Schwarme. Lange war ein Schlachthof im Schwarmer Gewerbegebiet "Rennbahn" geplant (wir berichteten). Jetzt ist die tierwohlorientierte Schlachtstätte Geschichte. "Es kamen am Ende zu viele Faktoren zusammen, die den Plan nicht umsetzbar gemacht haben", erklärt Wolfgang Golasowski, einer der Initiatoren. Mit dem Hof in Schwarme verfolgte die Gruppe um Golasowksi, zu der auch Elisabeth Böse und Johanna Böse-Hartje gehören, das Ziel, das Schlachten für die Tiere so stressfrei wie möglich zu gestalten: "Uns ging es bei dem Projekt darum, den Tieren die lange Fahrt zu ersparen und ihnen ein möglichst stressfreies Umfeld zu schaffen."
Bis Sommer 2022 liefen die Planungen auf Hochtouren, dann wurde jedoch klar, dass das Projekt scheitern wird. "Zu den Nachwehen von Corona kamen die Ukraine-Krise und die steigenden Preise bei Baustoffen hinzu", erklärt Golasowski. Zudem sei durch den Konflikt in der Ukraine die Energiefrage unklar geworden. "Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um eine Verpflichtung über einen sechsstelligen Betrag mit einer Bank einzugehen", führt er fort.
Förderung ist kein Eigenkapital
Auf die Unterstützung der Bank seien die Initiatoren angewiesen gewesen. "Auch mit der Finanzierung gab es Probleme", so Golasowksi. Eigentlich war die Gruppe davon ausgegangen, dass die bis Herbst 2022 ausgeschriebene Förderung als Eigenkapital reichen würde. Dieser Meinung war die Bank jedoch nicht. "Als Eigenkapital hätten die Landwirte, die beim Projekt beteiligt sind, ihre Häuser und Höfe verpfänden lassen müssen. Das wäre ein zu hohes Risiko gewesen." Bei Golasowksi trifft das auch auf Unverständnis: "Die Rinderhalter sind bereit, etwas zu tun, damit die Schlachtbedingungen sich verbessern. Dabei haben sie aber nur wenig Aussicht auf wirkliche Hilfe." Ein Grund dafür sei auch die Privatisierung.
"Wir haben den Hof als Genossenschaft geplant und wollten keine Gewinne einfahren", so Golasowski. Umso tragischer sei es, dass das Projekt gescheitert ist. "Uns hat dann auch der Mut verlassen, muss man so sagen." Dabei war bereits ein Grundstück in Schwarme reserviert. Dieses steht nun schon seit Längerem wieder zum Verkauf. "Wir haben schon lange nur noch sehr wenig Kontakt gehabt", sagt Schwarmes Bürgermeister Johann-Dieter Oldenburg. Auch sei das Grundstück wieder zu haben. "Wir sind aber nicht im Streit auseinandergegangen." Die Tür für eine Zusammenarbeit hätten beide Seiten noch nicht geschlossen.
Nicht aufgegeben
Denn Golasowski, Böse und Böse-Hartje haben weiter an einer Lösung für tierwohlorientiertes Schlachten in der Region gearbeitet. "Wir haben uns auch mit der Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Miriam Staudte, in Hannover getroffen." Sie habe ihnen viel Mut gemacht, weiterzumachen. Allerdings kam auch die Frage auf, wie zeitgemäß der Bau eines Schlachthofes noch sei. "Das ist vielleicht vergleichbar mit Bürogebäuden. Viele arbeiten mittlerweile zu Hause, Büroraum ist weniger gefragt." Auch wie die Gesellschaft Fleisch isst, ändert sich. "Viele essen nur noch sehr wenig bis gar kein Fleisch mehr. Und wenn, dann achten sie mehr auf die Qualität", sagt Golasowki. Deshalb hätte sich die Gruppe auf ihre ursprünglichen Ziele zurückbesonnen: den langen Transportweg vermeiden, den Tieren den Stress im Wartestall ersparen und mehr Wertschöpfung bei den Landwirten.
Drei Lösungsansätze
Die Alternative heißt mobile beziehungsweise teilmobile Schlachtung. "Im Prinzip gibt es dabei drei Möglichkeiten", erklärt Golasowksi. Die erste und absolut stressfreie Methode ist der Kugelschuss. "Dabei wird das Tier auf der Weide mitten in der Herde erschossen", sagt er. Das Problem sei allerdings, dass dafür die Tiere zwölf Monate im Jahr auf der Weide leben müssten. "Das können nur wenige machen, und bei Milchkühen geht das leider gar nicht."
Die zweite Variante ist die teilmobile Schlachtung. "Dabei werden die Tiere mit einem Bolzenschuss auf ihrem Heimathof getötet", erklärt Golasowksi. Anschließend müssen die Tiere innerhalb von einer Stunde zu einem Schlachthof gebracht werden, der sie dann weiterverarbeitet. Leider hat aber auch diese Methode ihre Schwierigkeiten. "Das Verfahren scheitert daran, dass in der Region die Infrastruktur fehlt." Auch wenn die Transportdauer auf zwei Stunden ausgedehnt werden kann, fehlt im Umkreis von 150 Kilometern ein Schlachthof, der die Tiere dann aufnehmen könnte. Zudem seien die meisten Schlachthofbetreiber eher abgeneigt. Einen alten Schlachthof wiederzubeleben schließt die Gruppe nicht aus, der müsste aber auch erst mal gefunden werden.
Deshalb fährt die Gruppe demnächst nach Leverkusen. "Wir sind dort mit einem Schlachter in Kontakt, der eine voll mobile Schlachtanlage bestellt hat." So eine Anlage könnte auch die Lösung für die Vilser Region sein. "In ihr können bis zu sechs Tiere geschlachtet und weiterverarbeitet werden, sodass sie direkt bereit für die Verwertung in einem Fleischbetrieb sind", führt Golasowski fort. Auch preislich sei diese mögliche Lösung realistisch. "Dank der Koalitionsverträge in Niedersachsen und Bremen könnten wir außerdem wieder etwas Förderung bekommen." Wenn der Besuch in Leverkusen ein Erfolg ist und das Produkt überzeugt, könnte eine mobile Schlachtanlage frühestens in einem Jahr in die Region kommen.