedia.com abrufbar. Das „Wiki“ steht dabei für „schnell“ (weil die Websites untereinander verlinkt sind) und das „pedia“ – wenig überraschend – für „Encyclopedia“. 2003 schließlich wurde die Wikimedia Foundation mit Sitz in San Francisco ins Leben gerufen, die so gesehen als Dachorganisation und ideeller sowie wirtschaftlicher Träger für die Online-Enzyklopädie fungiert.
Der Erfolg von Wikipedia ist bis heute ungebrochen: So lag die Enzyklopädie im Januar 2021 auf dem 13. Platz der weltweit am häufigsten besuchten Internetseiten und in Deutschland auf Platz sieben. Das ist für eine nicht kommerzielle Seite, da sich die Wikipedia ausschließlich über Spenden finanziert, ohne Zweifel ein herausragendes Ergebnis. Und die Zahl der Artikel ist fast noch eindrucksvoller als die Abrufstatistiken: So waren Ende 2020 bald 56 Millionen Artikel in fast 300 Sprachen weltweit gelistet. Allein für die deutschsprachige Wikipedia existieren gegenwärtig mehr als 700.000 Artikel.
Bearbeitet wird das Lexikon durch die Beiträge der Nutzenden. Eine besondere Eigenschaft in dem Zusammenhang ist, dass man auch "anonym“, also ohne Anmeldung mit seinem Namen, Texte in der Wikipedia ändern und verfassen kann. Diese Möglichkeit nutzt sogar ein Großteil der Wikipedia-Autoren. Um Missbrauch und Falschinformation entgegenzuwirken, müssen die Änderungen deshalb vor der Veröffentlichung gesichtet werden. Dies geschieht in der Regel durch besonders engagierte User, die sich in der Vergangenheit verdient gemacht haben und deshalb auch ein höheres Maß an Vertrauenswürdigkeit und Rechte im Netzwerk genießen als der anonyme Verfasser. Unter anderem sind das die so genannten Administratoren. Besucher der Wikipedia, die gegen die Regeln der Community verstoßen, können somit auch ausgeschlossen oder gesperrt werden.
Bei allen positiven Aspekten und dem Wissen, das uns die Wikipedia in den vergangenen Jahren zugänglich gemacht hat, gibt es natürlich auch kritische Töne zum Online-Lexikon: So werden mancherorts die Neutralität und Sachkenntnis der Beiträge angezweifelt, weshalb es sich schon empfiehlt, in einem Artikel verlinkte Quellennachweise vor der Verwendung zu prüfen. Auch zeigt sich im Artikelbestand der Wikipedia eine „digitale Kluft“ dergestalt, dass in den Industrie-Nationen eine Vielzahl von Artikeln existiert, während insbesondere in südlicheren Ländern die Zahl der verfassten Artikel stark abfällt. Ein weiteres Problem der Wikipedia ist der Fokus auf Online-Nachweise, denn wenn alles als Beleg nur verlinkt werden muss und kann, sind Offline-Quellen nur schwer wiedergabefähig. Auch gab es in der Vergangenheit Fälle von Rufschädigungen, wenn einseitig formulierte Beiträge Interessen von Menschen Schaden zufügten.
Trotz aller kritischen Stimmen kann man heute aber durchaus guten Gewissens sagen: „Happy Birthday, Wikipedia!“. Das ursprüngliche Ziel von Jimmy Wales, eine „frei lizenzierte und hochwertige Enzyklopädie zu schaffen und damit lexikalisches Wissen zu verbreiten“, dürfte definitiv erreicht sein und die Wikipedia hat vielen Menschen weltweit Zugang zu Wissen verschafft, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Wir freuen uns auf die kommenden 20 Jahre.
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Die Experten
Vor dem Hintergrund von Datenklau und Datenschutz beleuchten sie im WESER-KURIER regelmäßig Themen der digitalen Welt. Der Weyher Dennis-Kenji Kipker ist unter anderem als Vorstandsmitglied bei der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz tätig, der Stuhrer Volljurist Sven Venzke-Caprarese arbeitet als Prokurist und Justiziar bei dem Bremer Unternehmen Datenschutz Nord.