Bruchhausen-Vilsen. 1988 war es, als Udo Lindenberg und sein Panikorchester auf dem Bruchhausen-Festival auftraten. Ein Jahr, nachdem er seinen Song "Horizont" veröffentlicht hatte. Nach mehr als drei Jahrzehnten kommt das Urgestein der deutschen Rockgeschichte wieder nach Bruchhausen-Vilsen, allerdings im übertragenen Sinne. Denn am Mittwoch haben im Schulzentrum Bruchhausen-Vilsen die Proben für das Projekt "Hinterm Horizont macht Schule" begonnen, das von der Udo-Lindenberg-Stiftung getragen wird.
"Wir freuen uns riesig, dass wir hier in Bruchhausen-Vilsen sein können", sagt Arno Köster von der Udo-Lindenberg-Stiftung und langjähriger Freund des Berliner Musikers. Seit Anfang des Projekts im Jahr 2012 ist er dabei, hat in dieser Zeit viele Schulen und Schüler kennengelernt – vornehmlich in Ostdeutschland. So ist es für Köster und seine Mitstreiter – Theaterregisseurin Elisabeth Engstler und Noah Fischer, Saxofonist in Lindenbergs Panikorchester – in vielerlei Hinsicht ein Novum, mit den Vilser Schülern für das kommende Kalenderjahr zu arbeiten.
"Es ist das zweite Mal, dass wir in Westdeutschland mit dem Projekt sind und das erste Mal in Niedersachsen", erklärt Köster.
Motivation bei Schülern und Lehrern
Vornehmlich habe die Stiftung bislang sogenannte Brennpunktschulen ausgewählt, mit denen sie an dem sozialpädagogischen Projekt gearbeitet haben. So waren sie beispielsweise schon in Leipzig und Jena. Aktuell laufen noch die Arbeiten mit einer Schule im brandenburgischen Finsterwalde. "Auch das ist für uns neu, dass wir zwei Schulen gleichzeitig betreuen", sagt Köster.
Zwar handelt es sich bei dem Schulzentrum Bruchhausen-Vilsen nicht um die "klassische" Brennpunktschule, aber auch hier stehen Lehrkräfte vor der Herausforderung, dass Teile der Schülerschaft innerlich mit der Schule abgeschlossen haben. Das war für den Oberschullehrer Thomas Müller Grund genug, sich um die Teilnahme für "Hinterm Horizont macht Schule" zu bewerben. Viele Erfolgsaussichten machte er sich nicht. Umso erfreulicher sei der Anruf von Arno Köster und das folgende, rund zweistündige Gespräch gewesen.
"Wir sprachen viel über die Corona-Zeit und was es mit den Schülern gemacht hatte. Wir brauchten ein Projekt, mit dem wir Schüler und auch Lehrer wieder motivieren konnten", sagt Köster.
Grundlage des sozialpädagogischen Projekts ist Lindenbergs Musical "Hinterm Horizont", das die Liebe zwischen Ost und West in Zeiten des Kalten Krieges und den Alltag in der damaligen DDR aufzeigt. Es vereint dabei Theaterelemente mit Musical-Inszenierungen und Rockshow-Attitüden. Die Stiftung hat daraus ein Projekt für Schüler entwickelt. Natürlich geht es dabei auch um die Vermittlung der deutsch-deutschen Geschichte und dass Demokratie nicht selbstverständlich ist", erläutert Noah Fischer. Die Jugendlichen sollen dabei auch lernen: "Träume groß, greif nach den Sternen und bewältige die Krisen, die sich dir auftun."
Dazu gehört auch, dass die Schüler in den kommenden Monaten sich das Musical komplett selbst erarbeiten – natürlich mit Unterstützung von Engstler, Köster und Fischer, die als Coaches einmal im Monat nach Bruchhausen-Vilsen kommen werden: Tanz, Gesang, Bühnenbild, Kostüme, Requisiten, Medienarbeit, Catering. "Das Theater ist für die Kinder eine ganz andere Welt, in die sie eintauchen dürfen", weiß Elisabeth Engstler, die auch beim originalen Musical "Hinterm Horiziont" mitwirkte. "Viele entdecken dabei auch neue Berufsfelder für sich." Daher wird das Musical zum Abschluss auch nicht in Bruchhausen-Vilsen aufgeführt. "Es wird in einem richtigen Theater stattfinden", sagt Köster.
Mehr als 200 Anmeldungen fürs Casting
Lisa Peitzmeier-Stoffregen, Leiterin des Gymnasiums, ist von dem Vorhaben ganz begeistert. "Für uns ist es sehr spannend. Wir teilen uns als Schulen zwar das Gelände oder auch die Mensa. Aber Berührungspunkte gibt es zwischen den Schülern aus beiden Schulformen nicht. Da gibt es eine Art 'magische Grenze', die wir aufbrechen wollen."
An Begeisterung vonseiten der Schüler mangelt es jedenfalls nicht. Bei der "Kick-off-Veranstaltung" am Mittwoch, als die Coaches das Projekt vorstellten, war es rappelvoll. Zahlreiche Mittelstufenschüler hatten sich eingefunden und lauschten den Ausführungen von Elisabeth Engstler, Noah Fischer und Arno Köster. Mit Filmen über ihre Arbeit an den vorherigen Schulen entfachten sie den Tatendrang bei den Jugendlichen nur noch weiter. Mehr als 200 Anmeldungen fürs Casting, das nun in den nächsten Tagen stattfindet, sind bereits eingegangen. Und auch Fragen zum Ablauf gab es bei den Schülern einige. Doch am meisten interessierte wohl: "Wird Udo Lindenberg herkommen?" Noah Fischer wusste die passende Antwort: "Es ist nicht auszuschließen, dass er zur Premiere kommt."