Bruchhausen-Vilsen. Die Bundeswehr unterstützt vielerorts den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Dabei sind nicht zuletzt Reservisten im Einsatz. Eine Corona-Notklinik in Hannover wurde zum Beispiel ausschließlich von Gelegenheitssoldaten errichtet, betont Dieter Habbe, Vorsitzender des Reservistenverbandes Nienburg/Diepholz.
„Im Einsatz sind die Reservisten vollwertig. Das heißt, sie haben sämtliche Rechte und Pflichten“, schildert Heinz Rösseler. Rösseler, den viele als Schützen und durch sein lokalpolitisches Engagement in Bruchhausen-Vilsen kennen, war Ende des vergangenen Jahrtausends selbst als Gelegenheitssoldat aktiv. Heute gibt es in Deutschland gut 900 000 Reservisten. Doch wer ist Soldat auf Abruf und was macht die Reserve, vor allem im Landkreis Diepholz, aus?
Kleinster Verband im Bundesland
Aktiver Reservist kann zunächst einmal jeder werden, der Soldat war. Aber auch Nichtgediente können der Reserve beitreten. Und Mitglieder entscheiden wohlgemerkt selbst, inwiefern sie sich einbringen. „Reservisten sind insbesondere deshalb wichtig, weil sie einbezogen werden können, wenn Soldaten fehlen“, hebt Rösseler hervor. Sie helfen vor allem bei Katastrophen, also dann, wenn der Bund dringend Helfer braucht. Aber auch technische und wirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen sie. Für internationale Einsätze können sich Gelegenheitssoldaten ebenfalls melden.
Die Kreisgruppe Nienburg/Diepholz sei mit 450 Mitgliedern die Reservistengruppe mit den zweitwenigsten Mitgliedern in Niedersachsen, skizziert Habbe. Nur der Verband im Harz sei noch kleiner. Gegliedert ist der Verband laut Habbe hingegen in neun Kameradschaften, eine davon befindet sich im Landkreis Diepholz. Zudem gibt es vier Arbeitsgemeinschaften, unter anderem eine, die in Syke und Diepholz beheimatet ist. „Die Reservisten dort haben sich dem Schießsport verschrieben“, erzählt der Vorsitzende.
Habbe führt aus: „Corona hat unsere Pläne ganz schön durcheinander gewirbelt. Viel ist ausgefallen." Sonst finden jährlich 16 dienstliche Übungen statt. „Da ist alles enthalten, was es für die Ausbildung von Reservisten braucht“, bringt es der Vorsitzende auf den Punkt. In diesem sowie im nächsten Jahr liegt der Ausbildungsfokus zum Beispiel auf dem Schießen – und zwar in allen denkbaren Formen, etwa „liegend, stehend und mit Waffenwechsel“. Ergänzt wird das Programm in jedem Jahr durch bis zu 15 Termine des Verbands, also „reine Vereinsveranstaltungen“. Dort werden zum Beispiel Vorträge zu sicherheitspolitischen Themen angeboten oder auch einfach mal Geburtstage gefeiert.
Die Altersstruktur im Verband ist hoch. „Wir sind alle über 50“, merkt Habbe nämlich an. Gleichzeitig komme der Verband „ganz schlecht“ an Nachwuchs ran. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Abschaffung der Wehrpflicht. Zudem ergänzt der Vorsitzende: „Von 450 Mitgliedern sind nur 100 ständig aktiv.“ Dem Verband kommt nun allerdings eine Strategie zugute, die unter Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im vergangenen Jahr verankert wurde. Berufssoldaten beenden wie gehabt mit 59 Jahren ihre Laufbahn. Nach dem neuen System werden sie dann allerdings grundsätzlich in die Reserve beordert. Das war vorher nicht so.
Zu einer Zeit, als es die Wehrpflicht noch gab, war Rösseler bei der Armee. 1967 verpflichtete er sich für vier Jahre als Zeitsoldat. Danach wäre es gerne Berufssoldat geworden, sagt er. Doch aufgrund einer Verengung der Harnwege wurde das nichts. Soldat der Reserve wurde er allerdings dennoch. „Dadurch bin ich besser an Lehrgänge rangekommen“, erinnert sich der 73-Jährige, der nach seiner Zeit beim Bund als technischer Fachlehrer an einer Berufsschule arbeitete.
„Heute bin ich froh, dass ich damals abgelehnt wurde und alles so gekommen ist“, stellt er fest. Statt in tarnfarbener Uniform wirkte er 50 Jahre in der Lokalpolitik Bruchhausen-Vilsens. Außerdem war er 24 Jahre Vizepräsident des Nordwestdeutschen Schützenbundes und im Vorstand des Deutschen Schützenbundes tätig. Doch geformt wurde er beim Bund, da ist sich der Rentner sicher.
Von 1982 bis 1997 nahm er an insgesamt zwölf Übungen der Reserve teil, wobei diese damals noch deutlich seltener angeboten wurden. Der Vilser erzählt von seinen organisatorischen Aufgaben: „Ich war nicht in der kämpfenden Truppe, sondern habe die Gruppen gebildet und Dienstpläne erstellt.“ Zu den Kameraden von damals hat der Senior noch Kontakt. „Da waren Bergbauer, Lehrer und auch Richter dabei“, blickt er zurück. Eins gefällt ihm nicht: „Ich verstehe nicht, dass Reservisten vermehrt für Einsätze in ausländische Kriegsgebiete einbezogen werden.“
Von der Kreisgruppe Nienburg/Diepholz seien jedoch bisher nur vier Mann im Ausland stationiert gewesen, ordnet der Kreisvorsitzende Habbe ein. Entweder waren sie in Afghanistan oder in Bosnien im Einsatz und das zumindest teilweise vor ihrer Zeit bei der Reserve. Auch bei Habbe, der heute knapp über 60 Jahre alt ist, war das so. So sei er als Berufssoldat dreimal nach Bosnien und Herzegowina geschickt worden und dort für den Wiederaufbau zuständig gewesen, als dort von 1992 bis 1995 der Krieg wütete. „Ich habe Krankenhäuser und einen Kindergarten aufgebaut, war also immer außerhalb des Camps unterwegs. Die Kriegszustände mit eigenen Augen zu sehen, war sehr schlimm und wirklich berührend.“
Zu seiner Zeit als Berufssoldat trat Habbe bereits in den Reservistenverband ein. Bis Mitte der 1990er-Jahre war er in Diepholz stationiert und dort als zuständiger Sachbearbeiter mit den Soldaten auf Abruf in Kontakt. Der Berufssoldat verstand sich gut mit ihnen und entschied, sich mit der Mitgliedschaft für sie einzusetzen. Inzwischen ist Habbe schon seit 30 Jahren dabei.