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Krieg in der Ukraine Diepholzer holt Flüchtlinge an der Grenze ab

Normalerweise fährt Andreas Pörschke die Lady Lions der HSG Hunte-Aue-Löwinnen im Reisebus zu Auswärtsspielen. Nun hat der Diepholzer Geflüchtete von der polnisch-ukrainischen Grenze in den Landkreis abgeholt.
02.03.2022, 17:21 Uhr
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Von Niklas Golitschek, Korczowa Lena Reiner, Korczowa

Korczowa/Diepholz. Die polnisch-ukrainische Grenze steht derzeit im Fokus der Weltöffentlichkeit. Mittendrin findet sich am Dienstagmittag plötzlich auch Andreas Pörschke wieder: Der Anlagenbauer aus Diepholz fährt normalerweise als Sponsor die Lady Lions der HSG Hunte-Aue-Löwinnen im Reisebus zu ihren Auswärtsspielen. Doch als er von den flüchtenden Frauen und Kindern in der Ukraine erfuhr, wollte er das Gefährt anderweitig einsetzen. 45 Sitzplätze, WC, Küche – und ein kostenloser Transfer nach Diepholz. „Als Sponsor eines Sportvereins und als Unternehmer hat man auch einen sozialen Auftrag“, sagt Pörschke über seine Motivation, die 1300 Kilometer lange Fahrtstrecke auf sich zu nehmen: „Da musst du humanitäre Hilfe leisten.“

Nun wartet er auf dem Parkplatz eines provisorischen Ankunftszentrums im grenznahen Korczowa in Polen darauf, die Sitze zu füllen. Doch zu seiner Verwunderung dauert das erst einmal länger als gedacht. „Ich habe ein bisschen was anderes erwartet“, sagt er verblüfft. Denn die Frauen und Kinder, die so oft in den Fernsehbildern zu sehen waren, finden sich hier nur vereinzelt. Stattdessen tummeln sich hier vor allem vorübergehend gestrandete Auslandsstudenten etwa aus dem Senegal, Ghana oder dem Jemen sowie eine größere Gruppe usbekischer Staatsbürger, die in der Ukraine gearbeitet haben und nun ebenfalls von dort geflüchtet sind.

Viele der ukrainischen Geflüchteten sind seit Freitag bereits von Freunden und Verwandten abgeholt worden oder konnten einen anderen kostenlosen Transfer nutzen. „Ich habe mit Frauen und Kindern gerechnet, die hier zu Hauf festsitzen. Das ist aber so nicht der Fall“, stellt Pörschke zunächst fest. Erst war er am Grenzübergang bei Medyka und kam dann in Absprache mit einer Hilfsorganisation nach Korczowa. Doch es dauert nur wenige Stunden, dann füllt sich auch sein Bus mit den erwarteten Ukrainerinnen, die er in den Landkreis Diepholz fährt. Am Nachmittag bricht Pörschke in Richtung sichere Heimat auf, wo sich bereits Fernsehsender für die Ankunft angekündigt haben.

Von der Resonanz zeigt sich der Unternehmer mehr als verblüfft. Mehr als 1800 Mal ist sein Aufruf in den sozialen Medien geteilt worden, Tausende sahen sich seinen Livestream von der tristen Autobahnfahrt bei Nacht an. „Das ist alles ein bisschen aus dem Ruder gelaufen“, sagt Pörschke noch immer ungläubig angesichts der riesigen Resonanz. Und das alles, während er am Steuer saß – als er den Motor startete, hatten 40 Nutzer auf den Beitrag reagiert. Bei den ersten Anrufen von Fernsehsendern habe er noch gedacht, Freunde würden sich einen Streich erlauben. „Ich wurde noch nie vom Fernsehen empfangen“, sagt er und lacht.

Dass es tatsächlich zum Krieg und der Fluchtbewegung kommen würde, hätte der Wallenhorster nicht erwartet. „Das ist eine Katastrophe“, sagt er nun. Eine gute Freundin arbeite derzeit noch in einem Kinderkrankenhaus in Kiew und weigere sich, das Land zu verlassen, um dort zu helfen. Dass Russlands Machthaber Wladimir Putin nun offen mit Atomwaffen drohe, sei beängstigend.

Humanitäre Einsätze sind Pörschke derweil nicht ganz fremd. In einer ähnlich spontanen Aktion hatte er Ende der 1990er Jahre bereits Hilfsgüter nach Albanien gebracht. Spendengelder habe er für diese Hilfsaktion trotz Angeboten abgelehnt. Als Unternehmer wolle er hier Konflikte vermeiden, da trage er die Kosten lieber selbst, erklärt er.

Inzwischen ist Andreas Pörschke mitsamt den ukrainischen Geflüchteten heil in seiner Heimat angekommen. Während einige bereits unterwegs ausgestiegen sind, geht es für andere jetzt noch weiter, etwa zu Bekannten nach Wuppertal. Die Absprache und Koordination mit Florian Marré, dem Bürgermeister in Diepholz, und auch dem Landkreis Diepholz sei trotz der spontanen Aktion gut verlaufen, so Pörschke. Auch zahlreiche Privatpersonen hätten ihre Hilfe für die Ankommenden angeboten.

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