Bruchhausen-Vilsen. Die älteste Apotheke Deutschlands befindet sich in Trier. Für Bruchhausen-Vilsen lohnt sich allerdings ein Blick auf die Alte Vilser Apotheke. Neben der Eingangstür an der Brautstraße, Hausnummer 8, zeigt ein Schild das Gründungsjahr 1725 an. Mit der hiesigen traditionsreichen Apotheke sind also rund 300 Jahre der regionalen Arzneimittelversorgung verbunden. Ehemals ginge diese sogar weit über die des Fleckens hinaus, sagt Gretchen Arnold, Nachfahrin des ersten Eigentümers.
Sie weiß vieles über die Geschichte der ersten Apotheke in Vilsen, weil sie selbst damit in der sechsten Generationen familiär eng verbunden ist. Noch heute lebt sie in dem Wohnhaus ihrer Eltern, das Teil der Gebäudeanlage ist. Deren ursprünglicher Fachwerkstil zeigt ein Foto, eine Abbildung zurzeit der 1950er-/60er-Jahre. Gleichwohl ist hinter der jetzigen Klinkerfassade zur Brautstraße, die dem Zeitgeist vor etwa 50 Jahren entspricht, das ehemals sichtbare Fachwerk erhalten worden, berichtet die Vilserin heute. Sie erinnert sich zudem noch an die Situation des Selbstversorgens in den 1960er-Jahren. Hühner wurden gehalten und Gemüse angebaut.
Offizin 1725 eröffnet
Das komplexe Gebäude gehört nun mit den Räumen der Apotheke zur Brautstraße und dem angrenzenden Wohnhaus der 64-jährigen Vilserin zum Gartenweg. Außerdem kann Gretchen Arnold hinsichtlich der Historie auf eigene Recherchen zurückgreifen. Sie erklärt, aus einem „Visitationsprotokoll“ des Jahres 1728 (im Niedersächsischen Landesarchiv in Hannover verwahrt) gehe hervor, dass Apotheker Daniel Adolf Lipstorf in Vilsen eine Offizin im Jahre 1725 eröffnet hatte. Und zwar in einem Haus an gleicher Stelle, wo – nach den Recherchen des Heimatforschers Dieter Schütt – das Bavendammsche Haus 1850 erbaut wurde. Zudem vermutet er, dass Apothekergeselle Johann Joachim Wigmann unmittelbar nach Lipstorfs Tod 1740 dessen Nachfolge antrat. Dokumentiert ist sein Antrag von 1754 bei der Regierung in Hannover, eine Apotheke in Vilsen errichten zu dürfen. Zu dieser Zeit galten obrigkeitsstaatliche Maxime.

Die Approbationsurkunde des Apothekers Johann Conrad Gevers aus dem Jahr 1759: Unterzeichnet hat sie Balthasar Jacob Dugend im als „königlicher dänemarkischer Apotheker in der Stadt Oldenburg“.
Die spätere Standortverlegung der alten hiesigen Apotheke geht aus einer kirchenamtlichen Notiz von 1785 hervor. Demnach war der Umzug in die Brautstraße, damalig „Am Steindamm nach der Kirche“, für 1791 geplant. Gretchen Arnold ergänzt: „Wahrscheinlich wurde das ursprüngliche Haus abgerissen“. Vermutlich sei der Wechsel in die Brautstraße aber erst zwischen 1846 und 1876 erfolgt.
Approbationsurkunde aus dem Jahr 1759
Zu den wahren Schätzen ihrer Revisionspapiere aus familiärem Bestand zählt insbesondere die Approbationsurkunde ihres Ururururgroßvaters Johann Conrad Gevers (1738 bis 1809). Das Dokument verfasste und bezeugte Balthasar Jacob Dugend im Jahr 1759 als „königlicher dänemarkischer Apotheker in der Stadt Oldenburg“. 1769 sei Gevers vor Ort als „erster Apotheker in Vilsen“ betitelt worden, bemerkt Arnold ergänzend. In dessen Fußstapfen trat Johann Christian Friedrich Gevers (1782 bis 1833). Anhand der Grundsteuermutterrolle von 1876 wurde er als erster Apothekenbesitzer an der heutigen Brautstraße aktenkundig.
Des Weiteren ist der damalige Verkauf der „Halbbürgerstelle“ mit allen Bestandteilen – „dem Wohnhaus, Stall, Holzstall, Hofmauer mit Bäumen, Garten am Hause von 56 Ruthen“ – anhand eines Original-Dokuments vom 8. Oktober 1863 belegt. Als Bevollmächtigter des Superintendenten H. W. Bronner aus Winsen (Aller) vermittelte der damalige Bürgermeister G. H. Vassmer den Besitz an der Brautstraße an den Ururgroßvater Gretchen Arnolds, den Apotheker Friedrich Conrad Ludwig Gevers (1813 – 1899). Den Erhalt der Kaufsumme beweist die handschriftliche „Generalquittung vom 29. Dezember 1866“.
Grundbucheintragungen offenbaren: Der Vilser Apotheker Leonhard Carl Gevers (1813 bis 1899) wurde nach der Auflassung 1890 neuer Eigentümer. Apotheker Theodor G. F. Nienaber (1843 bis 1908) heiratete dessen Tochter Wilhelmine Mathilde Louise und die beiden Pharmazeuten tauschten ihre Apotheken in Elze beziehungsweise in Vilsen. Der Wechsel fand im Oktober 1892 statt. Nach 16 Jahren nahm zwischenzeitlich Theodors Schwager Kurt Waldemar Schröder die Geschicke der örtlichen Arzneimittelversorgung in die Hand. Nienabers direkter Nachfolger, sein Sohn Karl Friedrich, verantwortete diese, sobald er aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war, bis 1956.
Problematische Arzneiversorgung
Während des Zweiten Weltkrieges führte seine Einberufung in den Heeresdienst zu einem Problem der hiesigen Arzneiversorgung. Arnolds Großmutter Wilma Nienaber veranlasste deshalb einen Brief an das Nienburger Wehrbezirkskommando. Dieser enthielt die Bitte nach umgehender Prüfung der Verhältnisse und zudem, dass „die Entlassung des Apothekers Nienabers“ erwogen werden sollte. Später habe sich Karl F. Nienaber trotz seiner Parteilosigkeit einem Verfahren zur Entnazifizierung unterziehen müssen, erklärt Gretchen Arnold.
Ihre Eltern, Ilse Nienaber aus Vilsen und Heinz-Joachim Arnold aus Wiesbaden, lernten sich in Hannover kennen. Gemeinsam studierten sie ab 1949 an der Münchener Universität erfolgreich Pharmazie. Drei Jahre nach ihrer Heirat wurde Arnolds Vater 1956 offizieller Nachfolger seines Schwiegervaters und übte 38 Jahre lang hier den Dienst aus. Aus dieser Zeit gibt es ein Foto, das Ilse Arnold zeigt, wie sie gerade eine Präsentpackung der Marke „4711“ über den Ladentisch in der Offizin reicht, erinnert sich die Tochter. Auch Standgefäße aus dem alten Inventar, etwa mit der Beschriftung „Unguentum emulsificans aquosum“, seien noch vorhanden. Seit 1994 bis heute führt Apotheker Jens Hülsebus als Eigentümer die Alte Vilser Apotheke, die diesen Namen jedoch erst seit 1990 trägt.