Landkreis Diepholz/Syke. "Die Unternehmer suchen weiterhin dringend nach neuen Kräften", sagt Christoph Tietje, Leiter der Arbeitsagentur der Landkreise Diepholz, Verden und Nienburg. Kürzlich stellte er in Syke die Arbeitslosenzahlen des Monats Juni vor. Zudem gab der Bereichsleiter Leistungsgewährung der Jobagentur, Dirk Schulz, einen Überblick über die Bezieher von Grundsicherung, umgangssprachlich auch Hartz-IV genannt. Den Fokus legte er dabei auf die Geflüchteten aus der Ukraine, die künftig ihre Leistungen im Rahmen des Sozialgesetzbuches vom Jobcenter erhalten. Zuvor fielen sie unter das Asylbewerberleistungsgesetz.
Im Juni waren im Arbeitsagenturbezirk Nienburg-Verden-Diepholz 10.556 Männer und Frauen erwerbslos, 312 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 4 Prozent, 0,1 Prozent über dem Vormonatswert. Im Landkreis Diepholz waren im Juni 4.789 Männer und Frauen arbeitslos, 208 mehr als im Mai. Im Vorjahresvergleich jedoch ist ein Rückgang um 526 Erwerbslose zu beobachten. Die Arbeitslosenquote ist um 0,2 Prozent auf 3,9 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr lag sie noch bei 4,3 Prozent.
"Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiterhin sehr hoch und gegenüber dem Vorjahr weiter angestiegen", sagte Christoph Tietje. "Auf einmal suchen alle parallel." Besonders in Branchen wie dem Metall- und Elektrogewerbe, im Tiefbau, in der Gastronomie und im Gesundheitswesen sei der Bedarf groß. Die "Vakanzzeit", also die Zeit zwischen Ausschreibung der Stelle und ihrer Besetzung, liege aktuell bei fünf Monaten. 2021 lag sie noch bei vier Monaten. Die Agentur unterstützt übrigens auch Weiterbildungen von bereits Angestellten.
"Wir arbeiten mit einer anderen Datenlage", sagte Dirk Schulz vom Jobcenter, er hatte die Zahlen für März parat. "Wir haben einen historischen Tiefststand an Bedarfsgemeinschaften." Der lag im März bei 4775 Gemeinschaften mit insgesamt 10.442 Personen. Darunter waren 6754 Menschen im erwerbsfähigen Alter, also Personen ab dem 15. Lebensjahr. Schulz geht davon aus, dass die Zahlen auch im Mai weiter gesunken sind.
Ab Juni jedoch erwartet er eine steigende Anzahl von Bedarfsgemeinschaften. Seit diesem Monat trat der rechtliche Übergang der geflüchteten Ukrainer zum Jobcenter in Kraft. Im Landkreis gebe es etwa 2300 registrierte Ukrainer aller Altersklassen, 1600 davon seien erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Viele ältere Geflüchtete würden gleich in die Grundsicherung übergehen. "Wir erwarten 700 neue Bedarfsgemeinschaften." Zudem rechne er damit, dass noch einige bislang nicht im Landkreis Registrierte hinzukommen. Das Übernahmeverfahren sei eng mit dem Landkreis und den Kommunen abgestimmt. Ende der Woche seien die meisten Registrierungen abgeschlossen. Zur Bewältigung des Verwaltungsaktes seien Personalressourcen des Jobcenters zusammengezogen worden.
"Die Sprachbarrieren waren und sind noch recht hoch", so Schulz. Vor allem die Vermittlung rechtlich vertiefender Sachverhalte sei eine große Herausforderung. "Manchmal sind wir mit Russisch weitergekommen." Manche Ukrainer hätten mittlerweile die Gastfamilie verlassen und eine Wohnung gefunden, andere nahmen bereits eine Arbeit auf. "Erste sind auch wieder zurückgekehrt." Schulz hofft, dass bald "die Vermittlungsgespräche ins Laufen kommen. Wir gucken auch nach Bleibeperspektiven." Viele Geflüchtete gehörten einem gut qualifizierten Personenkreis an. Für die Anerkennung von ukrainischen Abschlüssen und Qualifikationen ist das Bundesbildungsministerium zuständig. Hier laufe der Prozess noch.
Dass ältere Arbeitssuchende chancenlos auf dem Jobmarkt sind, ist für Tietje schon lange nicht mehr der Fall. Manche Betriebe schätzten gerade deren Arbeits- und Lebenserfahrung. Schulz appelliert an junge Menschen, auf Abschlüsse hinzuarbeiten. "Abschlüsse sind nach wie vor sehr wichtig."