Stuhr-Brinkum. Ein ganz besonderes Orgelkonzert konnten Musikliebhaber am Dienstagabend in der St.-Pankratius-Kirche in Stuhr genießen. Der italienische Künstler Paolo Oreni hatte ein Programm à la carte vorbereitet, aus dem das Publikum eine Vorspeise und zwei Hauptgänge wählen konnte. Zum Nachtisch gab es eine Improvisation der Musikstücke, die sich die Zuhörerinnen und Zuhörer gewünscht hatten.
Die kleine Kirche in Alt-Stuhr ist allein aufgrund ihrer Architektur einen Besuch wert. Ein zwischen 1180 und 1187 errichteter Holzbau wurde im 13. Jahrhundert durch das bis heute erhaltene Gebäude aus Stein ersetzt. Bei Restaurationen im 19. Jahrhundert und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Altarraum wunderschöne Wandmalereien freigelegt. Beeindruckend sind auch der kunstvoll geschnitzte Flügelaltar, die von 1615 stammende Kanzel und das historische Kirchengestühl.
1760 erklang zum ersten Mal eine Orgel in St. Pankratius. Doch das Instrument war wegen handwerklicher Mängel und großer Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen in der unbeheizten Kirche dauernd reparaturbedürftig. Ihre 1880 errichtete Nachfolgerin wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Die Konstruktion der 1954 erbauten mechanischen Schleifladenorgel erlitt durch die 1964 installierte Heizung und Maßnahmen zur Trocknung des Mauerwerks so starke Schäden, dass 1995 eine Teilerneuerung der Orgel erfolgte. Heute verfügt das Instrument über 16 Register sowie zwei Tastaturreihen (Manuale) und das Pedalwerk.
Robert Vetter, Pfarrer der Kirchengemeinde Stuhr, begrüßte die Anwesenden und freute sich darüber, dass Paolo Oreni sein zweites Konzert in der Stuhrer Kirche gab. Der italienische Künstler war bereits als Ministrant vom Klang der Orgel so fasziniert, dass er mit elf Jahren begann, das Instrument zu spielen. Bei seinem Konzert konnte man spüren, dass diese Begeisterung ihn bis heute begleitet. Er gewann mehrere internationale Wettbewerbe und wird heute dazu eingeladen, Meisterklassen über Improvisation und Literaturspiel von Johann Sebastian Bach bis zu zeitgenössischer Musik zu halten. Außerdem agiert er als Jurymitglied bei nationalen und internationalen Wettbewerben und arbeitet zudem als Orgelsachverständiger.
„Eine Orgel klingt wie ein ganzes Orchester und bietet so viele Klangfarben, mit denen man wie mit den unterschiedlichen Gewürzen und Ölen in einer Küche spielen und variieren kann“, erklärte der Musiker bei seiner Begrüßung. Er forderte das Publikum auf, sich aus seiner musikalischen Speisekarte ein ganz individuelles Menü zusammenzustellen.
Das Publikum wählte als Vorspeise das Concerto in D-Dur BWV 972, Allegro – Larghetto – Allegro. Das Musikstück wurde von Antonio Vivaldi für Violine komponiert und von Johann Sebastian Bach für die Orgel bearbeitet. Als Hauptgänge folgten Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy (Präludium und Fuge in c-Moll, Op. 37,1), Robert Schumann (zwei Stücke aus den sechs Studien in kanonischer Form, Op. 56), Johannes Brahms (Choralbearbeitung zu „Es ist ein Ros‘ entsprungen“) und Louis Vierne („Arabesque“ und „Carillon de Longpont“). Als Dessert improvisierte der Organist ein Medley – bestehend aus den Stücken, die sich das Publikum gewünscht hatte: „Satisfaction“ von den Rolling Stones, „Ave Maria“ von Franz Schubert, „Toccata“ von Charles-Marie Widor und das „Adagio“ von Tomaso Albinoni.
Paolo Oreni spielte alle Stücke komplett auswendig, zog die Register selbst, schob sie wieder hinein und ließ die Orgel in all ihren Facetten erklingen – gefühlvoll, ausdrucksstark, besinnlich, langsam, rasant und kreierte abschließend einen einmaligen, wohlklingenden Nachtisch.
Das Publikum dankte ihm mit begeistertem Applaus. Auch Klaus Helbig, der selbst viele Jahre die Orgel in der St.-Pankratius-Kirche gespielt hat, war fasziniert: „Die Register sind bei jeder Orgel anders angeordnet. Es war beeindruckend, dass Oreni sofort so virtuos und variantenreich agiert und so raffinierte Registrierungen produziert hat.“