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350 Zuhörer in der Gutsscheune Ein Fest der Wunderkasten-Klänge

Seine Popularität und Vielseitigkeit zeigte das Akkordeon am Freitagabend in der Varreler Gutsscheune bei der achten "Akkordeonale". Erneut hatte Mentor Servais Haanen ein überaus feines Händchen bewiesen.
23.04.2023, 15:00 Uhr
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Von Anke Bayer-Thiemig / abt

Stuhr-Varrel. Das Akkordeon, auch liebevoll Quetschkommode genannt, ist nicht nur ein sehr unterschätzter Wunderkasten, der gegen 1810 erfunden wurde, sondern hat den Weg in nahezu alle Kulturkreise gefunden. Seine Popularität und Vielseitigkeit zeigte das Akkordeon auch am Freitagabend in der Varreler Gutsscheune. Erneut hatte der Niederländer und Mentor Servais Haanen zu seiner Akkordeonale eingeladen und wieder einmal ein überaus feines Händchen bewiesen.

Insgesamt zum achten Mal gastierte das Festival in Varrel. Und es war wieder einmal erstaunlich, welche hohe Anziehungskraft gut gemachte Akkordeonmusik zu entfachen weiß. Die Varreler Gutsscheune war voller Menschen, 350 Musikliebhaber fanden den Weg dorthin. „Die Akkordeonale ist zurück. Großartig, dass ihr zu uns gehalten habt“, kurz und trocken begrüßte Servais Haanen das Publikum. Und obwohl die Stuhrer manchmal eher zurückhaltend sind, hallten ihm jede Menge Beifall und lauter Jubel entgegen.

Als besonderes Ereignis feierte die Akkordeonale nach drei Jahren pandemiebedingter Pause nicht nur ihr Comeback, sondern ein wundervolles Programm voll Temperament, Esprit und Poesie. Mit einem fröhlichen Ensemblestück begrüßten alle Musikerinnen und Musiker das Publikum, bevor sie sich einzeln oder in verschiedenen Konstellationen vorstellten.

Die kraftvoll-subtile slowenische Seele von Jure Tori, einem Virtuosen des Instruments, machte schon den Anfang zu einem hörbaren Erlebnis. Die Besucherinnen und Besucher bekamen mit dem Song „Morgendämmerung“ eine Stimmung zu spüren, die in manchen Sequenzen melancholisch und beinahe lyrisch wirkte.

Aïcha Touré aus Gabun verband afrikanische, lateinamerikanische und französische Musik, sang auf Französisch ein Chanson im Cha-Cha-Rhythmus, wurde von Johanna Stein aus Köln am Cello, Birgit Bornauw an der Violine und Servais Haanen auf dem Akkordeon begleitet.

Anders, aber genauso imposant, war Benjamin Macke aus Nordfrankreich. Wie Servais Haanen erzählte, mochte er als Kind das Akkordeon nicht, lernte es später lieben, wurde mit 20 Jahren Profimusiker. Auch er war ein Künstler auf seinem Instrument, dazu Töne aus dem Fußbass, den Benjamin Macke mit auffällig bunten Socken bediente. Später war Macke mit seiner Frau Birgit Bornauw, einer der besten Dudelsackspielerinnen ihrer Generation, aus Belgien zu hören. Sie spielten eine flämische Melodie, die dann in einen fröhlichen Tanz überging, Aïcha Touré steppte dazu. Wunderschön.

Zabou Guérin, eine junge Französin, spielte hingegen das osteuropäische chromatische Knopfakkordeon Bajan. Gemeinsam mit Johanna Stein am Cello, die in ihrer Vielseitigkeit eine ideale Begleitmusikerin war, führte sie ein herrliches musikalisches Zwiegespräch, das beim Publikum sehr ankam.

Der Abend lebte wie immer vom Nebeneinander und Miteinander, von Kontrasten und spontanen Verknüpfungen, die so erst im Verlauf der am 12. April gestarteten Tournee entstanden sind. In Varrel war zu spüren, dass die Tour bereits fast zwei Wochen läuft, dass sich die Protagonisten längst warm gespielt haben. „Sie wirken wie eine große Familie“, war in der Pause zu hören. Insgesamt sind 33 Konzerte geplant, das letzte findet am 16. Mai in Dachau statt.

Für Erheiterung zwischen den Stücken sorgte als Moderator Servais Haanen mit seinem besonders trockenen Humor, er hat in Varrel längst Kultstatus. Der Holländer war aber nicht nur für Sprüche gut, auch er erwies sich als ein ausgesprochener Meister am Akkordeon. Er sinnierte musikalisch über das Wort „Kreislauf“, das es wohl auf Niederländisch nicht gibt, begleitet von einer Spieluhr-Percussion und tiefen Cello-Klängen. Eine fröhliche Barockmusik aller Protagonisten beendete den imposanten Abend. Applaus.

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